Die Schuhmacherin vom Gärtnerplatz

Ihre Eltern hat der Berufswunsch von Anja Hoffmann erst verwundert. Jetzt nicht mehr. Die AZ hat sie in ihrer Werkstatt für Bio-Lederschuhe besucht
von  Stephanie Schönberger
Bild mit BeeGee: Anja Hoffmann vor ihrer Werkstatt in der Klenzestraße.
Bild mit BeeGee: Anja Hoffmann vor ihrer Werkstatt in der Klenzestraße. © Daniel von Loeper

Isarvorstadt - Manchmal, sagt sie, würden Leute bei ihr anrufen und fragen, ob sie Mitglied werden könnten. Das sind dann Leute, die das „e“ mit dem „l“ verwechseln. Kann schon passieren, Heels und Hells, beides kann schließlich die Hölle sein.

Allerdings nicht, wenn man sich seine Absätze und dazu auch gleich den ganzen Schuh bei Anja Hoffmann anfertigen lässt. Sie ist die Chefin von „Heels Angels“, einer Schuhwerkstatt für Maßanfertigung in der Klenzestraße 45 – sowie Hundefreundin und Pudelbesitzerin.

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Wenn man in ihr Hinterhofatelier kommt, kann es passieren, dass man zuerst dem weißen Pudel begegnet. BeeGee heißt er, steht hinter einer Absperrung und bellt. Vermutlich will er gefährlich klingen. Nur: Schon den echten Bee Gees gelang das nie. Taucht seine Besitzerin dann auf und sagt: „Ist schon gut“, beruhigt er sich wieder.

Er passt eben auf auf die Frau, die mit Maßarbeit dafür sorgt, dass niemanden der Schuh drücken muss. Vorausgesetzt natürlich, der Schuh wurde bei ihr gekauft. Seit 1998 gibt es das Atelier im Hinterhof der Klenzestraße. Es besteht aus einem kleinen Verkaufsraum, in dem neben ihren Schuhen auch der Schmuck der Silberschmiedin Julia Reiner ausgestellt ist, mit der sich Hoffmann die Räumlichkeiten teilt. Dahinter schließt sich die Werkstatt an. Man sieht: Reihenweise Leisten, Maschinen, die zum Teil schon fast museumsreif wirken, weil einige noch aus der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts stammen.

Tassen, Fotos und Accessoires – natürlich mit Pudelmotiven

Mit ihnen be- und verarbeitet die Schuhmacherin pflanzlich gegerbtes Bio-Leder von bayerischen Biohöfen zu individuellen Schuhen. Der Holzboden, der in der Werkstatt verlegt wurde, gehörte früher übrigens zum Pferdestall des Nymphenburger Schlosses. Pumps, Stiefel, Stiefeletten, Clogs. Anja Hoffmann fertigt an, was ihre Kunden wünschen. Sie sagt, sie habe zwei Arten von Kunden: Die einen kommen zu ihr, weil sie wegen eines Fußproblems nicht in die handelsüblichen Schuhe passen.

Die anderen, und das wären die meisten, besuchen ihr Atelier, weil sie ein sehr genaues Schuh-Bild vor Augen hätten. „Meine Aufgabe ist es, diesen Wunsch umzusetzen.“ Was bei extremen Absatzhöhen von mehr als zehn Zentimetern für sie gar nicht so einfach sei. „Darauf bin ich nicht spezialisiert“, sagt sie.

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Der logistische Aufwand wäre zu hoch und der Schuh dann letztlich zu teuer. Bis zu 20 Arbeitsstunden kann die Wunscherfüllung vom ersten Beratungsgespräch bis zur Schuhübergabe dauern. Und zwischen 600 und 900 Euro kosten. Im Durchschnitt. Qualitätsarbeit hat ihren Preis. Und seit Jahren eine Stammkundschaft. Anja Hoffmann kann gut von ihr leben. Tassen, Fotos und Accessoires – natürlich mit Pudelmotiven Von Schuhen war sie schon in ihrer Kindheit, begeistert.

„Es hat mich immer interessiert, wie sie gemacht sind“, erzählt sie. Später zog sie deshalb über Flohmärkte, suchte, kaufte, sammelte. Aber nicht nur Schuhe – von denen sie, wie sie sagt, nicht nur von Berufswegen viel zu viele hat – , sondern auch Roboter. Und nach den Robotern: Pudelfiguren. Ihr Schuhtick sei mittlerweile aber schon besser geworden, erklärt die Frau mit den hellen blauen Augen. Vielleicht hilft es ja, wenn man seinen Tick zum Beruf macht.

