Dachauer Straße: Die längste Straße Münchens

Die Dachauer ist die längste Straße Münchens. Und wie vielfältig sie ist, zeigen wir Ihnen in vier Teilen. Im ersten Teil stellen wir Ihnen vor allem die kulinarische Fülle vor.
von  Hüseyin Ince
Obsthändler Mounir Turki.
Obsthändler Mounir Turki. © AZ/inc

München - Maxvorstadt, Neuhausen-Nymphenburg, Moosach, Feldmoching-Hasenbergl: Kaum eine Straße Münchens führt durch so viele Viertel wie die Dachauer Straße. Und so verändert sich auch ihr Gesicht über die Strecke von 11,2 Kilometern enorm. Die Straße beginnt am Hauptbahnhof. Und irgendwann endet diese längste Straße Münchens, an großen weiten Feldern vorbei, in der Gemeinde Dachau, ihrem Namensgeber. Und zwischendrin: eine große Vielfalt.

Dachauer Straße bekam erst 1877 ihren Namen

Der Name der Straße hat eine vergleichsweise junge Geschichte. Zunächst, etwa um das Jahr 1660, kannte man die Dachauer Straße auch als Mosserstraße, abgeleitet vom Wort Moosach. Schließlich führt die Dachauer Straße noch immer durch den heutigen Stadtbezirk, der einige Tausend Jahre älter ist als München.

Erst 1877 bekam die Dachauer Straße ihren heutigen Namen. Wir zeigen Ihnen, wie abwechslungsreich sie ist. Im ersten Teil unserer Serie, wollen wir Ihnen, von Süden aus, den ersten Abschnitt vorstellen. Diese erste Strecke ist bunt und – ohne Corona – enorm belebt. Hotels stehen neben Table-Dance-Läden. Aber vor allem kulinarisch ist der Abschnitt international. Egal ob persisch, türkisch oder auch französisch: Es würde Wochen dauern, bis man jede Kleinigkeit probiert hat.

Obsthändler Turki verkauft seit 15 Jahren am Hauptbahnhof

Mounir Turki (53) ist ein gut gelaunter Mann. Da kann der Bart noch so dicht sein: Auch in unbeobachteten Momenten hat er ein gut sichtbares Lachen im Gesicht. Das mag auch an seinem früheren Job liegen. Viel Sonne, immer am Wasser: Zehn Jahre lang arbeitete Turki als Bademeister im tunesischen Hammamet, direkt am Mittelmeer. Später, vor etwa 15 Jahren, landete er in München. Seither verkauft er Obst am Hauptbahnhof, ganz in der Nähe der Trambahnhaltestelle Hauptbahnhof Nord.

Obsthändler Mounir Turki.
Obsthändler Mounir Turki. © AZ/inc

Ob Pandemie oder schlechtes Wetter: Seine Kunden kommen treu zu ihm. Viele begrüßt er mit Vornamen. Ein paar Scherze später haben sie zwei Kilo Obst im Gepäck und gehen wieder in ihr Büro oder nach Hause. Avocado, Banane, Kirsche, Apfel, Papaya, Birne, Mango: Etwa 30 Obstsorten hat Turki. Eine besonders exotische Frucht: Cherimoya. "Sie schmeckt nach Vanille. Vor allem Frauen kaufen sie sehr gerne", sagt Turki. Gesund soll sie auch sein.

Klassisch französisch, Tarte und Quiche

Thomas Liedl entdeckte vor mehr als 20 Jahren zuerst seine Liebe zu einer Französin und bald darauf die Vielfalt und Finesse der französischen Küche. Das war Liebe auf den ersten Blick – und Biss. Die Liedls kochten und genossen gemeinsam. Da stellte sich die Frage: Warum nicht einen Laden eröffnen und mit den Münchnern diesen Geschmack teilen? Gesagt, getan. 2003 eröffneten Aline und Thomas Liedl das "La Tarti" an der Dachauer Straße 54.

Thomas Liedl betreibt mit seiner Frau seit 2003 das "La Tarti".
Thomas Liedl betreibt mit seiner Frau seit 2003 das "La Tarti". © AZ/inc

Ein wenig versteckt liegt es an dieser Stelle. Aber Publikumsverkehr war ohnehin noch nie das Hauptgeschäft der Liedls. "Den Großteil des Umsatzes machen wir mit Catering-Bestellungen", sagt Thomas Liedl. Aber natürlich kann man sich mittags (Montag bis Freitag zwischen 11 und 14 Uhr) ein Stück täglich frisch zubereiteter Quiche oder eine Tarte aus dem Buffet holen. Und mit den klangvollen Namen der Spezialitäten schmeckt das alles gleich viel besser: Doux Mélange, Asperges Vertes oder natürlich die Klassiker wie Crème Brûlée. Die von Aline Liedl verfeinerten Rezepte stammen aus ihrer eigenen Familie. Ein Ur-Rezept ist von Tante Jeanne, geboren 1908.

