Die Kripperlbauerin: Die Saison ist wieder eröffnet
München - Das kleine Jesulein, das so klein gar nicht ist, liegt auf einer dicken Windel. Wie auch Maria und Josef, die Hirten, Ochs und Esel. Noch warten alle darauf, dass Annette Krauß sie aus ihren Schuhschachteln holt - erst wenige Tage vor Heiligabend wird es so weit sein.
Dann wird die Kunsthistorikerin die rund 100 Jahre alten wertvollen Gipsfiguren des bekannten Bildhauers und Krippenkünstlers Sebastian Osterrieder (1864-1932) in dem großen Gucklochkasten in der Schwabinger Kirche Sankt Ursula in Szene setzen.
Das Krippenbauen ist zur Lebensaufgabe geworden
Sie wird das Christkind in eine geschnitzte Wiege legen, Esel und Rind auf echtem Stroh drapieren und unter dem künstlichen Sternenhimmel alles ins rechte Licht setzen: Dafür wird sie kleine Spots von Ikea - unsichtbar für den Betrachter - auf einzelne Gesichter richten.
Seit 15 Jahren ist die Münchnerin ehrenamtliche Krippenbauerin. Es ist für die 63-Jährige zu einer Lebensaufgabe geworden, die jahrhundertealte Tradition fortzuführen. In München hatten die Jesuiten die erste Krippe aufgestellt: 1597 in St. Michael.
Krauß: "Wir sind Bildermenschen"
Annette Krauß, die evangelisch ist, war schon als Kind fasziniert von den Geschichten der Bibel. Jetzt setzt sie sie in szenische Bilder um - "gefrorenes Theater" nennt sie es auch. "Die Lieder und Texte, die wir Christen haben, sind ein großer Schatz, auf den wir zurückgreifen können", sagt sie. "Und weil wir Bildermenschen sind, verstehen wir vor der Krippe zuweilen mehr, als uns Wort und Schrift lehren können."
Begonnen hatte alles, als sie der Mesner von St. Ursula in ein Zimmer in der Pfarrei führte: Dort lagen auf zwei Bierbänken kreuz und quer Krippenfiguren. Viele waren beschädigt, Arme und Beine fehlten, Köpfe wackelten, Gips bröselte. "Es war ein Lazarett", beschreibt Krauß das Bild, das sich ihr damals bot. 41 der Figuren stammten von Osterrieder, die andere Hälfte von unbekannten Schnitzern.
Vor genau 99 Jahren, zu Weihnachten 1922 hatte Osterrieder seine Krippenfiguren in St. Ursula selbst aufgebaut. Später wurden sie vergessen. Als der Mesner der Kunsthistorikerin die Figuren zeigte, "hat es Klick gemacht in meinem Herzen", erzählt sie.

Alle Figuren wurden fachmännisch restauriert
Sie informierte sich im Bayerischen Nationalmuseum, initiierte, dass die Figuren fachmännisch restauriert werden konnten, lernte Kulissen zu bauen und hinter Glas zu malen und sie begann Accessoires zu sammeln, um die Szenen detailreich ausstatten zu können. "Oft sind es diese Finimente oder Requisiten, die zum Seelenfänger werden."
Insgesamt 43 originale Osterrieder-Figuren gibt es in St. Ursula, mit denen Annette Krauß neun unterschiedliche Szenen baut. Jetzt in der Adventszeit wechseln sie alle zehn Tage. Und auch übers Jahr verteilt schafft sie - dann mit anderen, beweglichen Figuren - Szenen aus dem Alten und Neuen Testament. Für den katholischen Dekan David Theil ist Annette Krauß eine Fee, die sich verzaubern ließ von der Osterrieder Krippe und die nun andere - Kinder und Erwachsene - mit ihren Szenen verzaubere.
Vielerorts sind Krippen ausgestellt
Bis zum 6. Dezember ist im Krippenkasten in St. Ursula in Schwabing noch der "Der Traum des Josef" zu sehen. Danach wird Annette Krauß umbauen und die Herbergssuche inszenieren. Und es gibt noch viele andere Kirchen, in denen jetzt im Advent - und zum Teil auch ganzjährig - Krippen ausgestellt sind. Krauß: "Die Kirchen sind geöffnet. Und es braucht keinen Termin und keinen PCR-Test.
Annette Krauß und der katholische Pfarrer Thomas Schwaiger haben über die Krippe in St. Ursula ein ökumenisches Bilder- und Lesebuch geschrieben: "Seelenspiegel Krippe". Gerade ist die 2. Auflage im Anton H. Konrad Verlag erschienen, 19,80 Euro.
In diesen Münchner Kirchen gibt es Weihnachtskrippen
Die Kirchen der Innenstadt bauen ihre Krippen zum 1. Advent oder ab Heiligabend auf, teils mit wechselnden Szenen bis ins neue Jahr hinein. Eine Auswahl der Weihnachtskrippen:
- Frauenkirche, in der Kapelle Mariä Verkündigung an der Südwand
- St. Michael, Neuhauser Str. 6 in einer Nische links
- Asam-Kirche, Sendlinger Straße 32. Seitenaltar links.
- Alter Peter, Rindermarkt, am Eingang, Altarraum links
- Heilig-Geist-Kirche, Viktualienmarkt, links im Altarraum
- Bürgersaalkirche, Jahreskrippe und Christkindl, Neuhauser Straße 14
- St. Paul, St.-Pauls-Platz 11. Klangkrippe von Stefan Hunstein und Axel Nitz
- St. Sebastian, Hiltenspergerstraße 115. Alpenländische Krippe hinten links
- St. Sylvester, Biedersteiner Straße 1. Wechselnde Darstellungen, westl. Eingang
Nicht nur im Advent gibt es Krippen
Während des Kirchenjahres sind die "Jahreskrippen" mit Szenen aus dem Alten und Neuen Testament sowie Heiligen-Legenden ausgestellt - nirgends gibt es so viele wie in München. Gepflegt werden sie allesamt von Ehrenamtlichen. Eine Auswahl:
- Allerheiligen, Ungererstr. 187
- St. Anna, St. Anna-Platz 5
- St. Anton, Kapuzinerstr.
- Heilig Blut, Scheinerstr. 12
- Bürgersaalkirche, Neuhauser Str. 14
- St. Canisius, Farnweg 5
- St. Clemens, Renatastr. 7
- St. Gabriel, Versailler Str. 20
- Herz Jesu, Romanstr. 6
- St. Johann Baptist, Johannisplatz
- St. Joseph, Josephsplatz 1
- Theatinerkirche, Salvatorplatz 2 a
Weitere Adressen unter: muenchner-krippenfreunde.de
Die künstlerisch wertvollste und umfangreichste Krippensammlung ist im Bayerischen Nationalmuseum ausgestellt.