"Eine Macherin": Weggefährten verabschieden Münchens Bürgermeisterin Katrin Habenschaden

An diesem Mittwoch scheidet Bürgermeisterin Katrin Habenschaden aus der Münchner Kommunalpolitik aus und legt ihr Amt nieder. Anlass für politische Weggefährten, zurückzublicken. So erinnern sie sich an die gemeinsame Zeit.
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Katrin Habenschaden im HP8, dem Interims-Gasteig. Bei der Sanierung des großen Gasteigs in Haidhausen hatte sie deutlich weniger zu lachen.
Katrin Habenschaden im HP8, dem Interims-Gasteig. Bei der Sanierung des großen Gasteigs in Haidhausen hatte sie deutlich weniger zu lachen. © Daniel von Loeper

München – Es war eine Überraschung: Am 11. Oktober, drei Tage nach der Landtagswahl, verkündet die Zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden ihren Rückzug aus der Kommunalpolitik. Eigentlich hatten viele fest damit gerechnet, dass sie bei der Wahl 2026 noch einmal kämpft, um die erste grüne Münchner Oberbürgermeisterin zu werden. Stattdessen gab sie bekannt, einen neuen Job bei der Deutschen Bahn zu beginnen.

Die 46-Jährige wird ab Dezember bei der Bahn den Bereich Umwelt und Nachhaltigkeit leiten. Ihren Rückzug begründete sie damit, "dass die Belastung durch die öffentliche Rolle Spuren hinterlassen hat". Das Amt nur mit halber Kraft auszufüllen, sei für sie keine Option gewesen. Die AZ hat Weggefährten gebeten, sich an Habenschaden zu erinnern.

Verena Dietl: "Ich verliere eine politische Freundin"

Nach der Kommunalwahl im Frühling 2020 bekam Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) zwei Stellvertreterinnen: Katrin Habenschaden und Verena Dietl (SPD). Trotz der unterschiedlichen Parteibücher gab es auch vieles, was die beiden Bürgermeisterinnen miteinander verband: Beide sind ähnlich alt, beide sind Mütter von zwei Kindern, beide sind begeistert von Sport, leben im Münchner Westen - und das ist vielleicht am wichtigsten: Beide sind Feministinnen, die lernten, sich in dem Rathaus, in dem noch immer Männer die Mehrheit bilden, durchzusetzen.

Wenn Katrin Habenschaden ihr Amt aufgibt, ist Verena Dietl wieder die einzige Frau an der Spitze des Rathauses und sie wird Katrin Habenschaden vermissen, sagt sie. Von ihrer Kollegin verabschiedet sich Dietl so: "Mit dem Rücktritt von Katrin Habenschaden verliert München nicht nur eine engagierte und kompetente Bürgermeisterin. Ich verliere eine Kollegin in der Stadtspitze, eine politische Freundin und einen freundlichen und zuverlässigen Menschen im Rathaus.

Katrin Habenschaden zusammen mit Verena Dietl, zwei Bürgermeisterinnen auf der Wiesn.
Katrin Habenschaden zusammen mit Verena Dietl, zwei Bürgermeisterinnen auf der Wiesn. © imago

Besonders in Erinnerung geblieben ist mir unsere Gesprächsrunde mit Münchens (ehemaligen und amtierenden) Bürgermeisterinnen, bei der Katrin Habenschaden und ich uns mit Gertraud Burkert, Christine Strobl und Sabine Csampai über Macht, Geld, Frauen und Erfolge ausgetauscht haben. Bei geballter Frauenpower und drei Jahrzehnten weiblicher Erfahrung wurde deutlich: Das Fundament für Feminismus ist längst gelegt, auch im männergeprägten Münchner Rathaus."

Der ehemalige Gasteig-Chef Max Wagner: "Feste muss man feiern"

In einer Millionenstadt wie München sind die Aufgaben so vielfältig und groß, dass sich das Rathaus die Zuständigkeiten aufteilen muss. Als Bürgermeisterin war Katrin Habenschaden unter anderem für die Kultur verantwortlich – also auch für den Gasteig. Und für den waren die vergangenen Jahre spannend.

Weil der Bau in Haidhausen sanierungsbedürftig ist, musste der Gasteig ausziehen: in das Interimsquartier HP8 in Sendling. Wie es genau mit dem maroden Gebäude weitergeht, ist noch nicht klar. Denn ein Investor, der die Sanierung übernehmen sollte, fand sich nicht. Dafür setzte sich Habenschaden dafür ein, dass eine Zwischennutzung einziehen darf. Die Isarphilharmonie in Sendling war eigentlich auch nur als Übergangslösung gedacht. Doch sie kommt so gut an, dass sie nicht mehr wegzudenken ist.

