Das läuft bei uns schief: Ein Berufsfeuerwehrler packt aus

Bei der Berufsfeuerwehr München brodelt es. Veraltete Schutzkleidung und Funkgeräte sind dabei nur ein Teil des Problems.
von  Sophie Anfang
Die Schutzkleidung ist nicht mehr zeitgemäß, kritisiert die Gewerkschaft.
Die Schutzkleidung ist nicht mehr zeitgemäß, kritisiert die Gewerkschaft. © dpa

München - Es gab Zeiten, da war Peter Rabe überzeugt von seiner Berufswahl. „Es ist ein sehr dankbarer Job, wenn man jemandem seine Katze aus einem brennenden Gebäude rettet.“ Rabe arbeitet bei der Berufsfeuerwehr München und sagt, inzwischen würde er da nicht mehr hingehen. Dabei ist er gerade einmal Mitte 30. Seine Karriere liegt noch vor ihm.

Rabe heißt in Wirklichkeit anders. Als Beamter dürfte er eigentlich gar nichts erzählen. Aber der Frust ist zu groß geworden – beim Großteil der Mannschaft. Vor einer Woche hat die Feuerwehrgewerkschaft (DeFeuG) einen Brief an Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) geschrieben, in dem sie Missstände anprangert. Zu wenig Personal, zu viele Überstunden sind dabei wichtige Stichpunkte.

Reiter hat bereits geantwortet. Der Tenor: Die Probleme sind längst erkannt, man gehe sie an.

Jetzt kommt heraus: Das, was im Brief der DefeuG steht, ist nur kleiner Teil dessen, was bei der Feuerwehr nicht rund läuft. Eine Übersicht.

 

Alte Kleidung

 

Man kennt die schwarzen Hosen und Jacken mit dem Logo der Berufsfeuerwehr. Was viele nicht wissen: Diese Kleidung tragen die Feuerwehrler im Prinzip den ganzen Tag. „Mit der Hose fahren wir unsere medizinischen Einsätze, entfernen Ölspuren und tragen sie auch, wenn’s brennt“, berichtet Rabe. Das widerspreche den heutigen Hygienestandards, kritisiert er.

Außerdem funktioniere das Wäschekonzept nicht. „In der Regel hat man vier bis fünf Hosen. Aber wenn viele Brände sind, viele medizinische Einsätze, dann sollte man die halt regelmäßiger wechseln.“ In der Praxis haut das meistens aber nicht hin. Dazu kommt: Die Schurwollhosen sind zwar feuerhemmend, haben aber nur eine Lage. Vom Griff her erinnert der Stoff an eine Jeans. Im Winter frieren er und seine Kollegen regelmäßig, erzählt Rabe. In gefährliche Großfeuer würden seine Kollegen ebenfalls lieber nicht mit dieser Ausrüstung gehen. Dass bei dem Großbrand in Obergiesing im November ein 43 Jahre alter Feuerwehrmann verletzt wurde, liege nach Rabes Meinung an der Schutzkleidung, die die Feuerwehr seit 1998 benutzt.

Bei der Freiwilligen Feuerwehr Neubiberg hatte man bis 2005 die Münchner Kleidung. Dann hat man umgestellt, trotz Kosten von mehr als 1000 Euro pro Ausrüstung. „Weil die vorherige Kleidung nicht den Schutz bietet, den wir unseren Feuerwehrleuten bieten wollen“, sagt Matthias Schäfer, 1. Kommandant. Für Einsätze im Feuer habe man jetzt Spezialjacken und eine vierlagige Hose. Für andere Einsätze ein dünneres Modell.

Von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), die Leitfäden zum Thema Schutzkleidung herausgibt, heißt es, dass die Münchner Kleidung zwar in Deutschland keine Ausnahme darstellt: „Es ist aber nicht mehr der Standard. Wir empfehlen mehrlagige Schutzkleidung.“

Nach Meinung der Chefetage der Feuerwehr bietet die derzeitige Kleidung jedoch genügend Sicherheit. „Die Schutzwirkung ist weit über dem Standard“, sagt Wolfgang Schäuble, Leiter der Branddirektion. Außerdem sei man bereits dabei, die Schutzkleidung zu überarbeiten. Im Juli soll der Stadtrat über die Finanzierung abstimmen. Bis die Jacken und Hosen kommen, dauert es aber mindestens bis Ende 2017.

 

Überstunden als Norm

 

Feuerwehrler sind Mangelware. Das spürt man auf den Feuerwachen. „Wir machen alle Überstunden, sonst würde das System nicht funktionieren“, berichtet Rabe.

Laut DeFeuG haben die Feuerwehrleute derzeit zwischen 300 und 700 Plusstunden auf der Uhr. Der diesjährige Dienstplan für die 194 Beamten in der Leitstelle funktioniert nur, weil pro Mitarbeiter im Schnitt 280 Überstunden eingeplant sind.

Und das, obwohl die Berufsfeuerwehr München ohnehin länger arbeitet, als es nach EU-Recht erlaubt ist: 48 Wochenstunden. Wegen einer freiwilligen Regelung arbeiten die Münchner Berufsfeuerwehrler jedoch 52 Stunden – ohne dadurch mehr zu verdienen. Rechtlich sei das möglich, sagt Daniel Dahlke vom Berufsverband Feuerwehr. „Es ist aber nicht zielführend.“ Dadurch werde lediglich der Personalmangel kaschiert.