Das älteste persische Restaurant Münchens

Für viele angehende Wirte dürfte Alireza Aghili (54) ein Vorbild sein. Denn sein Restaurant Pars ist das älteste persische Lokal der Stadt, das immer noch geöffnet hat. Seit bereits 26 Jahren serviert er gekochtes Lamm, gebratene Entenbrust oder gegrillte Riesengarnelen nach iranischer Art. Und das mittlerweile in zwei Restaurants, an der Hausnummer 19 und 36. An der 36 heißt sein Lokal "Dehbaschi". Etwa 20 Mitarbeiter hat Aghili.

Pars-Chef Alireza Aghili.
Pars-Chef Alireza Aghili. © AZ/inc

Und vom etwas grimmigen Blick sollte man sich nicht täuschen lassen. Der Chef ist herzlich und er packt mit an: Nach dem Foto greift er sich eine Essensbestellung und liefert sie mit schnellen Schritten aus. "Sehr beliebt sind alle Fleischspieße", sagt Aghili noch. Was er selbst gerne isst? "Ehrlich, mir schmeckt alles in meinen Restaurants." Auch ihn plagt die Corona-Krise: "26 Jahre hatte ich nur an Heiligabend geschlossen. Und als die Pandemie ausbrach, musste ich zwei Monate schließen."

Uigurisch-türkisch, bald wieder offen

Das beliebte uigurische Restaurant Kashgar an der Hausnummer 4 ist im doppelten Sinne international. Viele Gäste bewerten zwar das Essen im Internet und glauben, chinesisch gegessen zu haben: "Best chinese food ever!", frei übersetzt: "das beste chinesische Essen aller Zeiten!" Aber das ist nicht nur politisch eine heikle Einschätzung, da das Restaurant ja von Uiguren betrieben wird.

Seit jeher sind die Spannungen zwischen Uiguren und Chinesen bekannt. Es ist zudem kulinarisch nur die halbe Wahrheit. Auch die türkische Küche hat einen großen Einfluss. Davon zeugen nicht zuletzt: der Dönerspieß und die Sprache. Denn Uiguren sprechen neben Chinesisch einen türkischen Dialekt. Wer jetzt auf das Essen neugierig geworden ist, braucht etwas Geduld: Derzeit wird das Kashgar umgebaut.

Das Restaurant Kashgar.
Das Restaurant Kashgar. © AZ/inc

Das Geschäft mit der Laute

Ein ganz besonderer Blickfang an der Dachauer Straße 111 ist der Lautenladen von Ali Akbulut (44). Sein Spezialgebiet, vereinfacht gesagt: türkische und arabische Gitarren, also "Saz" und "Ud" – und das seit 17 Jahren. Alles begann, als er mit fünf Jahren so eine türkische Laute, also eine "Saz", geschenkt bekam. "Ich liebe den Ton, den eine Saz erzeugt", sagt Akbulut. Er repariert und restauriert die Instrumente liebevoll.

Die Ud restauriert Akbulut derzeit. An der Wand: Saz.
Die Ud restauriert Akbulut derzeit. An der Wand: Saz. © AZ/inc

Akbulut ist ein Autodidakt und hat sein Handwerk in unzähligen Workshops in der Türkei gelernt. Während andere die Familie besuchten oder am Strand lagen, wollte er etwas dazulernen. "Als meine Eltern und ich regelmäßig in den Sommerurlaub in die Türkei gefahren sind, habe ich in Istanbul mehrmals in Saz-Ateliers mitgearbeitet", erzählt Akbulut. Auch Unterricht kann man bei Akbulut nehmen. Seine Schüler sind international und aus allen Altersstufen: "Zwischen zwölf und 60", sagt er.

Das älteste Kino Münchens verwaist

Es ist ein Trauerspiel, wie das Kinodenkmal an der Hausnummer 16 langsam verwahrlost – und vergessen wird: das Gabriel Filmtheater, eröffnet 1907, geschlossen im April 2019. Einige Münchner nahmen aber die Spraydose in die Hand und erinnern daran, dass das älteste Kino Münchens durchaus gerettet hätte werden können. Davon zeugen die Parolen an den verschlossenen Rollläden: "Kino statt Profit!" ist da zu lesen und auch: "Kino-Mörder!" Ob die Sprayer selbst ein Netflix-Abo haben?

Leere Säle, verschlossene Tore an der Hausnummer 16.
Leere Säle, verschlossene Tore an der Hausnummer 16. © AZ/inc

Lesen Sie hier: Coronavirus - Hier hilft München (sich)

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