Hier feiern Katrin Habenschaden und der Ex-Gasteig-Chef Max Wagner ein Jahr HP8. Der Bau ist nicht mehr wegzudenken.
Hier feiern Katrin Habenschaden und der Ex-Gasteig-Chef Max Wagner ein Jahr HP8. Der Bau ist nicht mehr wegzudenken. © Gasteig GmbH (Robert Haas)

Der ehemalige Chef des Gasteigs Max Wagner erinnert sich so an seine Chefin: "Mit Katrin Habenschaden, die ja auch Aufsichtsratsvorsitzende der Gasteig München GmbH war, habe ich immer eng zusammengearbeitet. Ein schönes Erlebnis war, wie wir 2022 gemeinsam den ersten Geburtstag des Gasteig HP8 und der Isarphilharmonie gefeiert haben – nach einem wirklich sehr erfolgreichen ersten Jahr des neuen Gasteig Interimsquartiers. Katrin Habenschaden hatte sich sofort bereit erklärt, in der Pause des Konzertes zum ersten Jahrestag eine kleine Rede zu halten. Danach verteilten wir gemeinsam Kuchen an das überraschte Konzertpublikum. Man muss die Feste feiern, wie sie fallen!"

Grünen-Politiker Florian Roth: "Es wurde viel gelacht"

Katrin Habenschadens politische Karriere war eine schnelle – mit einem plötzlichen Ende. Die Nürnbergerin machte nach dem Abitur eine Ausbildung zur Bankkauffrau, anschließend studierte sie Betriebswirtschaft und arbeitete bei der Sparkasse – erst in Nürnberg, später in München. Seit 2002 lebt sie hier. 2005, nach der Geburt ihrer Tochter, trat sie den Grünen bei. Ihr Antrieb sei der Schock über die nukleare Katastrophe von Tschernobyl 1986 gewesen.

Sie wollte Verantwortung für die Umwelt übernehmen, auch um München für ihre Kinder so zu erhalten, wie es ist. So beschrieben die Grünen in einer Mitteilung Habenschadens Motivation, kurz nachdem sie ihren Rückzug aus der Politik bekannt gegeben hatte.2014 wurde Habenschaden in den Münchner Stadtrat gewählt. Nur vier Jahre später folgt der nächste Schritt auf der Karriereleiter: Sie wird Chefin der Grünen-Fraktion gemeinsam mit Florian Roth. Im Wahlkampf 2020 wird sie OB-Kandidatin der Grünen.

Hoch hinaus soll es gehen! Da sind sich Katrin Habenschaden und Florian Roth sicher, als sie 2018 Chefs der Grünen-Fraktion geworden sind.
Hoch hinaus soll es gehen! Da sind sich Katrin Habenschaden und Florian Roth sicher, als sie 2018 Chefs der Grünen-Fraktion geworden sind. © privat

Florian Roth erinnert sich an die gemeinsame politische Zeit: "Am 2. Mai 2018 haben wir Katrin Habenschaden bei einer Klausur auf einem Gut am Chiemsee zur Fraktionsvorsitzenden gewählt; ich war da schon einige Jahre Vorsitzender und nun bildeten wir gemeinsam die neue Doppelspitze. Im Garten gab es eine große Schaukel, und wie die Katrin so ist, mit dem Herzen am rechten Fleck, war klar, dass wir eine Runde schaukeln gehen, zur Feier des Tages. Wie so oft mit ihr, wurde viel gelacht und gescherzt – auch darüber, dass wir jetzt gemeinsam ja die Fraktion hoch hinaus führen.

Nun, wir werden das Kind schon schaukeln, dachten wir, und stürzten uns in die Arbeit. Tatsächlich konnten wir die Grünen im Rathaus hoch hinaus führen, zum besten Wahlergebnis der bisherigen Geschichte, zur größten Fraktion im Stadtrat und zurück in die Regierung: Fast genau zwei Jahre nach ihrer Wahl zur Fraktionsvorsitzenden, am 4. Mai 2020, wählten wir Katrin Habenschaden zur Zweiten Bürgermeisterin."

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29 Prozent der Münchner stimmten 2020 für die Grünen. 12,5 Prozent mehr als 2014. Sie überholten mit diesem Ergebnis die CSU und die SPD. Katrin Habenschaden schaffte es damals allerdings nicht in die Stichwahl. Die Wähler mussten sich zwischen der CSUlerin Kristina Frank und Dieter Reiter (SPD) entscheiden.

