Eigentümerverband Haus und Grund klagt gegen die Stadt München: Mietspiegel bewusst niedrig?

Haus und Grund behauptet, die Stadt München halte den Mietspiegel entgegen der Realität bewusst niedrig. Der Eigentümerverband fordert eine Offenlegung, doch die Stadt mauert.
von  Jasmin Menrad
Für eine Wohnung muss man in München immer mehr Geld berappen. Geht es nach dem Eigentümerverband Haus und Grund, trickst die Stadt beim Mietspiegel.
Für eine Wohnung muss man in München immer mehr Geld berappen. Geht es nach dem Eigentümerverband Haus und Grund, trickst die Stadt beim Mietspiegel. © AZ-Archiv

Haus und Grund behauptet, die Stadt München halte den Mietspiegel entgegen der Realität bewusst niedrig. Der Eigentümerverband fordert eine Offenlegung, doch die Stadt mauert.

München - Gefühlt ist der Mietspiegel in München schon immer zu hoch. Derzeit liegt die Durchschnittsmiete bei 11,23 Euro pro Quadratmeter. Gefühlt ist das zu wenig – wenn man sich im Freundeskreis umhört und die Immobilienanzeigen durchschaut. Haus und Grund schätzt, dass die reale Durchschnitts-Kaltmiete am freien Wohnungsmarkt bei mehr als 15 Euro pro Quadratmeter liegt.

Der Eigentümerverband Haus und Grund erhebt nun schwere Vorwürfe gegen die Stadt: "Wir haben konkrete Hinweise, dass Wohnungen in den Mietspiegel eingeflossen sind, die rechtlich nicht einfließen dürfen", sagt der Vorsitzende Rudolf Stürzer. Denn in einen qualifizierten Mietspiegel dürfen nur frei finanzierte Wohnungen einfließen.

Haus und Grund klagt gegen die Stadt

Der Eigentümerverband behauptet aber, es seien gezielt Mieter von Sozial- und Genossenschaftswohnungen befragt worden, die günstiger sind. Dabei stützt sich der Verein auch auf die Aussagen eines Interviewers. Deshalb fordert Haus und Grund, dass die Stadt offenlegt, wie der Mietspiegel zustande kommt. Doch die Stadt mauert.

Bereits 2015 hatte Haus und Grund um eine anonymisierte Herausgabe der Daten gebeten, um den Mietspiegel zu überprüfen. Nachdem die Stadt sich geweigert hatte, hat Haus und Grund geklagt. „Das ist ein bisher einmaliger Vorgang, andere Städte legen die Daten offen“, sagt Stürzer. Deshalb dauert das Verfahren an. Nachdem er auch dem Mietspiegel 2017 nicht trauen wollte, hat der Verein die Stadt abermals angeschrieben und um die Daten gebeten.

Gelöschte Daten tauchen plötzlich wieder auf

In ihrer Antwort an Haus und Grund, die der AZ vorliegt, erklärt die zuständige Sozialreferentin Dorothee Schiwy (SPD) am 3. März 2017: "Eine Auflistung der zur Auswertung gegebenen 3154 Einzeladressen unter Angabe von Straße und Hausnummer ist nicht mehr möglich, da die Adressdaten aus datenschutzrechtlichen Gründen bereits gelöscht wurden."

Deshalb hat Haus und Grund einen Eilantrag ans Verwaltungsgericht gestellt. Am 27. März tauchten die Daten plötzlich wieder auf, wie die Stadt Haus und Grund daraufhin erklärt. Herausgeben möchte sie die Daten trotzdem nicht. "Das ist kein Versehen, das ist ein Skandal, wenn die Stadt ihre Bürger anlügt", sagt Stürzer. Er sagt, er habe noch mehr Beweise, dass der Mietspiegel bewusst zu niedrig angesetzt sei.

