Die Neuen im Münchner Stadtrat: Ihre Pläne, ihre Ziele

Unter den 80 Stadträten, die kommenden Montag ihre Arbeit beginnen, sind 45 Neulinge. Wie bereiten sie sich vor unter Corona-Bedingungen? Die AZ nach nachgefragt. 
Emily Engels
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Lena Odell (SPD): "Normalerweise würde man sich mit den neuen Stadtratskollegen auf einen Kaffee treffen oder nach einer gemeinsamen Sitzung noch ein bisserl ratschen."
Sigi Müller 4 Lena Odell (SPD): "Normalerweise würde man sich mit den neuen Stadtratskollegen auf einen Kaffee treffen oder nach einer gemeinsamen Sitzung noch ein bisserl ratschen."
Christian Köning muss für seinen neuen Beruf als SPD-Stadtrat sein Leben ziemlich umkrempeln.
Sigi Müller 4 Christian Köning muss für seinen neuen Beruf als SPD-Stadtrat sein Leben ziemlich umkrempeln.
Jens Luther (CSU): "Vielleicht nehmen wir aus der Krise auch mit, dass man Sitzungen auch ab und an digital machen kann."
CSU 4 Jens Luther (CSU): "Vielleicht nehmen wir aus der Krise auch mit, dass man Sitzungen auch ab und an digital machen kann."
Julia Post (Grüne) macht ein Fernstudium in Politikwissenschaften und schreibt dafür gerade ihre Masterarbeit.
Grüne 4 Julia Post (Grüne) macht ein Fernstudium in Politikwissenschaften und schreibt dafür gerade ihre Masterarbeit.

München - Man wird sich an viele neue Namen und Gesichter gewöhnen müssen, wenn am Montag der neue Stadtrat in Amt und Würden kommt. Von 80 Stadträten (aus elf Parteien) sind 45 Neulinge (allein 15 bei den Grünen, zehn bei der SPD, neun bei der CSU).

Sie müssen das Rathaus und die Abläufe darin erst kennenlernen. Sich viele neue Kollegen-Namen merken. Lernen, wie man seitenweise Verwaltungsdeutsch in Stadtratsvorlagen so querliest, dass man am Ende dazu abstimmen kann. Gar nicht so leicht unter Corona-Bedingungen – ohne Chance auf ausführliche Erklärstunden in netter Runde.

Vereidigt wird der Stadtrat nicht im Großen Rathaus-Sitzungssaal, sondern im Deutschen Theater, wo sich mit Sicherheitsabstand sitzenlässt. Die Sitzung wird am Montag, 4. Mai, ab 9 Uhr als Livestream übertragen, unter muenchen.de/stadtrat-live.

Lena Odell: "Super absurde Situation"

Lena Odell (SPD): "Normalerweise würde man sich mit den neuen Stadtratskollegen auf einen Kaffee treffen oder nach einer gemeinsamen Sitzung noch ein bisserl ratschen."
Lena Odell (SPD): "Normalerweise würde man sich mit den neuen Stadtratskollegen auf einen Kaffee treffen oder nach einer gemeinsamen Sitzung noch ein bisserl ratschen." © Sigi Müller

Die Juso-Chefin und Dolmetscherin Lena Odell (35) ist gerade mit ihren zwei Kindern (1 und 5 Jahre alt) im Homeoffice. "Mit der Fraktion bin ich in engem Videokontakt, wir Neuen schnuppern dadurch schon in die Stadtratsarbeit rein", erzählt sie der AZ.

Das inhaltliche Vorbereiten und organisatorische Fragen seien nicht das Problem. "Die fachlichen Fragen lassen sich auch digital beantworten, das bekommt man hin", sagt Odell. Trotzdem spricht sie von einer "super absurden Situation". Denn das zwischenmenschliche Beschnuppern probiere man zwar über Videochat zu simulieren. Aber, so Odell: "Normalerweise würde man sich mit den neuen Stadtratskollegen auf einen Kaffee treffen oder nach einer gemeinsamen Sitzung noch ein bisserl ratschen."

Ein Trost für die junge zukünftige Stadträtin: Durch ihre Arbeit bei den Jusos kennt sie viele ihrer zukünftigen Kollegen schon. Zudem passe die neue Situation zu dem, was den Stadtrat künftig thematisch schwerpunktmäßig beschäftigen werde. Lena Odell glaubt nämlich: "Corona wird uns politisch die nächsten Wochen, Monate und vielleicht sogar Jahre begleiten." Unter anderem die Wiesn-Absage sei für sie ein Zeichen dafür, wie lange Corona noch Thema sein wird. "Jetzt reden wir schon von der Zeit nach den Sommerferien", sagt die SPDlerin. Sie glaubt auch: "Es wird Lockerungen geben müssen."