Erschwerend kommt die Münchner Enge hinzu. Keine andere Stadt in Deutschland ist so dicht besiedelt wie die Landeshauptstadt. Eine Feuerwache betreut hier durchschnittlich 143 000 Einwohner, in Stuttgart sind es lediglich 118 000 (Stand 2013). Dabei steigen die Einsatzzahlen. Rückte die Feuerwehr 2002 noch 58 546 Mal aus, war es 2014 bereits 76 186 Mal. Die Zahl der Einsatzbeamten nahm aber sogar leicht ab.

Die Stadt hält dagegen, dass 200 neue Stellen bereits genehmigt sind. Die DeFeuG bezweifelt aber, dass das Personal rechtzeitig gefunden oder ausgebildet wird.

 

Zu wenig Nachwuchs

 

Es gibt eine Ausbildungsoffensive, zusammen mit der Berufsfeuerwehr Augsburg. Aber: Es gibt kaum geeignete Bewerber. Laut DeFeuG hat das mehrere Gründe: Zum einen ist die Vergütung für Einsteiger mit 1060 Euro niedrig. Vor allem wenn man bedenkt, dass angehende Feuerwehrleute eine abgeschlossene Berufsausbildung vorweisen müssen.

Darüber hinaus sind die Aufstiegschancen in ähnlichen Sparten, wie etwa bei der Polizei, attraktiver.

Besser sieht es im Norden aus. In Hamburg gibt es jedes Jahr 1800 bis 2000 Bewerber für die Ausbildung. Woran das liegt? „In Hamburg sind die Aufstiegschancen besser als in anderen Feuerwehren“, sagt ein Sprecher.

 

München unsicherer

 

Weil das Personal knapp ist, werden regelmäßig Fahrzeuge abgemeldet. Das gibt auch der OB in seinem Antwortschreiben an die DeFeuG zu. Das erfordere „zwar eine etwas höhere Belastung des Personals, hat aber keinerlei Auswirkung auf den Sicherheitsstandard für die Münchner Bürger“.

Die Gewerkschaft sieht das anders. In Schwabing seien vergangenes Jahr regelmäßig auch Löschfahrzeuge abgemeldet worden, zumindest stundenweise.

Rabe erklärt, was daran problematisch ist: „Jetzt kann man sagen OK, wir hoffen mal, dass alles gut geht. Aber wenn’s dann brennt, dann dauert es halt ein bisschen länger, bis jemand kommt.“ Weil der Löschwagen noch schnell einen Einsatz fertig machen muss, oder der Wagen eben aus einem anderen Viertel kommt.

Besonders eng wird es, wenn vom wenigen Personal zusätzlich noch einige im Urlaub sind.

 

Feuerwehr im Funkloch

 

Fast ganz Bayern funkt inzwischen digital. Die Berufsfeuerwehr München tut es nicht. Sie funkt analog, mindestens bis Anfang kommenden Jahres ausschließlich, dann noch auf unbestimmte Zeit sowohl digital als auch analog.

Weil die Analogtechnik aber nicht mehr ganz auf Höhe der Zeit ist, ist es auch nicht so leicht, die Geräte in Schuss zu halten. „Inzwischen kauft man deutschlandweit Ersatzteile und Akkus auf, weil die Geräte regelmäßig kaputt gehen“, berichtet Rabe.

Laut DeFeuG gibt es noch einen weiteren Haken: Fährt die Feuerwehr München zur Unterstützung in den Landkreis hinaus, ist sie im Funkloch. Denn dort ist man bereits auf Digitaltechnik umgestiegen.

In Hamburg, Pioniere auf dem Gebiet, funkt man seit fünf Jahren digital. Die Erfahrungen sind, laut dortiger Pressestelle, „in großen Teilen sehr gute“. Das Einsatzpersonal bekommt mit dem Funkspruch auch die Fahrtstrecke auf ein Display.

In München gibt es weiterhin Weganfahrtskarten aus Papier. In denen sind aktuelle Baustellen freilich nicht verzeichnet. Ein weiteres Problem: Kommt ein Einsatz rein, wenn das Einsatzfahrzeug bereits unterwegs ist, hat man diese Karten nicht dabei. In Löschfahrzeugen, auch in denen, die vor etwa fünf Jahren angeschafft wurden, gibt es allerdings kein Navigationsgerät. Manche Kollegen kennen den Weg zum Einsatzort aber nicht aus dem Stegreif. „Die holen dann halt verbotenerweise ihr Smartphone raus“, sagt Rabe – obwohl sie das gar nicht dabei haben dürften.

Der Branddirektionsleiter Wolfgang Schäuble glaubt jedoch weiterhin an dieses System. Navigationssysteme hätten verschiedene technische Schwierigkeiten, sagt er zur AZ. Außerdem sei die „Beschäftigung mit meinem Feuerwachbereich Teil des Berufsbildes.“ Sprich: Man soll das Gebiet kennen, in dem man Dienste fährt.

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