Diese hitzigen Debatten bestimmten die Münchner Medientage

Wie sollen Zeitungen mit Google, Facebook & Co. umgehen? Und wie mit den vielen Hasskommentaren und Pöbeleien im Netz? Darum ging es auf zwei großen Podien zum Abschluss der Münchner Medientage. Ein Gast aus New York warb dabei für eine radikale Idee.
dpa |
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München - Der amerikanische Journalismus-Professor Jeff Jarvis hat die Zeitungsverleger in Deutschland dazu aufgerufen, ihre Abonnentenlisten an Google zu geben. Im Gegenzug könnten die Verleger von dem Internetkonzern genaue Daten über die Interessen ihrer Leser erhalten. "Wir können unsere Kunden dann besser bedienen", sagte Jarvis am Donnerstag, dem Abschlusstag der Medientage München.

Der juristische Kampf um Leistungsschutzrechte im Internet werde den Zeitungen nicht helfen. Sie sollten stattdessen mit Google, Facebook & Co. zusammenarbeiten, empfahl der New Yorker Autor, Blogger und Hochschullehrer beim "Publishing-Gipfel". Es komme darauf an, die Interessen und Bedürfnisse der Menschen verschiedener Gruppen und Lebenslagen zu verstehen: "Treffen Sie sich mit jungen Eltern, mit Rentnern, mit Fußballfans, mit Diabetikern, Katzen- und Hundeliebhabern - und halten Sie den Mund, hören Sie ihnen zu." Zeitungen sollten ihren Kunden neue Dienstleistungen mit Nutzwert anbieten und in eine neue Beziehung zu ihnen treten.

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Der Digital-Chefredakteur der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", Mathias Müller von Blumencron, hielt dagegen: "Eine gute alte Lokalzeitung war immer mehr als Journalismus. Sie war ein großes Service-Paket und hatte eine gute Beziehung zu den Lesern." Ohne Lokalzeitung habe man nicht gewusst, was im Kino und Theater läuft, welche Gebrauchtwagen und offenen Stellen in einer Stadt angeboten werden und welche Singles auf Partnersuche sind. Doch die Zeitung habe alle diese Dienstleistungen an andere Anbieter verloren und ihre Kunden zu lange stiefmütterlich behandelt.

Beim abschließenden "Content-Gipfel" ging es um die Frage, wie Medien mit den vielen Hasskommentaren und Pöbeleien im Netz umgehen sollten. Der Journalisten Georg Mascolo forderte eine schärfere Strafverfolgung: "Ich habe oft das Gefühl, dass Polizeien und auch Staatsanwaltschaften überhaupt gar keine Lust haben, einfachste Anstrengungen zu unternehmen, um in dem Bereich Strafverfolgung zu versuchen." Dies ermutige die Täter.

Ende der anonymen Kommentare?

Mascolo leitet den Rechercheverbund von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung". Er warb dafür, Kommentatoren um ihren Namen zu bitten und nicht anonym zu Wort kommen zu lassen. Schließlich würden ja auch Leserbriefe nur abgedruckt, wenn eine Zeitung wisse, von wem sie stammten.

Der Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen wies darauf hin, dass vor allem Frauen im Netz oft angepöbelt würden: "Was hier geschieht, ist ein systematisches Zum-Schweigen-Bringen von Teilen der Gesellschaft." Diese Form von Sexismus sei "als eine ernste Bedrohung der Pressefreiheit zu werten".

Bild.de in der Kritik

Der Chefredakteur von Bild.de, Julian Reichelt, wies den Vorwurf zurück, mit Hasskommentaren von Lesern die Reichweite steigern zu wollen: "Das ist eine völlig haltlose These." Denn Hasskommentare auf Facebook ließen sich nicht vermarkten und schadeten der Marke.

Der Moderator Friedemann Karig, hatte zuvor kritisiert, dass die "Bild"-Zeitung auf ihrer Facebookseite einen Kommentar stehenließ, wonach man Horror-Clowns den Schädel einschlagen könne. Dies nähre den Verdacht, dass solche Reaktionen auf Artikel bewusst eingeplant würden, um viele Klicks zu provozieren.

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"Wir beschäftigen 18 Leute, die den ganzen Tag solche Kommentare löschen", sagte Reichelt. Die Unterscheidung zwischen legitimer freier Meinungsäußerung und Verleumdung sei oft schwierig. Der häufigste Vorwurf, der ihm gemacht werde, sei: "Warum löscht ihr Kommentare?"

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