Detektiv jagt Fremdgänger: "Die hat bestimmt ein Gspusi!"
München - Dieser Mann darf nicht erkannt werden. Antonio Kunz (Name von der Red. geändert) ist der Schatten all jener, von denen jemand glaubt, dass sie etwas im Schilde führen. Dann wird Kunz oft beauftragt und protokolliert den Alltag von Leuten, die Krankheiten vortäuschen, ihre Partner betrügen oder Betriebsgeheimnisse gefährden - könnten. Denn manchmal ist alles doch ganz anders. Kunz ist Mitarbeiter der Frankfurter Lentz-Gruppe und hat oft einen Job in München. Die AZ traf ihn im Weißenseepark.
AZ: Herr Kunz, ist unser Treffpunkt Zufall?
ANTONIO KUNZ: Mein Kollege und ich, wir beobachten gerade eine Zielperson, die hier in der Gegend lebt.
Wie spannend.
Sagen wir: Routine. Detektivarbeit hat kaum etwas damit zu tun, wie es im Fernsehen gezeigt wird. Wir klettern nicht auf Bäume, nicht auf Gerüste. Wir nutzen auch keine Abhörgeräte. Das ist höchst strafbar.
Detektiv von Arbeitgeber gebucht: Person mit zweifelhafter Krankschreibung
Was hat die Münchner Zielperson getan?
Standardprogramm. Sie steht im Verdacht, Krankheit vorzutäuschen, um so mehr Urlaub herauszuschlagen. Jetzt möchte der Arbeitgeber wissen, ob das auch wirklich so ist.
Wie lange werden Sie die Person beobachten?
Eine Woche. Reicht meistens.
Und? Betrügt die Person?
Wir beobachten den dritten Tag in Folge. Es sieht so aus, als ob etwas dran ist, ja. Mehr kann und will ich nicht sagen.
Krankheit zu simulieren - ist das ein häufiges Phänomen?
Ja, wir haben oft den Job, so etwas zu prüfen.
Was haben Sie da schon alles beobachtet?
Der eine geht mit Krücken zum Arzt - und kommt ohne zurück. Legt sie in den Kofferraum und läuft den Rest des Tages ganz normal - hat dann aber einen AU-Schein in der Tasche. Der andere humpelt hustend in die Praxis und geht danach joggen. Wie von Zauberhand geheilt. Kam alles schon vor, in allen möglichen Variationen.
Aber was ist da mit den Ärzten los? Die haben doch ein gutes Einschätzungsvermögen.
Naja, wenn jemand sagt, er hat sich den Fuß verstaucht und kommt mit Krücken, da wird kein Arzt sagen: Na, Sie simulieren doch! Ärzte vertrauen ja ihrem Patienten erst mal.
Was machen die Leute, die Krankheit simulieren, mit ihrer Extra-Freizeit?
Manchmal haben sie einen Zweitjob. Da sind sie dann aktiv, kassieren doppelt. Einige haben ein Gewerbe und nutzen die Zeit, um für die eigene Firma zu arbeiten. Und andere nutzen die Zeit einfach, um frei zu haben.
Wie groß ist die Chance, dass sich der Verdacht von Arbeitgebern bestätigt, dass sich der Angestellte zu Unrecht krankschreiben lässt?
Ich würde sagen, 50:50. Auch beim Fremdgehen ist das etwa die Quote. Aber manche übertreiben es mit ihren Vermutungen. Die sind fest überzeugt, dass da was ist. Dabei geht der Ehemann nach Dienstschluss mit der Kollegin essen - ein reines Arbeitsessen. Oder Leute, die eine Firma haben und noch bis 24 Uhr am Schreibtisch sitzen, hart arbeiten. Und der Partner denkt, sie oder er hat bestimmt ein Gspusi.
Ihr Chef Marcus Lentz hat gesagt, dass Sie den Job schon zehn Jahre lang machen.
Ich bin jede Woche woanders. Und das liebe ich an dem Job. Das ist genau mein Ding.
