Der Knigge: Warum Trinkgeld in der Krise noch wichtiger ist
München - Trinkgeld gehört zum Alltag. Dabei ist es grundsätzlich eine freiwillige Belohnung für gute Leistungen oder zufriedenstellenden Service am Kunden. "Einen Rechtsanspruch auf Trinkgeld gibt es nicht", sagt Simone Bueb von der Verbraucherzentrale Bayern.
Je zufriedener Sie also mit der erhaltenen Leistung sind, desto eher können Sie das Unternehmen beziehungsweise den Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin auch mit einem kleinen Obolus belohnen. Klar sollte allerdings sein, dass bestimmte Berufsgruppen gar kein Trinkgeld annehmen dürfen.
Postbote oder Schaffnerin: Berufe, in denen Trinkgeld verboten ist
Zu diesen Personen gehören unter anderem Beamtinnen und Beamte, der Postbote oder die Schaffnerin. Im Allgemeinen gilt, dass Mitarbeiter öffentlicher Unternehmen kein Bargeld über den eigentlichen Rechnungsbetrag hinaus entgegennehmen sollen, sagt Bueb. Kleine Sachgeschenke sind im Rahmen bestimmter Wertgrenzen aber okay.
Für das Restaurant um die Ecke, den Friseur oder Lieferdienste gelten keine Einschränkungen. Hier liegt das "Ob" und die Höhe des Trinkgelds im Ermessen der Kundschaft.
Zweite Chance statt weniger Trinkgeld
Bei klassischen Dienstleistern – man könnte auch von "trinkgeld-typischen Unternehmen" sprechen – hätten sich fünf bis zehn Prozent des Rechnungsbetrags als Trinkgeld eingebürgert, sagt Linda Kaiser, stellvertretende Vorsitzende der Deutschen-Knigge-Gesellschaft.
Kaiser sagt aber auch, dass das Trinkgeld stark vom persönlichen Verhältnis zum Dienstleister abhängt. Neben Friseuren und der Gastrobranche gelten die Richtwerte auch bei Masseuren und Kosmetikerinnen.
Wer zwar mit der Leistung an sich zufrieden ist, aber am Service etwas auszusetzen hatte, sollte nach Einschätzung der Deutschen-Knigge-Gesellschaft nicht direkt auf das Trinkgeld verzichten. Besser sei, so Kaiser, dem Personal eine zweite Chance zu geben. Denn nicht immer tragen die Mitarbeiter die Schuld an schlechtem Service.
Im Hotel haben sich pauschale Sätze etabliert
Im Hotel, etwa bei Inanspruchnahme des Concierges, haben sich für das Trinkgeld eher pauschale Sätze etabliert. Linda Kaiser zufolge sind etwa beim Room Service ein bis zwei Euro pro Lieferung üblich. Sind Sie als Gast hingegen besonders zufrieden, oder überzeugt das Hotel durch überdurchschnittlich guten Service, kann es auch mehr sein.
Ein ähnliches Vorgehen ist auch bei Lieferdiensten nicht verkehrt. "Trinkgeld hat immer etwas mit Respekt vor guter Arbeit zu tun", sagt Simone Bueb. Musste der Fahrer etwa 20 Minuten im strömenden Regen mit dem Rad zu Ihrer Wohnung fahren oder sich bis in den fünften Stock schleppen, können Sie mit gutem Gewissen ein höheres Trinkgeld geben. Das gilt einmal mehr, wenn der Dienstleister freundlich und zuvorkommend ist.
Trinkgeld bei handwerklichen Leistungen eher unüblich
Bei handwerklichen Leistungen ist Trinkgeld eher unüblich. Kaiser sagt, dass an die Stelle von reinem Bargeld kleine Aufmerksamkeiten wie Brotzeit, Mittagessen oder Kaffee treten können. Die Knigge-Gesellschaft empfiehlt, sich vor Arbeitsbeginn kurz nach den persönlichen Wünschen zu erkundigen.
So stellen Verbraucherinnen und Verbraucher sicher, dem Dienstleister tatsächlich einen Mehrwert zu bieten. Klar ist aber auch, dass es hier – wie so oft beim Trinkgeld – keine pauschale Verhaltensregel gibt.