Falscher Mietspiegel hätte schwere Folgen

2015 habe die damalige Sozialreferentin Brigitte Meier (SPD) Haus und Grund geschrieben, dass Daten von Sozial- und Genossenschaftswohnungen eingeflossen sind. Später hat Meier diese Aussage aber als missverständlich dargestellt. Für den Mietspiegel 2017 wurden 41.289 Münchner interviewt. Doch nur 3154 Interviews wurden verwendet.

"92 Prozent der erhobenen Daten wurden vorab eliminiert, weil sie nicht mietspiegelrelevant sind. Dazu gehören selbstgenutzte Wohnungen, Altenheime, aber es können auch Wohnungen mit Mieten sein, die man nicht im Mietspiegel sehen will", sagt Stürzer.

In anderen Städten flössen 60 bis 70 Prozent hinein. Sollte dem Eilantrag stattgegeben werden und der Verein nachweisen können, dass der Mietspiegel falsch ist, hätte das schwere Folgen.

Die Stadt wehrt sich gegen die Vorwürfe

Das Sozialreferat wehrt sich in einer Mitteilung gegen die Vorwürfe. Der Haus- und Grundbesitzerverein vertrete "Vermieterinteressen", betont das Haus von Sozialreferentin Dorothee Schiwy (SPD). "Er veröffentlicht seit Jahren seine Ansicht, der Mietspiegel für München sei manipuliert." Das Referat weise die Vorwürfe "entschieden zurück". Sämtliche Datensätze zum Mietspiegel 2017 seien "selbstverständlich noch vorhanden".

Es handele es sich jedoch ausschließlich um Daten, die zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete benötigt werden ("Ausstattungsmerkmale, Wohnlage etc."). Die dazugehörigen Adressdaten hingegen müssten zum frühestmöglichen Zeitpunkt von den restlichen Daten getrennt und gelöscht werden.

Nach Rechtsauffassung der Stadt handelt es sich dabei nicht um städtische Informationen, über die ohne weiteres Auskunft erteilt werden kann. Das Sozialreferat schreibt: "Tatsächlich trägt der Mietspiegel, anders als von Haus und Grund behauptet, zur Mietsteigerung bei."

Nur eine Streichung des Vier-Jahres-Zeitraumes (Anmerkung d. Red.: keine Bestandsmieten im Mietspiegel) würde zu einem realistischen Abbild führen. Eine solche Gesetzesänderung habe die Stadt mehrmals gefordert.


Das Titelbild des aktuellen Mietspiegels. Grafik: Stadt München

Qualifizierter Mietspiegel: Das sagt der Münchner Mieterverein

Seit der Mietrechtsreform 2001 hat München einen qualifizierten Mietspiegel, der von Interessenvertretern der Vermieter und Mieter anerkannt wird, und über den auch der Stadtrat entschieden hat. Bei Zivilprozessen wird dieser herangezogen. "Als es das noch nicht gab, wurden viele Prozesse durch Gutachter entschieden, was deutlich teuer ist", sagt Volker Rastätter vom Mieterverein München e.V.

Das Mietpreisniveau würde deshalb steigen, weil viele Mieter die Kosten scheuen würden, die durch einen Gerichtsprozess entstehen. "Bisher einigen sich 98 Prozent der Streitenden im außergerichtlichen Schriftverkehr, auch, weil man sich klar auf den Mietspiegel beziehen kann", sagt Rastätter.

Bisher ist beispielsweise klar geregelt, dass eine Neuvermietung nur zehn Prozent über der örtlichen Vergleichsmiete liegen darf – die ergibt sich durch den Mietspiegel. Gäbe es keinen, würden Vergleichswohnungen herangezogen, die wiederum durch einen Gutachter bestätigt werden. Zudem darf auch der städtische Wohnungsbau nicht mehr als die örtliche Vergleichsmiete fordern.

Lesen Sie dazu auch den AZ-Kommentar: Mietspiegel in München - Wichtig für alle

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