CSU-Landtagsabgeordneter Josef Schmid: "Der Druck nagte an ihr"

Seit 2020 regieren die Grünen München mit. Vorher waren sie in der Opposition und der Zweite Bürgermeister hieß Josef Schmid und kam von der CSU. Als er 2018 in den Landtag wechselte, stellte sich Habenschaden zur Wahl. Doch sie unterlag, der CSUler Manuel Pretzl wurde Zweiter Bürgermeister. Von nun an war aber klar: Katrin Habenschaden feilt an ihrer Karriere.

Josef Schmid (CSU) war einmal selbst zweiter Münchner Bürgermeister.
Josef Schmid (CSU) war einmal selbst zweiter Münchner Bürgermeister. © Sigi Müller

Josef Schmid erinnert sich: "Als sie meine Nach-Nachfolgerin als Zweite Bürgermeisterin und ich bereits als Abgeordneter im Bayerischen Landtag war, trafen wir uns ab und zu am Rande des Fußballplatzes, weil unsere beiden Töchter in unterschiedlichen Mannschaften in derselben Klasse immer wieder gegeneinander spielten.

Manchmal war auch nur Björn Habenschaden da, weil Katrin natürlich eine Fülle andere Termine hatte. Wenn wir uns aber trafen, haben wir uns eigentlich immer über die Belastungen des Amtes und die aktuelle Politik ausgetauscht. Dabei merkte ich schon, dass dieser Stress und Druck ganz schön an ihr nagt… Und ich konnte es gut nachfühlen! Die körperlichen und psychischen Belastungen eines solchen Amtes muss man auch gut wegstecken können."

Barbara Bergau von Bellevue di Monaco: "Viel Pragmatismus"

Als Bürgermeisterin war Katrin Habenschaden für die Verkehrswende, für Münchens Wirtschaft und für die Kultur zuständig. Aber das heißt nicht, dass sie sich für sonst keine Themen interessierte. Zum Beispiel setzte sie sich auch für das Bellevue di Monaco, eine Einrichtung für geflüchtete Menschen in der Müllerstraße, ein.

Barbara Bergau, zusammen mit Grisi Ganzer auf dem Dach des Bellevue.
Barbara Bergau, zusammen mit Grisi Ganzer auf dem Dach des Bellevue. © Daniel von Loeper

Geschäftsführerin Barbara Bergau verabschiedet sich so: "Aus persönlichem Interesse und mit viel Pragmatismus und Gespür für das Zeitgeschehen hat sich Katrin für diejenigen eingesetzt, die im teuren München sonst kaum noch Platz finden. Sie weiß, wie wichtig Freiräume für eine Großstadt sind, für Geflüchtete, kleine Künstler*innen und Musiker*innen.

Sie war eine begeisterte und warmherzige Unterstützerin, sowohl des Bellevue di Monaco und seinen vielen Projekten, als auch der Zwischennutzung FatCat am Gasteig. Sie hatte jederzeit ein offenes Ohr für uns und brachte viele unserer Anliegen in den Stadtrat ein. Toll, dass sie auch jedes Mal selbst beim jährlichen Benefizlauf Giro di Monaco mitgelaufen ist! Dafür wird sie hoffentlich auch in Zukunft Zeit finden.Ich bin traurig, dass sie München abhandenkommt, kann aber total verstehen, warum sie an dieser Stelle nicht weitermacht. Ich wünsche ihr viel Freude und Erfolg auf ihrem neuen Lebensabschnitt!"

MVG-Chef Ingo Wortmann: "Tatkräftig für die Verkehrswende"

"Mit Katrin Habenschaden verlässt eine Macherin die politische Bühne der Landeshauptstadt", findet der Chef der Münchner Verkehrsgesellschaft Ingo Wortmann.

Ingo Wortmann, MVG-Chef, schätzt Habenschadens Einsatz für den ÖPNV.
Ingo Wortmann, MVG-Chef, schätzt Habenschadens Einsatz für den ÖPNV. © IMAGO/aal.photo

Er sagt außerdem:" Als zweite Bürgermeisterin und in ihrer Funktion als Vorsitzende des Mobilitätsausschusses hat sie sich tatkräftig für die Verkehrswende eingesetzt. Ihr letzter Tagesordnungspunkt bei ihrer letzten Sitzung des Mobilitätsausschusses war übrigens ein MVG-Thema. Ganz besonders sind mir unsere Begegnungen bei der Eröffnung unseres neuen Busbetriebshofs in Moosach sowie bei den Mobilitätskongressen im Rahmen der IAA Mobility in Erinnerung. Ich wünsche Katrin Habenschaden alles Gute für ihre neue Funktion bei der Deutschen Bahn."

Habenschaden ist nicht die erste Politikerin, die zu dem Konzern wechselt. Auch der frühere Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) machte dort Karriere. Anders als bei ihm blieb bei Habeschaden die Kritik fast aus.

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