Schon allein für die Stadtratsarbeit sei das essenziell. "In der Politik gehört viel Zwischenmenschliches dazu", sagt sie. Der positive Nebeneffekt sei für alle neuen, aber auch alten Stadträte: "Wir sind alle in dieser seltsamen Situation. Und wir lernen jetzt alle, Profis der Videokonferenz zu werden."

Felix Sproll: Videocalls? "Total normal!"

Ein paar Mal hat Felix Sproll (27), frisch gewählter (und einziger) Stadtrat für die Partei Volt, das Rathaus am Marienplatz schon von innen sehen dürfen. Das erste Mal in der Woche nach der Kommunalwahl vom 15. März, da hat ihn die FDP zu Gesprächen in ihr Fraktionszimmer gebeten.

"Der FDP-Stadtrat Jörg Hoffmann hat mich draußen am Fischbrunnen abgeholt, damit ich das Zimmer überhaupt finde", erzählt Sproll der AZ. Wenig später dann bat ihn die SPD zu sich. Den Genossen schließt sich der Volt-Mann nun auch für eine Fraktionsgemeinschaft an, weil er als Einzelkämpfer nicht viel würde bewegen können. Die SPD-Fraktionschefs, also "die Verena" (Dietl) und "den Christian" (Müller) kenne er nun also schon persönlich.

Wie war das also, zum ersten Mal Rathausluft zu atmen? "Da hat es sich zum ersten Mal echt angefühlt", sagt der Neustarter, "das ist schon beeindruckend, zu wissen, dass man da jetzt arbeiten darf."

"Lustig" sei es allerdings gewesen, die Rathauspolitiker zu größeren Videokonferenzen aus dem Homeoffice zu bewegen. "Für uns bei Volt als Europapartei ist das total normal, sonst bekommst du ja die Kollegen aus London, Lissabon, Prag und München nicht mal schnell zusammen." Bei den Stadträten habe sich das erst technisch einspielen müssen, und mit ein bisschen "Überzeugungsarbeit". Wo sich Sproll, der im Hauptberuf selbständiger Finanzberater ist, nun als ehrenamtlicher Stadtrat genau einbringen will, das hat er bei seinen neuen Fraktionskollegen auch schon formuliert: Ein Sitz im Wirtschaftsausschuss soll es werden. Nun, man wird sehen.

Christian Köning: "Alles, was da neu kommt: Spannend!"

Christian Köning muss für seinen neuen Beruf als SPD-Stadtrat sein Leben ziemlich umkrempeln.
Christian Köning muss für seinen neuen Beruf als SPD-Stadtrat sein Leben ziemlich umkrempeln. © Sigi Müller

Der Gratulationsbrief aus dem Rathaus-Direktorium ist mit der Post daheim angekommen, seine Daten wie Adresse, Bankkonto und IT-Ausstattungswünsche (ein Microsoft Surface Tablet) sind abgefragt. Und dass er die wöchentlichen Stadtratsvorlagen bitte nicht nach Hause geschickt haben will, sondern lieber in der Fraktion abholt, hat Münchens Juso-Chef und Neu-SPD-Stadtrat Christian Köning (31) der Rathausverwaltung auch schon mitgeteilt.

"Läuft eigentlich ganz gut an, trotz der erschwerten Corona-Bedingungen", sagt er der AZ. "Einen bis zu zwei Meter hohen Papierhaufen für eine Vollversammlung will ich echt keinem Boten zumuten." Ein paar Mal hat der Newcomer seit der Kommunalwahl am 15. März schon an den montäglichen SPD-Fraktionssitzungen teilgenommen – per Zoom-Videokonferenz. "Da waren mit alten, neuen Stadträten und Fraktionsmitarbeitern an die 30 Leute dabei", erzählt er.

"Wenn man was sagen will, klickt man im Chat auf 'Hand heben' und wird dann aufgerufen. Das hat bis jetzt technisch ganz gut geklappt." Für seinen neuen Beruf als SPD-Stadtrat muss Köning sein Leben ziemlich umkrempeln. Weil der Sozialwissenschaftler im Hauptberuf städtischer Beamter ist (nämlich Teilregionsleiter der Abteilung Unterhaltsvorschuss im Sozialbürgerhaus Sendling-Westpark) – aber nicht doppelt auch noch als Stadtrat bei der Stadt angestellt sein darf, muss er aus seinem Hauptberuf komplett beurlaubt werden. Im August wird er auch noch Vater, zum ersten Mal. "Ich freue mich so auf alles, was da neu kommt. Spannend!"

Clara Nitsche: "Ich konnte schon viele Fragen stellen"

Letzten Sommer, im Vorwahlkampf zur Kommunalwahl, hat Clara Nitsche (23) klar formuliert, wohin sie als Grüne-Jugend-Frau politisch will, wenn sie mal im Stadtrat sitzt. Zur autofreien Innenstadt, klar. Aber mehr noch: "25 Lebensadern" will sie haben, also je eine neue Fußgängerzone mit Blumenwiesen, Bänken, Gartelplätzen in jedem der 25 Stadtbezirke. Und viele kleine Tante Emma-Läden, Radl-Rikschas, E-Autos.