Kleine Aufmerksamkeit für Postboten und Mitarbeiter der Müllabfuhr
Auch Brief- und Paketzusteller sowie Mitarbeiter der Müllabfuhr freuen sich über eine Aufmerksamkeit. Üblich ist hier laut Linda Kaiser eine Gabe zum Jahresende, etwa um Weihnachten. Brotzeit, Kuchen, Snacks, Kaffee oder klassischerweise Plätzchen böten sich hier auch an.
Wichtig: Verbraucher sollten sich bei öffentlichen Unternehmen – dazu gehören meist die Müllabfuhren, aber auch die Deutsche Post – immer über die individuellen Wertgrenzen erkundigen. Private Dienstleister wie DPD und Hermes kennen in der Regel keine Beschränkungen für die Annahme von Geschenken, so Verbraucherschützerin Simone Bueb.
Und Chefs?
Die Gepflogenheit, dass der Chef kein Trinkgeld bekommt, hat sich überholt. Früher war es nur für Bedienstete bestimmt, die weniger verdienten als der Chef. Mittlerweile arbeiten viele Selbstständige etwa im Restaurant oder beim Friseur in kleinen Teams, und man wird vom Chef persönlich bedient.
Dann ist es kein Fettnäpfchen mehr, auch seine Arbeit mit Trinkgeld zu würdigen. Die Seite Stil.de empfiehlt zum Beispiel folgende Formulierung: "Zwar gibt man Chefs eigentlich kein Trinkgeld, doch das finde ich ungerecht."
Wem steht das Trinkgeld zu?
Grundsätzlich gilt: Das Trinkgeld steht dem Arbeitnehmer zu, der es erhalten hat, sagt Michael Fuhlrott, Mitglied im Verband deutscher Arbeitsrechtsanwälte. Wünscht sich der Gast nicht ausdrücklich eine andere Aufteilung des Trinkgelds, darf die jeweilige Servicekraft das Geld behalten.
Gastro-Inhaber haben kein Anrecht auf Trinkgeld
Inhaber oder Inhaberin eines Gastronomiebetriebs etwa können dann nicht verlangen, dass Beschäftigte das Trinkgeld an sie abgeben. Solche Regelungen sind laut Fuhlrott regelmäßig unwirksam. Selbst wer eine entsprechende Klausel unterschrieben hat, müsse einer solchen Anweisung nicht Folge leisten.
Was dem Arbeitsrechtler zufolge aber denkbar ist: Arbeitsvertragliche Regelungen, wonach das Trinkgeld unter den Beschäftigten verteilt wird. Dafür bedarf es aber das Einverständnis der Mitarbeitenden.
Teure Zeiten: Trotzdem Drinkgeld geben?
Das Geld sitzt derzeit bei vielen knapper als noch vor der Krise. Was ist, wenn man sich das Trinkgeld sparen will oder muss? Linda Kaiser von der Deutschen Knigge-Gesellschaft sagt auf AZ-Anfrage, dass alle, auch die Servicekräfte, von den allgemeinen Teuerungen betroffen sind.
"Wer also die Dienste von anderen in Anspruch nimmt, sollte bereits bei der Beauftragung daran denken, dass ein Trinkgeld als Geste der Anerkennung zum Preis dazugehört. Hier zu sparen ist ebenso unhöflich wie unsolidarisch." Sie empfiehlt eher bei der Wahl der Leistung zu überlegen und "beispielsweise im Café anstelle des teuren Kaffeemixgetränks einen schlichten Kaffee" zu bestellen. "Dann reicht das Budget auch für ein Trinkgeld."
Höfliche Gesten kosten nichts
Weiter ist Kaiser beim richtigen Umgang wichtig: "Für alle Fälle sind höfliche Gesten wie Freundlichkeit, Aufmerksamkeit und der Austausch von ,Bitte', ,Danke' und dem Tagesgruß jederzeit kostenfrei für beide Seiten und tragen maßgeblich zu einem guten Miteinander bei."
- Themen:
- Gaststätten und Restaurants
- München