Eigenbedarf aus religiösen Gründen: Vermieter kündigt Münchner Familie

Ein Vermieter kündigt, weil er Freunden aus seiner Gemeinde die Wohnung geben will.
Hüseyin Ince
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Münchens Mietmarkt treibt zeitweise seltsame Blüten. Doch Mieter müssen sich nicht jeden Unsinn gefallen lassen.
Münchens Mietmarkt treibt zeitweise seltsame Blüten. Doch Mieter müssen sich nicht jeden Unsinn gefallen lassen. © Peter Kneffel/dpa

München - Bekannte der Münchner Familie Fellner (Name geändert) haben vor etwa einem Monat der AZ während ihres Urlaubs eine Mail geschrieben. Große Entrüstung war darin spürbar. Zurecht, muss man im Nachhinein sagen. Der Inhalt wirkte so absurd, dass es sich lohnte, der Angelegenheit mal nachzugehen.

Kündigung aus religiösen Gründen

"Der fünfköpfigen Familie Fellner wurde wegen Eigenbedarf gekündigt", stand darin. Soweit ein leider nicht allzu ungewöhnliches Szenario in München. Schließlich herrscht weiterhin deutlich mehr Nachfrage als Angebot auf dem Münchner Mietmarkt. Doch der Zusatz, den die betroffene Familie ihren Freunden im Urlaub weitergab, hatte es in sich: "Der Vermieter hat aus religiösen Gründen eine Kündigung ausgesprochen."

Potenzielle Nachmieter: Mitglieder einer freikirchlichen Gemeinde

Das klang doch recht ungewöhnlich, so umkämpft der freie Mietmarkt in der Stadt auch ist. Und die Sache wurde Zeile für Zeile immer interessanter. Die Freunde der Familie Fellner schrieben. "Statt unseren Bekannten soll offenbar eine Familie der gleichen Glaubensrichtung des Vermieters einziehen", erzählten uns die Hinweisgeber. Demnach sei die potenzielle Nachmieter-Familie auch Mitglied einer freikirchlichen, protestantischen Gemeinde, so die Begründung.

Leider ist nicht alles, was nach dem Bauchgefühl sehr verwerflich klingt, auch immer messbares Unrecht. So falsch sich diese "Eigenbedarfs"-Kündigung sofort anfühlt, lohnte es sich natürlich, das Ganze schwarz auf weiß von Experten zu bekommen. In dem Fall vom Mieterverein.

Mieterverein: Religiöse Gründe fallen nicht unter Eigenbedarfskündigung

Schon am Telefon musste sich Anja Franz, Sprecherin des Mietervereins, beherrschen. Deutlich spürte man ihre große Verwunderung. Später schreibt Franz der AZ: Das falle schlicht nicht unter Eigenbedarfskündigung, wenn ein Eigentümer aus religiösen Gründen wolle, dass der aktuelle Mieter auszieht.

"Eine Kündigung mit so einer Begründung ist nicht wirksam"

Nur enge Verwandte seien rechtlich ein Grund für die Eigenbedarfskündigung: "Der Vermieter kann wegen Eigenbedarf kündigen, wenn er die Wohnung für sich oder einen nahen Angehörigen benötigt. Mitglieder der gleichen Glaubensgemeinde gehören auf keinen Fall zu dem Personenkreis, für den wegen Eigenbedarf gekündigt werden kann." Eine Kündigung mit so einer Begründung sei einfach nicht wirksam.

Gute Chancen für die derzeitigen Mieter

Doch was tun, wenn so eine absurde Entmietung schriftlich ins Haus flattert? Anja Franz empfiehlt: "Bei einer unwirksamen Kündigung muss der Mieter nicht ausziehen. Er kann dies dem Vermieter mitteilen, dann kann der Vermieter entscheiden, ob er eine Räumungsklage erhebt und das Gericht entscheiden lässt, ob die Kündigung wirksam ist." Eine solche Klage habe aber - wie im vorliegenden Fall - wenig Aussicht auf Erfolg.

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Und wenn im Nachhinein einfach behauptet wird, dass ein naher Angehöriger einziehen solle und das mit dem Glaubensbruder ein Missverständnis gewesen sei? "Das ändert nichts an der Rechtslage, dass die ursprüngliche Kündigung unwirksam ist", schreibt Franz. Und wenn der Vermieter bald darauf eine neue schriftliche Kündigung mit einem neuen Grund hinterherschiebe, sei das schließlich wenig glaubhaft.

Die Familie Fellner hat also sehr gute Chancen, weiter in ihrer Mietwohnung bleiben zu können.

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15 Kommentare
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  • WaschechteMünchnerin am 28.02.2023 23:13 Uhr / Bewertung:

    Habe vor ca. 25 Jahren auch eine Eigenbedarfskündigung bekommen. Der Vater des Vermieters hatte unrechtmäßigerweise an mich vermietet. Der Sohn, Eigentümer, stand dann vor meiner Tür, nachdem ich ca. DM 50.000,-- in das Gartenhäuschen gesteckt hatte, hatte darauf aufmerksam gemacht, daß "Vater Betrüger sei". Ich sagte, dann möchte ich mein Geld wieder und dass ich den Vater anzeige. Daraufhin war ich dann 5 Jahre drin, der "Alte" heiratete nach 25 Jahren Scheidung die Exfrau (Mutter des Eigentümers) nochmal, um mich raus zu bekommen. Ging durch 2 Instanzen, hat damals schon soviel wie eine Jahresmiete gekostet. Bei der Übernahme wollte mir der Alte an den Hals gehen, mein Anwalt sprang dazwischen und war so wütend, dass er, ohne mich zu fragen, die Frau anzeigte, da sie nicht eingezogen war, wie auch der Alte nicht. Er verlangte dafür nichts, Verfahren wurde natürlich eingestellt. Betrüger und Abzocker werden in jeglicher Form geschützt.

  • Frale am 28.02.2023 13:52 Uhr / Bewertung:

    Kündigung wegen Eigenbedarf wird viel zu viel Missbraucht. Als ehemaliger Mieter hat man aber keinen Nerv dazu.. dagegen zu klagen. Mir erging es 2019 so ... und etwa ein halbes Jahr später die Wohnung auf Immo-Portal gefunden.... zum fast doppelten Preis.

  • Rudi B. am 28.02.2023 13:27 Uhr / Bewertung:

    Es geht noch schlimmer: "Die Umwandlung eines Berliner Pflegeheims in ein Flüchtlingsheim verunsichert auch die Bewohner eines angrenzenden Wohnstifts." (Focus).

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