„München ist für Hundebesitzer sehr angenehm“

Dass sie einmal Schuhmachermeisterin werden würde, war ihr, die vor 45 Jahren in den USA geboren und in Erding aufgewachsen ist, aber nicht wirklich in die Wiege gelegt. Die Mutter war Psychologin, der Vater Neurologe. Die Eltern hätten sich über den Berufswunsch darum zuerst auch ein bisschen gewundert, aber sie immer ihren Weg gehen lassen. Inzwischen fänden sie es ganz gut, was die Tochter da macht. Ist es ja auch.

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Und gründlich gelernt dazu. Nach dem Fach-abi in München begann sie eine dreijährige Lehre bei einem Münchner Schuhmacher. Es folgten: eine Weiterbildung bei einer Schäftemacherin; zwei Jahre Schuhfachschule in Pirmasens mit Abschluss zum Technischen Entwurfsmodelleur; ein Stipendium für die Schuh- und Taschendesignschule ARS in Mailand; ein Aufenthalt in der Schumacherei der Münchner Oper.

Nach sieben Ausbildungsjahren schloss sie schließlich 1997 an der Münchner Meisterschule mit dem Titel Schumachermeisterin ihre Lehrzeit ab. Im Jahr darauf eröffnete Anja Hoffman zusammen mit ihrer Kollegin Christine Schulze „Heels Angels“. Wie sie auf den Namen kamen? „Wir haben nach einem Labelnamen gesucht und sind auf das Wortspiel gekommen“, erzählt sie. „Wir dachten uns, das kann man sich super merken.“

Die Firma gehört ihr inzwischen alleine, der Pudel tat es schon immer. Hunde sind ihre zweite, vielleicht auch ihre erste Leidenschaft, ganz sicher aber sind sie ihr Markenzeichen. In ihrer Werkstatt gibt es Tassen, Fotos und Accessoires mit Pudelmotiven. Außerdem Postkarten, auf denen ihre Schuhe neben Hunden zu sehen sind. Große Hunde, kleine Hunde. BeeGee.

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Warum diese Paarungen? „Weil Hunde und Schuhe auf der gleichen Ebene sind“, sagt sie. „München ist für Hundebesitzer sehr angenehm“ Wenn andere überlegen, welches Outfit zum neuen Schuh passt, macht sich die Schuhmeisterin Gedanken, welcher Hund dazu gut aussieht. Und für Fotos sei es sowieso die „perfekte Perspektive“.

Trotz der Hundeliebe, ein eigenes Tier hatte sie lange nicht. Hunde waren in den Wohnungen, in denen sie früher wohnte, nicht erlaubt. Erst seit sie mit ihrem Lebensgefährten in Sendling lebt, ist das anders. Anja Hoffmann sagt: „Und so ist BeeGee vor sieben Jahren zu mir gekommen.“

Der Pudel hat ihr München-Bild nochmal verändert. Früher hat sie sich manchmal überlegt, in eine andere Stadt zu ziehen. Vielleicht nach Wien, zu ihrem Bruder. Seit sie BeeGee hat, ist das kein Thema mehr. Denn München sei für Hundebesitzer einfach „sehr angenehm“.

Was sie an München weniger gut findet? Sie sagt, da seien natürlich die hohen Mietpreise, die es gerade für Künstler oder Menschen mit weniger Geld schwer machen, etwas Bezahlbares zu finden. Aber sonst? München biete einfach auch eine ganze Menge guter Dinge. Dass man kein Auto braucht, weil man alles mit dem Rad machen könne. Die vielen Grünflächen. Die Isar, an der sie täglich entlang radelt und drei mal die Woche entlang joggt. Zu der sie in der Mittagspause geht und an der sie so gut entspannen kann. All das gefällt ihr.

München, sagt Anja Hoffmann, hat „eine hohe Lebensqualität“. Das schätzt sie sehr. Dann geht die Tür zum Atelier auf, und eine Frau kommt herein. BeeGee bellt auf, aber nur kurz. Vielleicht kennt er die Dame schon. Vielleicht war sie schon öfter da, ist bereits „Mitglied“ bei den „Heels Angels“. Oder will es werden. Vielleicht drückt sie auch einfach nur der Schuh.

Bei Anja Hoffmann wird ihr Fuß in guten Händen sein.

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