Direktorin des Stadtmuseums wettert: Das ist die pure Verschwendung

Mit einem Sanierungs-Stopp des maroden Münchner Stadtmuseums will die grün-rote Regierung im Rathaus 140 Millionen Euro einsparen. Eine schräge Rechnung, denn das frisst erst einmal viel Geld und treibt die Kosten noch weiter in die Höhe.
von  Christa Sigg
Beim Antritt im Januar schien noch alles gut, Frauke von der Haar kam nach München, um richtig anzupacken. Seit Freitag fühlt sich die neue Direktorin des Stadtmuseums wie vor den Kopf gestoßen. Durch einen Sanierungsstopp sollen eben mal 140 Millionen Euro eingespart werden.
Beim Antritt im Januar schien noch alles gut, Frauke von der Haar kam nach München, um richtig anzupacken. Seit Freitag fühlt sich die neue Direktorin des Stadtmuseums wie vor den Kopf gestoßen. Durch einen Sanierungsstopp sollen eben mal 140 Millionen Euro eingespart werden. © Marcus Schlaf

München - Frauke von der Haar ist immer noch wie vor den Kopf gestoßen. Erst durch einen Anruf der Abendzeitung am Freitag hat die neue Direktorin des Münchner Stadtmuseums vom geplanten Sanierungsstopp ihres maroden Hauses erfahren. Genauso wenig wusste Kulturreferent Anton Biebl von den coronabedingten Sparplänen der grün-roten Rathausregierung.

Bis 2026 soll die 200 Millionen-Renovierung auf Eis liegen, München angeblich um 140 Millionen Euro entlastet werden – sofern der Stadtrat am Mittwoch diesen Milchmädchen-Wahnsinn tatsächlich abnickt.

AZ: Frau von der Haar, erst die freudige Wiederöffnung nach Corona und nun die Hauruckentscheidung, die Sanierung zu stoppen. Hat man je das Gespräch mit Ihnen gesucht?
FRAUKE VON DER HAAR: Nicht im Geringsten. Ich meine, da wird jetzt eine Entscheidung forciert. Wir haben auch erst am Montag offiziell erfahren, dass der Stadtrat in dieser letzten Vollversammlung vor der Sommerpause über die mittelfristigen Bau- bzw. Investitionsprojekte entscheidet.

Steht jetzt nicht der Umzug ins Ausweichquartier an der Türkenstraße an?
Der Mietvertrag für drei Gebäude auf dem ehemaligen Arri-Gelände läuft seit 1. Juli. Durch Corona hat sich der Umzug ein bisschen verschoben, denn vor Ort muss noch einiges in Stand gesetzt und vorbereitet werden, damit unsere Exponate ab September gut untergebracht sind. Jetzt am Montag wollten wir die Kolleginnen und Kollegen informieren, wer wann wohin zieht.

Wie lange läuft der Mietvertrag auf dem Arri-Gelände und zu welchem Preis?
Wir haben eine jährliche Miete von 2,9 Millionen Euro und für zehn Jahre unterschrieben.

Wenn's dumm geht, würden 29 Millionen Euro in den Sand gesetzt.
Sofern die Stadt nicht aus dem Vertrag kommt, wird das so sein.

Was Sie seit Jahren planen, wäre wohl auch für die Tonne?
Auf jeden Fall wären die Umzugspläne für die Tonne. Denn was in sechs Jahren der Fall sein wird, kann ja niemand wissen. Meines Erachtens wird man - immer vorausgesetzt, dass die Sanierung heute tatsächlich gestoppt wird - 2026 inhaltlich und technisch völlig neu planen müssen.

