Dieter Reiter Interview zu Immobilien-Wahnsinn in München

München - Dieter Reiter will Genossenschaften fördern. Im Interview spricht er über die aktuellen Probleme – und seinen Lösungsansatz für Freiham.
AZ: Herr Reiter, in Freiham ist es nicht gelungen, Flächen an Genossenschaften zu geben. Bedauerlicher Einzelfall oder Symptom für ein großes Problem?
DIETER REITER: Das ist leider ein Symptom für ein großes Problem, nämlich für die Auswirkungen der ungebremsten Entwicklungen der Grundstückspreise in München. Zu den Preisen, die derzeit am überhitzten Markt für Grundstücke aufgerufen werden, kann keine Genossenschaft bauen.
Warum sind die Genossenschaften so wichtig?
Wir brauchen gerade die Genossenschaften in unserer Stadt, weil sie langfristig sicheren und bezahlbaren Wohnraum schaffen. Zusätzlich engagieren sie sich in besonderer Weise in den Neubauquartieren.
Wo liegt das Problem bei der Unterstützung der Genossenschaften?
Die Schwierigkeit liegt darin, dass wir als Kommune Grundstücke nicht einfach unter Wert verkaufen dürfen - wir müssen den Verkehrswert verlangen. In der aktuellen Marktlage sind aber viele private Investoren schon mit einer sehr geringen Verzinsung zufrieden, weil sie entweder ihr Geld in sicheren Immobilien anlegen wollen oder auf künftige Wertzuwächse setzen. Dadurch steigen die Grundstückspreise immer weiter an.
Ihre Einschätzung: Warum hat sich keine Genossenschaft für Freiham gemeldet?
Es lag an den hohen Verkehrswerten für den Konzeptionellen Mietwohnungsbau, das haben mir die Genossenschaften bestätigt.
Was ist nun zu tun?
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, haben wir im Sommer 2013 den sogenannten Konzeptionellen Mietwohnungsbau eingeführt. Durch langfristige Bindungen für den Mietwohnungsbau, unter anderem mit Auflagen hinsichtlich der Miethöhen, konnte zunächst eine Dämpfung des Verkehrswertes auf 900 bis 1100 Euro pro Quadratmeter Geschossfläche erreicht werden.
Auf dieser Basis war genossenschaftlicher Wohnungsbau möglich. Trotz dieser Bindungen sind wir inzwischen durch die reine Marktentwicklung bei der Ausschreibung für Freiham bei etwa 1400 Euro pro Quadratmeter gelandet - deutlich zu viel für Genossenschaften.
Was kann die Stadt tun?
Es ist unbestritten, dass wir Genossenschaften in München brauchen. Deshalb kann ich nicht akzeptieren, dass es uns als Stadt nicht gelingen sollte, Grundstücke an Genossenschaften zu einem Preis zu verkaufen, zu dem genossenschaftlicher Wohnungsbau auch möglich ist.
Ich habe deshalb die Verwaltung beauftragt, zu prüfen, ob an den bisherigen Bindungen, die für die Grundstücksbewertung im Konzeptionellen Mietwohnungsbau maßgeblich sind, nachjustiert werden kann. Außerdem müssen wir in Abstimmung mit unserer Aufsichtsbehörde, der Regierung von Oberbayern, ausloten, ob es nicht doch Wege gibt, zu einem anderen Preis als zum Verkehrswert zu verkaufen.
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