Nun darf sie also mitmischen in der Grünen-Fraktion – und obwohl das Einarbeiten bislang über Videokonferenzen oder die Chatplattform Slack ohne sehr menschelnden Kontakt funktionieren musste, fühlt sie sich gut gerüstet. "Montags war schon ein paar Mal Fraktionssitzung, da und dazwischen konnte ich viele Fragen stellen", erzählt sie der AZ. "Wie es im Ratsinformationssystem und in der Fraktion aussieht, weiß ich aus der Zeit vor der Wahl."

Bis es losgeht am 4. Mai, will die Noch-Studentin (Soziale Arbeit) viel wegarbeiten. Neben dem Umzug in der Maxvorstadt will sie ihre Bachelorarbeit fertig schreiben (in der es ums Wohnen für Ältere geht). Weil sie danach gleich in vier Ausschüssen mitmischen möchte: Soziales, Kinder, Wirtschaft und Kultur.

Jens Luther: "Der Mensch ist ein soziales Wesen"

Jens Luther (CSU): "Vielleicht nehmen wir aus der Krise auch mit, dass man Sitzungen auch ab und an digital machen kann."
Jens Luther (CSU): "Vielleicht nehmen wir aus der Krise auch mit, dass man Sitzungen auch ab und an digital machen kann." © CSU

Der Rettungssanitäter und zukünftige CSU-Stadtrat Jens Luther (34) erzählt der AZ: "Unsere Fraktionssitzungen finden jetzt über Telefon und Video statt. Die ganze Fraktion ist in großer Runde dabei, inklusive uns Neuen."

Letzte Woche gab es eine Ausnahme: Als Manuel Pretzl als Fraktionschef wiedergewählt wurde. "Eine geheime Wahl per Video ist natürlich extrem schwierig durchzuführen", sagt Luther. Deshalb habe man sich in Räumen getroffen, in denen der Abstand eingehalten werden konnte. "Thematisch beschränken sich unsere Sitzungen derzeit mehr oder weniger auf die Krise", sagt Luther. Dass die Sitzungen digital stattfinden müssen, findet der junge Münchner "schon schade".

Er sagt: "Der Mensch ist ja ein soziales Wesen." Luther, der sich unter anderem für den IT-Ausschuss interessiert, sagt aber auch: "Vielleicht nehmen wir aus der Krise auch mit, dass man Sitzungen auch ab und an digital machen kann." Er findet: "IT rückt aktuell in den Fokus der Entwicklung in der Stadt. Das lernen wir aus dieser Krise."

Julia Post: "Erschwerte Bedingungen"

Julia Post (Grüne) macht ein Fernstudium in Politikwissenschaften und schreibt dafür gerade ihre Masterarbeit.
Julia Post (Grüne) macht ein Fernstudium in Politikwissenschaften und schreibt dafür gerade ihre Masterarbeit. © Grüne

Unternehmerin, Master-Studentin – und ab 4. Mai Grünen-Stadträtin. Julia Post (30) kennt sich mit Multitasking gut aus. Die Pappbecher-Bekämpferin und Gründerin von "Coffee to go again" hat sich "die Versöhnung von Ökologie und Ökonomie" zum Ziel gesetzt. Sie möchte beispielsweise erreichen, dass Münchens Kommunalfinanzen vollständig in ethischen Geldanlagen angelegt werden.

Bevor sie mit ihren Zielen im Rathaus durchstarten kann, nimmt sie schon jetzt digital einmal wöchentlich an Sitzungen teil, bei denen sich die komplette zukünftige Stadtratsfraktion trifft. "Natürlich sind das erschwerte Bedingungen", sagt Julia Post. Ein physisches Kennenlernen sei natürlich deutlich schöner. Immerhin würden sich die praktischen, organisatorischen Fragen problemlos über Videochat klären lassen.

Julia Post macht ein Fernstudium in Politikwissenschaften und schreibt dafür gerade ihre Masterarbeit. Gleichzeitig hat sie mit "Coffee to go again" den Pappbechern den Kampf angesagt und ist noch dazu Neumitgliederbeauftragte des Stadtvorstands der Grünen. Wie will sie es schaffen, das alles mit dem bekanntlich sehr zeitintensiven Stadtrats-Ehrenamt unter einen Hut zu bekommen? Für die zukünftige Stadträtin alles eine Frage der Organisation. "Als Unternehmerin und Fernstudentin habe ich gelernt, mir meine Zeit gut einzuteilen", sagt Post der AZ. Um ihre Interessen und Ideen möglichst gut einsetzen zu können, spekuliert sie auf den Ausschuss für Arbeit und Wirtschaft, den Finanz- und Umweltausschuss.

Lesen Sie hier: Grün-roter Koalitionsvertrag - Was auf München zukommt

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