Cyborg oder Spitzenkandidat? Die kuriosesten Wahlplakate vor der Landtagswahl in Bayern
München – Wer hätte gedacht, dass Franz Josef Strauss mal über die bayerischen Straßen wacht? Viele Christsoziale mögen zwar die Vorstellung haben, dass ihr Übervater aus dem Himmel auf seinen Freistaat blickt. Doch auch alle anderen kommen ihm derzeit nicht aus – hat doch die CSU ein Wahlplakat, das ihr Idol zeigt.
"Auch in Zeiten von Internet und Social Media spielen Wahlplakate noch eine große Rolle", sagt Martin Fuchs. Der 44-jährige aus Hamburg ist Experte für politische Kommunikation. Außerdem hat er den Twitterkanal @wahl_beobachter gegründet, auf dem er unter dem Hashtag #wahlplakatefromhell, also Wahlplakate aus der Hölle, veröffentlicht.
Trotz der Dominanz des Internets: Immer mehr Wahlplakate vor der Wahl
"Die wichtigste Funktion von Wahlplakaten ist erst einmal, daran zu erinnern, dass überhaupt eine Wahl stattfindet", sagt Fuchs. Und es geht natürlich darum, wer kandidiert. "Die Kunst ist es, diese Kandidatur mit einer Botschaft zu verbinden. So wie es beispielsweise Olaf Scholz mit dem Thema Respekt bei der Bundestagswahl 2021 geschafft hat", erklärt der Experte.
Obwohl das Internet vieles dominiert, sind es laut Fuchs sogar mehr Wahlplakate in den vergangenen Jahren geworden und nicht weniger. "Plakate sind günstig. Aber es gibt auch heute einfach mehr Parteien", so Fuchs.
Mehr als einen Lacher erzeugt das Wahlplakat der "Partei" nicht
Auffällig sei, dass sich die Plakate immer stärker von den Parteien emanzipieren – da fehlen Parteilogos oder Parteifarben werden geändert: "Die CSU hat heuer beispielsweise viel grünen Text. Blau ist nicht mehr die alleinige Farbe." Man spiele deutlich mehr und wolle damit vermutlich auch andere Wählerschichten ansprechen. Außerdem setze man mehr auf die Interaktion zwischen On- und Offline, beispielsweise durch QR-Codes.
Trotz allem Wissen um politische Kommunikation kann vieles schief gehen – aber es gibt auch viel zu lachen. Die AZ hat mit Fuchs einige Kuriositäten aus dem Freistaat für die Landtagswahl zusammengetragen. "Die DNA, der 'Partei' ist Satire. Das ist natürlich ein perfektes Plakat dafür", sagt Fuchs. Zumal es mit der Politikverdrossenheit spiele. "Mehr als einen Lacher erzeugt es aber nicht", lautet das Resümee des Experten.

Das Wahlplakat der Bayernpartei kapiert niemand
Tino Wagner kandidiert nicht für den Landtag, sondern für den Bezirkstag. "Die Grundidee von Wahlkämpfen ist es ja, den Menschen ein Ohr zu schenken, zuzuhören", sagt Fuchs. Das Plakat zeige aber das Gegenteil.
"So nach dem Motto: Ich hab keinen Bock auf euch, labert mich nicht zu." Es wolle modern wirken, aber die Botschaft sei kontraproduktiv. "Eigentlich ist das eine Art Stinkefinger auf dem Plakat", findet Fuchs.

Die Bayern-Partei gibt sich ambitioniert, spricht eher intellektuell an: "Los von Berlin" bezieht sich laut Fuchs auf die "Los von Rom-Bewegung" aus dem 19. Jahrhundert, die den Religionswechsel von katholisch zu evangelisch propagiert hat.
"Nur kapiert das niemand, dass darauf angespielt wird. Und die es kapieren, wundern sich: Warum sollte die Bayernpartei für das Evangelische werben?" Für Fuchs ein Claim, der an der Bevölkerung leider vollends vorbeigeht.

Die Freien Wähler scheitern an der Mathematik
"Eigentlich ist das das perfekte Wahlplakat in Bayern. Es hat alles, was es braucht: Bairische Mannsbilder, Lederhosen, Dialektsprache, blau gehalten", sagt Fuchs über die zwei Freien Wähler.
Und schlägt dann die Hände über dem Kopf zusammen: "Vier Fäuste sind halt keine vier Daumen." Eine klassische Text-Bild-Schere.

Sogar der "Spiegel" hatte über das Karpfen-Plakat von Lars Mentrup berichtet, auch die AZ hat es schon unter die Lupe genommen. "Eigentlich ist die Idee smart: Der Kandidat will sich ja abheben", findet Fuchs. Das Motiv sei sehr ästhetisch und soll für mehr Klimaschutz werben. "Nur versteht das keiner", so der Experte.
Und damit nicht genug: "Auf dem Papierplakat ist ganz klein eine Domain im Internet. Die Mobilisierungskraft geht aber gegen null." Gut gemeint, aber als Wahlplakat "leider komplett ungeeignet". Denn eigentlich gehe es ja darum, dass der Mann die Wähler in seinem Stimmkreis erreicht.

Ein Hund lässt sich bei der Landtagswahl in Bayern leider nicht wählen
Tiere und Kinder gehen eigentlich immer, sagt Fuchs. Insofern sei es die perfekte Satire auf ein Wahlplakat. "Da hat man den treublickendsten Hund gefunden, den es bei Shutterstock (ein Online-Fotoarchiv, Anm. d. Red.) gibt, und will damit die Leute anziehen."
Leider könne man diesen süßen Hund nicht wählen. Die inhaltliche Botschaft gehe unter, auch wenn sie ganz klein abgedruckt ist.

Und die großen Plakate des bayerischen SPD-Spitzenkandidaten? Da fragt sich Fuchs erst mal: Ist das Florian von Brunn oder die Matrix? "Ich habe sofort an einen Cyborg gedacht", sagt der Politikberater. Als Kind hätte er wohl eher Angst vor so einem Plakat.
Obwohl es doch für Kinderthemen werben solle. "Es gibt das in drei Versionen, auch mit halben Mietern und halben Senioren", sagt Fuchs. Doch der Experte resümiert knallhart: "Die Botschaft geht komplett verloren."