Eigenartige Karrieren bei der Münchner Polizei: Polizisten trotz Verfahren befördert

Eine Anfrage der Grünen im Landtag fördert merkwürdige Laufbahnen im Polizeipräsidium München zutage.
Ralph Hub
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Hubertus Andrä.
Hubertus Andrä. © picture alliance / Andreas Gebert/dpa

München - Eine Reihe von Beamten des Polizeipräsidiums München ist offenbar befördert worden, obwohl gegen die Polizisten zu diesem Zeitpunkt Ermittlungen liefen. Das ergab eine Anfrage der Fraktionschefin der Grünen, Katharina Schulze, im Landtag.

Laufendes Strafverfahren: 2020 wurden 22 Beamte befördert

Jeweils zwölf Polizisten wurden in den Jahren 2018 und 2019 trotz eines laufenden Strafverfahrens gegen sie befördert. Im vergangenen Jahr waren es sogar 22 Beamte, wie zunächst die "Süddeutsche Zeitung" berichtete.

Die Zahlen gehen aus der Antwort des Justizministeriums auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion hervor. Demnach ging es in den meisten Verfahren um Körperverletzung im Amt (2018 sieben Fälle, 2019 fünf, 2020 vierzehn). Weitere strafrechtliche Vorwürfe waren unter anderem Nötigung, Beleidigung und Freiheitsberaubung sowie Strafvereitelung im Amt, wie aus den Unterlagen hervorgeht, die der AZ vorliegen.

Der prominenteste Fall betrifft den inzwischen abgelösten Chef der Wiesnwache. Er wurde vom Polizeioberrat zum Polizeidirektor befördert, obwohl die Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen Geheimnisverrats ermittelte.

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Er hatte 2018 während der Wiesn den damaligen Wirt des "Winzerer Fähndl" gewarnt, dass Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung eine Durchsuchung planten. Die Aktion richtete sich gegen den Chef einer Reinigungsfirma, der Steuern, Abgaben und Löhne in Millionenhöhe unterschlagen hatte und dafür zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde.

Ex-Wiesnwachenchef: Andrä-Nachfolger Hampel leitet Disziplinarverfahren ein

Bei dem Skandal wird auch die Rolle des inzwischen pensionierten Polizeichefs Hubertus Andrä hinterfragt. Er soll sich dafür eingesetzt haben, dass der Ex-Wiesnwachenchef trotz allem befördert wird. Die Staatsregierung beteuert auf Anfrage der Grünen, es habe keinerlei Versuche gegeben, Einfluss auf das Verfahren zu nehmen.

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Das Justizministerium räumt allerdings ein, Andrä habe sich "zu nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkten, soweit erinnerlich zweimal" telefonisch beim Leiter der Staatsanwaltschaft München I nach dem Stand des Ermittlungsverfahrens erkundigt. Ein formelles Disziplinarverfahren leitete aber erst Andräs Nachfolger, Thomas Hampel ein. Der neue Polizeichef sorgte auch dafür, dass der Ex-Wiesnwachenchef nicht mehr im Präsidium arbeitet.

Diese Fragen stellt Katharina Schulze (Grüne)

Katharina Schulze zur AZ: "Warum hat der damalige Präsident Andrä nicht, wie im bayerischen Disziplinarrecht ausdrücklich vorgesehen, sofort ein Disziplinarverfahren eingeleitet?"

Und: Warum habe die Staatsanwaltschaft München I das Verfahren zunächst eingestellt und dann wieder - auf Betreiben der Generalstaatsanwaltschaft - aufgenommen? Alles Fragen, die die Fraktionschefin der Grünen im Landtag noch geklärt wissen will.

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23 Kommentare
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  • SL am 03.02.2021 09:04 Uhr / Bewertung:

    Mal objektiv. Und das war beim Chef der Wiesnwache auch der Fall? Geht es in diesen Fällen immer um die ach so kleinen Streifenbeamten?

  • C_B am 02.02.2021 17:22 Uhr / Bewertung:

    Mal objektiv: ein Streifenbeamter wird selbst bei noch so defensivem Verhalten irgendwann in die Lage kommen, von seinem polizeilichen Gegenüber einer KV im Amt beschuldigt zu werden. Das geht sehr schnell, es reicht schon ein vorheriger Widerstand des Anzeigeerstatters aus, bei dem dieser z.B. mit einfacher körperlicher Gewalt fixiert wurde. Schon ist der Beamte Beschuldigter im Strafverfahren. Bis alle Zeugen ausfindig gemacht, geladen und vernommen werden, kann es 6 Monate und mehr dauern. Danach wird je nach Ermittlungsergebnis durch die StA entschieden, ob es zur Hauptverhandlung kommt, das Verfahren (mit oder ohne Auflagen) eingestellt oder der beschuldigte Beamte freigesprochen wird. Eine Hauptverhandlung kann dann leicht nochmals Monate dauern und auch dort kann jedes Ergebnis herauskommen. Warum soll also ein Beamter, dessen von der Gegenseite behauptete Schuld bisher nicht zweifelsfrei mittels rechtskräftigem Schuldspruch bewiesen ist, nicht auch vorläufig befördert werden?

  • Ardana am 03.02.2021 06:57 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von C_B

    Wenn man die ganzen Vorfälle aufmerksam verfolgt, so ist doch mehr als auffällig, dass es sich zu 99,9% um die hohe/höhere Polizeietage handelt. Genau wie auf der momentanen Politikebene. Nicht der kleine Polizeibeamte ist in der Kritik, was Sie beachten sollten bei Ihrem Beitrag. Es ist leider so, Treppen nach oben dürfen und können nur von Freunden, guten und sehr guten Bekannten etc. benutzt werden, da braucht es auch keine Sicherheitsschuhe. Und wir werden sehen/lesen, die ganze schmutzige Geschichte schafft es nur noch in die Rubrik "Märchenstunde".

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