Diesem Mann vermachte er alle seine Noten – und sein Orchester
München – Mit dunklem Anzug, konzentrierter Miene und Notizzetteln betritt Heinrich Haas die Bühne im Festsaal des Hofbräuhauses. Er soll die Gedenkfeier zu Ehren des am 17. März verstorbenen Hugo Strasser moderieren – und startet mit einer Entschuldigung: „Es tut mir leid, wenn ich an meinen Blättern klebe. Aber ich bin Musiker, kein Redner.“
Die Sympathie des Publikums hat der 34-jährige Pianist von Strassers „Hot Five“ damit gewonnen. Für ihn ist der Abend eine erste Bewährungsprobe: Denn Haas ist nicht nur Erbe des gesamten Noten-Archivs des berühmten Münchner Jazzmusikers, sondern er soll auch dessen Tanzorchester und seine legendäre Band „Hot Five“ weiterführen.
Strasser organisiert Klavierstunden beim „Hot Five“-Pianisten
2000 Noten-Arrangements, gelagert in unscheinbaren Büroschränken, die Rechte für Aufführungen ohne zeitliche und örtliche Begrenzung und zur Weiterführung des Tanzorchesters unter dem Namen „Orchester Hugo Strasser“ – all das gehört nun dem Mann, den Strasser bereits als Jugendlichen entdeckt hat.
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Heinrich Haas kommt aus einer Münchner Schaustellerfamilie; er begeistert sich durch seinen Vater früh für Musik: „Ich bin mit Frank Sinatra, Dean Martin und Sammy Davis Junior groß geworden.“Mit vier Jahren beginnt Haas, Schlagzeug zu spielen. Ein paar Jahre später schenkt seine Mutter ihm und dem Vater eine gemeinsame Tonaufnahme. Der Ort: Das Studio von Hugo Strassers Sohn, im Keller des Hauses in Neukeferloh.
Dort begegnet er Strasser zum ersten Mal. Er ist locker, sympathisch – „wie er halt war“, erinnert sich Haas. Der Klarinettist bietet ihm Klavierstunden bei Ladia Base an, dem Pianisten seiner Formation „Hot Five“. Fünf Jahre lang nimmt der junge Haas Unterricht, danach lernt er noch zwei Jahre am ehemaligen Richard-Strauss-Konservatorium im Gasteig.
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Mit gerade einmal 16 Jahren tritt er bei den „Hot Five“ als Solist auf: „Nach der Pause, im zweiten Set, spielte ich immer zwei, drei Titel. Strasser kündigte mich an mit: ,Meine Damen und Herren, unser Solist ist 60 Jahre jünger als ich. Aber was uns verbindet, ist die Musik.’“
Es war ein Opa-Enkel-Verhältnis“
Mit der Zeit werden aus Kollegen Freunde. „Wir waren sehr eng befreundet. Später war Freundschaft auch nicht mehr das richtige Wort. Wir waren sehr familiär miteinander. Es war eigentlich ein Verhältnis wie Opa und Enkel“, sagt Haas. Mit 25 wird er Pianist der Hot Five und spielt fest im Tanzorchester.
Seinen Entdecker Hugo begleitet er bis zum Schluss. Als Strasser vom Krebs geschwächt ist, fährt er fast täglich ins Truderinger Haus. Dort hält der Musiker im vergangenen Dezember seinen letzten Wunsch fest: „Er nahm sich einen Stift und hat alles zu Papier gebracht. Dass ich die Notensammlung erhalte, die Namens- und Aufführungsrechte. Und er hat seinen letzten Wunsch geäußert: Dass ich es in seinem Sinne weitermache.“
Dem will Haas nachkommen. Er möchte aufrechterhalten, was Tanzorchester und Band auszeichnet: die hohe Qualität der Musik, den Swing, die Lebensfreude. Für das 30-jährige Bühnenjubiläum der „Hot Five“ und die kommende Ballsaison im nächsten Jahr will er aus dem riesigen Noten-Nachlass das Beste aussuchen. „Es kann ohne Hugo nicht dasselbe sein“, sagt Haas. „Aber wir wollen den Gästen seine Musik weiter zu Gehör bringen und sie so weiterleben lassen.“
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