Zukunft ungewiss: der geplante Neubau des Stadtmuseums.
Zukunft ungewiss: der geplante Neubau des Stadtmuseums. © Auer + Weber

Stadtmuseum wartet seit 1999 auf Sanierung

Bei den bewilligten 203,5 Millionen Euro wird es nach sechs Jahren Unterbrechung kaum bleiben.
Nichts wird dadurch besser, dass man es aufschiebt. Es gibt die üblichen Baukostensteigerungen, die Technik entwickelt sich weiter. Es kann neue Brandschutz- oder Energieverordnungen geben. Man wird möglicherweise auch neue Fachleute finden müssen, weil die bisherigen vielleicht nicht mehr zur Verfügung stehen. Vor allem aber wird man ein inhaltliches Konzept in sechs Jahren so nicht mehr halten können. Die Museumswelt ändert sich immer schneller, und wir planen ja auch schon lange.

Seit 1999 will man das Stadtmuseum sanieren.
Und seit Auer Weber Architekten den Wettbewerb vor fünf Jahren für sich entscheiden konnten, wird ganz konkret geplant. Man würde uns in einem laufenden Prozess stoppen. Das betrifft neben den Architekten und dem Atelier Brückner ja vor allem die Mitarbeiter hier im Haus, das Kommunal-, das Bau- und das Kulturreferat.

Ein unfassbarer Aufwand.
Man darf das gar nicht in Gehälter umrechnen, das ist absurd. Den Mitarbeitern vom Stadtmuseum wurde übrigens immer vorgeworfen, sie würden zu sehr um sich selber kreisen und die Ausstellungen vernachlässigen. Aber was blieb denn anderes übrig, als diese unfassbar komplexe Sanierung zu planen? Das Haus steht unter Denkmalschutz, eigentlich ist die Stadt verpflichtet, diese Gebäude zu erhalten. Dass die Sanierungskosten so hoch sind, hängt damit zusammen, dass 70 Prozent dieser 200 Millionen Euro in den reinen Substanzerhalt gehen. Da ist noch keine einzige neue Lampe dabei.

Hat man in München schlicht vergessen, dass das Stadtmuseum eine der bedeutendsten Sammlungen in Deutschland beherbergt?
Die Fachwelt kennt und schätzt diese Sammlungen, deshalb haben wir unzählige Leihanfragen. Unsere Objekte sind dann im Haus der Bayerischen Geschichte zu sehen, im Hygienemuseum und so fort. Also auch in Museen, die mit ganz anderen Etats operieren. Wir dagegen müssen 30.000 Quadratmeter bewirtschaften und in Räumen heizen, die energetisch und klimatechnisch überhaupt nicht den heutigen Standards entsprechen. Eigentlich sind unsere Aufgaben Ausstellen, Vermitteln und Veranstalten, aber dieses riesige marode Haus frisst uns die Haare vom Kopf.

Das Münchner Stadtmuseum plant eine Ausstellung zur Corona-Krise in München.
Das Münchner Stadtmuseum plant eine Ausstellung zur Corona-Krise in München. © AZ-Archiv

Das Image des Stadtmuseums hat gelitten

Auch das Image hat in den letzten Jahren gelitten.
Da kann ich nicht widersprechen. Und das hat auch Auswirkungen auf Mäzene und Stifter, die ihre Objekte in einer guten, attraktiven, sicheren Umgebung wissen wollen. Aber wenn diese große Stadt München sich dieses Museum nicht leisten kann, muss man über andere Lösungen nachdenken.

Wie könnten diese Lösungen aussehen?
Etwa Teile des Gebäudes abzutrennen und anderweitig zu nutzen. Corona trifft Staat und Städte hart. Und ich weiß auch, dass sich Kommunen mit ihren Stadtmuseen oft schwertun. Aber es ist wichtig, sich ehrlich in die Augen zu schauen und zu fragen: Können oder wollen wir ein 200-Millionen-Projekt umsetzen? Dieses Museum mit seinen wundervollen Sammlungen gehört den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt. Wir haben also verantwortungsbewusst damit umzugehen und gemeinsam eine konstruktive Lösung zu entwickeln. Das wäre bei einem Baustopp bis 2026 nicht der Fall. Und nach allem, was hier schon geleistet wurde, die pure Verschwendung!

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