Was war der eindrücklichste Fall, in dem sich der Verdacht nicht bestätigt hat?
(Überlegt kurz) Eine Frau, die von uns wissen wollte, ob das alles auch stimmt, was ihre Internetbekanntschaft da erzählt. Die beiden hatten sich auf einer Dating-Plattform kennengelernt. Er lebte in den USA, sie in Deutschland. Er bat sie um Geld, weil seine Frau gestorben sei, das Haus verkauft werden musste und er sich nun alleine mit seinen Kindern durchschlägt. Sie hatte ihm schon 120.000 Euro überwiesen und wurde langsam skeptisch, hellhörig. Weil auch der Kontakt abgebrochen war.
Klingt, als ob sie da auf einen üblen Betrüger reingefallen wäre. Ich glaube, das nennt sich Romeo-Trick, oder?
Kann sein, da bin ich überfragt. Wir sind dann mit Kollegen in die USA geflogen, eine Woche Ostküste. Siehe da: Die Geschichte stimmte. Seine Frau war kürzlich an Krebs verstorben, er musste das Haus verkaufen, war verschuldet. Und er hatte zwei Kinder.
Wissen Sie, wie es mit den beiden weiterging?
Nein, meistens haben wir keinen direkten Kontakt zu unseren Kunden. Da kommuniziert die Geschäftsführung.
"Ein Senior bestellte sich jeden Abend eine andere Escort-Dame"
An welche Fälle erinnern Sie sich noch?
Ein älterer Mann, bei dem sich der Verdacht bestätigt hat, dass er fremdgeht. Seine Frau hatte uns beauftragt.
Warum erinnern Sie sich denn daran besonders gut?
Nun ja. Es war nicht nur eine Frau. Er bestellte sich jeden Abend eine andere Escort-Dame, ging mit ihr aus, essen, trinken, dann ins Hotelzimmer. Immer der gleiche Ablauf. Das war etwas überraschend. Senioren machen das selten.
Wie sieht Ihr Alltag bei so einem Auftrag aus?
Wir protokollieren, verfassen und belegen minuziös Tagesberichte über die Zielperson.
Machen Sie Videoaufnahmen?
Selten, extrem selten. Eher Fotos. Viel häufiger.
Kosten für Detektiv in München: Pro Stunde 65 bis 80 Euro
Was kostet das, wenn ich Sie beauftrage?
Pro Stunde 65 bis 80 Euro, je nach Aufwand. Pro geleistete Detektivstunde, pro Person.
Und wenn ich Sie jetzt zu zweit eine Woche lang beauftrage?
Da sprechen Sie was an. Es ist meistens so, dass Sie zwei Leute brauchen, um jemanden vernünftig zu beobachten. Und eine Observationswoche wird Sie kosten. . . - ich glaube, zwischen 11.000 und 13000 Euro. Da sind die Kilometer und die Fahrzeuge schon dabei.
Das muss sich ja schon lohnen.
Vielen ist es das wert, weil sie dann einfach Gewissheit haben: Werde ich betrogen, oder werde ich nicht betrogen? Und wir helfen dabei, diese Frage endgültig zu klären.
Was sind die Klassiker?
Im Sommer: Krankschreibungen, um den Urlaub zu verlängern. Auch Fremdgehen natürlich. Im Sommer wird halt öfter angebandelt als im Winter.
Welche Fälle noch?
Verrat von Betriebsgeheimnissen, Baustellendiebstahl, Stalking und Kindeswohlgefährdung zum Beispiel.
Wenn sich bestätigt, dass jemand gestalkt wird, gehen Sie dann auch zur Polizei?
Nein, wir liefern nur die Infos, den Beleg. Der Kunde entscheidet, was er daraus macht. Aber, ehrlich gesagt, gibt es ja bei eindeutigem Stalking nur eine Wahl: der Anruf bei der Polizei.
