E-Scooter in München: Schlechte Bilanz zum Jahrestag

Von sieben Anbietern sind noch zwei aktiv. Corona bremst die Branche aus. Laut ADAC haben E-Scooter keinen ökologischen Nutzen.
von  Ralph Hub
E-Scooter von verschiedenen Anbietern beherrschten letzten Sommer das Stadtbild von vielen Großstädten.
E-Scooter von verschiedenen Anbietern beherrschten letzten Sommer das Stadtbild von vielen Großstädten. © Axel Heimken/dpa

München - Heftig gestritten wurde schon lange vor der Einführung. Die einen bedachten E-Scooter mit jeder Menge Vorschusslorbeeren. Die Tretroller würden die Verkehrsbelastung in den Städten reduzieren. Andere waren skeptisch, vor allem in Bezug auf den ökologischen Nutzen. Ein Jahr nach Einführung der Flitzer ist die Bilanz eher ernüchternd.

Einer der engagiertesten Befürworter war Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). "Cool" seien E-Scooter, verkündete er unermüdlich und flitzte nach der Einführung medienwirksam auf einem E-Scooter über den Asphalt.

Weniger Abgase, weniger Lärm, mehr freie Parkplätze?

E-Scooter könnten ein wichtiger Bestandteil einer neuen, modernen Verkehrspolitik werden. Gar eine Revolution, erwarteten Macher. Optimisten träumten davon, dass Pendler aus dem Umland ihre dicken, spritschluckenden SUV am Stadtrand stehenlassen und die letzten paar Kilometer bis ins Büro auf dem Roller zurücklegen: Weniger Abgase, weniger Lärm und mehr freie Parkplätze in der Stadt, davon träumten E-Scooter-Befürworter.

Die Realität sieht anders aus. Durch die neuen Fahrgeräte, so der ADAC, sei keine nachhaltige Entlastung von Umwelt und Verkehr in deutschen Städten zu beobachten. "Sie ersetzen in der Regel keine Autofahrten, sondern Wege zu Fuß, mit dem Rad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln", so das ernüchternde Fazit des Automobilclubs.

Beim KVR fällt die Bilanz nicht ganz so negativ aus. "Zum verkehrlichen Nutzen haben wir keine belastbaren Erkenntnisse", sagt Sprecher Johannes Mayer. Die Stadt plant eine Evaluation, um der Frage nachzugehen, was die Flitzer auf Münchens Straßen gebracht haben. Doch auch hier funkt Corona dazwischen. Die Vorbereitungen verzögern sich.

Unfallzahlen stiegen durch Scooter deutlich an

Sieben Anbieter gingen vor einem Jahr an den Start. In der Spitze flitzten rund 8.000 Mietroller nach KVR-Angaben über Münchens Straßen. Inzwischen sind es nur mehr zwei Anbieter mit deutlich weniger E-Scootern. Über den Winter wurde das Angebot reduziert. Im Frühjahr kam die Corona-Pandemie, die die Nachfrage weiter drückte.

Durch die E-Scooter stiegen die Unfallzahlen in der Stadt deutlich an. Von Juni bis Dezember 2019 ereigneten sich 103 Unfälle mit E-Scootern. "Davon 67 mit Personenschaden. 68 Personen wurden verletzt, davon acht schwer", sagt Polizeisprecher Werner Kraus. Knapp jeder dritte Fahrer stand unter Alkoholeinfluss. Bei Kontrollen wurden rund 2.000 angetrunkene Scooter-Fahrer erwischt.

Im ersten Halbjahr 2020 sank die Zahl der Unfälle. 24 waren es laut Präsidium bis zum 15. Juni. 23 Personen wurden verletzt. Auch die Zahl der angezeigten Alkoholfahrten im ersten Halbjahr 2020 nahm ab. Sie lag bei rund 160.

E-Scooter sorgen nach wie vor für Frust und Streit. Anwohner beschweren sich, dass abgestellte Roller Gehwege blockieren oder einfach auf Haufen geworfen herumliegen.

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