Ihr Chef sagte mal, dass der Arbeitstag eines Detektivs bis zu 15 Stunden dauert. Was war Ihr kürzester Arbeitstag?
Ich glaube, etwa zehn Stunden.
Wann springen Sie dann meistens aus dem Bett? Gegen acht?
Schön wär's! Um fünf, wie die Hühner! Spätestens halb sechs. Wenn die Zielperson sehr aktiv ist, müssen wir ja dranbleiben.
"Der wichtigste Punkt bei der Arbeit ist: Privathandy weg!"
Sie beobachten Leute, die oft stundenlang an ein und demselben Ort sind. Wie hält man die Konzentration hoch?
Das ist Übungssache. Der wichtigste Punkt ist: Privathandy weg. Zur Seite legen, nicht mehr anfassen. Das ist der größte Ablenkungsgegenstand im Alltag. Und für uns ist es ja der Super-GAU, wenn wir die Zielperson aus den Augen verlieren. Da geht es teilweise um den Bruchteil einer Sekunde. Klar ist: Man kann nicht neun Stunden durchgehend auf eine Türe starren.
Sie dürfen der Zielperson nicht zu nahe kommen, aber müssen auch beobachten. Wie hält man die optimale Distanz?
Gesunder Menschenverstand und Feingefühl. Nicht zu nah und nicht zu weit weg. Um das abzufangen, sind wir ja auch meistens zu zweit.
Wenn jetzt im Weißenseepark jemand spazieren geht, den Sie beobachten müssen, wie gehen Sie da vor?
Wir gehen auch spazieren. Von zwei Seiten aus. Dabei halten wir Funkkontakt, oft per Headset. Wir können uns also in Echtzeit unterhalten.
Es ist Ihnen sehr wichtig, die Menschen, die Sie beobachten müssen, auf keinen Fall zu belästigen, oder?
Natürlich, das ist das oberste Gebot, nie auffallen. Das würde den Auftrag zerschießen.
Wie sind Sie eigentlich Privatdetektiv geworden?
Ich habe angefangen als Kfz-Mechaniker, aber habe die Lust daran verloren. Dann arbeitete ich eine Zeit lang als Hausmeister. Pools gebaut, Häuser umgebaut. Alles rund ums Haus. Dann wollte ich eigentlich zum Flughafen Frankfurt. Aber dabei bin ich auf den Job als Detektiv aufmerksam geworden.
Durch die Trovatos zum Detektiv-Job
Wie denn?
Durch eine Fernsehserie, die Trovatos. Dann stieß ich im Internet auf die Lentz-Gruppe. Dort machte ich meine Ausbildung, über die Zentrale Ausbildungsstelle für Detektive, ZAD, in Berlin.
Wie funktioniert das?
Ein Willkommensseminar, dann 22 Monate Fernstudium. Währenddessen ist man schon die ganze Zeit im Einsatz. Am Ende gibt es das Abschlussseminar. Wer die Prüfungen besteht, ist ZAD-geprüfter Privatermittler.
Ihr Chef hat auch mal gesagt, er empfiehlt den Job nur Singles.
Oder man hat eine Partnerin, die das alles mitmacht.
"Es gibt Zeiten, da wohne ich in meinem Auto"
Sie sind liiert?
Ich bin verheiratet. Aber wir planen derzeit auch gezielt keine Kinder. Ich möchte schon zusehen können, wie die aufwachsen. Und das geht bei meinem Beruf einfach nicht. Oft lebe ich aus dem Koffer, wohne manchmal sogar im Auto.
Gehalt: Ein Detektiv verdient beim Einstieg 3.000 Euro
Das muss sich alles lohnen. Was verdient man als Detektiv eigentlich?
Einstieg: 3.000 Euro brutto, nach der Ausbildung: 3.800 brutto, nach acht Jahren im Beruf: 5.000 Euro brutto. Das steigert sich dann nach zehn Jahren noch mal. Aber mir ist eh viel wichtiger, dass mir der Job Spaß macht.