CSU-Politikerin Tina Pickert wehrt sich auf Facebook gegen ihren Stalker

München - Vielleicht hat ihre Präsenz im Landtagswahlkampf letzten Herbst den Mann auf die perfide Idee gebracht. Die junge CSU-Politikerin Tina Pickert war damals viel zu sehen als Landtagskandidatin im Münchner Norden. Auf Wahlkampfplakaten, auf Diskussions-Podien, auch live – im Haustürwahlkampf zwischen Milbertshofen und Schwabing.

Denn zu der Zeit hat es angefangen, das Stalking. Erst postete der Mittvierziger, der in München lebt, nur zudringliche Kommentare auf Pickerts Facebookseite. Dann kamen die Pakete. Plötzlich stand er vor ihrer Tür.

Jetzt hat Tina Pickert sich gewehrt – mit einem eindringlichen Post an den Stalker auf ihrer privaten Facebookseite:
"Hey Stalker", schreibt sie dort, "ich möchte nicht, dass du ständig vor meiner Tür stehst und bei mir klingelst. Ich möchte keine Nachrichten auf Facebook von dir. Ich kenne dich nicht und ich fühle mich unwohl und unsicher. Wenn ich abends nach Hause komme, weiß ich nicht, ob du bei mir im Flur stehst, das macht mir Angst."

Im Wahlkampf hat Pickert die Nachrichten ihres Stalkers ignoriert
AZ: Frau Pickert, Sie wissen, wer Sie belästigt?
Tina Pickert: Ich weiß, wer er ist, weil er auf Facebook seinen echten Namen und sein Foto benutzt.
Wann war klar, dass seine Posts kein Spaß mehr sind?
Im Wahlkampf war ich so im Stress, dass ich das ignoriert habe. Aber dann kamen täglich fünf bis zehn Nachrichten, es sind Hunderte von Posts. Schlimm wurde es, als alle zwei, drei Tage Briefe und Päckchen im Briefkasten lagen.
Was genau kommt da?
Briefe, in denen er vom "Küssen" und "onanieren" schreibt. Wirres Zeug, das mit ABBA zu tun hat, wie eine CD mit weißlichen Flecken drauf. Er schickt mir auch Bahnkarten oder Karten zu Urlaubsideen.
Pickert: "Ich habe ihn durch den Türspion erkannt"
Woher hat er Ihre Adresse?
Ich habe in einem Flyer im Wahlkampf mal meine Straße erwähnt. Kann sein, dass er die so lange abgelaufen ist, bis er mein Klingelschild gefunden hat. Ich weiß, dass er ins Haus geht und die Sachen in den Briefkasten wirft, weil sie meistens nicht frankiert sind.
Geklingelt hat er auch schon?
Ja. Ich habe ihn einmal am Abend durch den Türspion gesehen und erkannt.
Wie ging es Ihnen da?
Ich war allein daheim und starr vor Schrecken. Vor lauter Angst habe ich nicht einmal die Polizei gerufen. Eigentlich wollte ich zum Sport. Stattdessen habe ich mich verkrochen und erst am nächsten Tag wieder aus meiner Wohnung getraut.
CSU-Politikerin rät: Gibt dem Stalker keine Macht!
Nachdem Sie ihn angezeigt haben, war eine Weile Ruhe.
Die Polizei war bei ihm, er hat versprochen, aufzuhören. Deshalb hat die Staatsanwaltschaft das nicht weiter verfolgt.
Aber jetzt ist er wieder da.
In den letzten Wochen war er jeden zweiten Tag an meiner Tür. Jedes Mal, wenn ich heimkomme oder aus dem Haus will, frage ich mich: Steht er im Treppenhaus? Was mache ich, wenn er vor mir steht und ich ihn abweise? Wird er gewalttätig? Sowas macht einen fertig.
Wird die zweite Anzeige etwas bringen?
Ganz sicher. Ich dachte erst, das Thema ist zu klein, um die Polizei damit zu behelligen. Aber das ist falsch. Es gibt viele Betroffene wie mich in München, und ich rate allen, sich von Anfang an dem Täter entgegenzustellen. Sich nicht einschränken zu lassen, dem Stalker keine Macht zu geben. Die Polizei hat ihn jetzt wieder aufgesucht. Notfalls erwirke ich ein Kontaktverbot.
Gegen Stalking vorgehen - der Weiße Ring gibt Verhaltenstipps
Rund jeder achte Mensch in Deutschland wird einmal im Leben Opfer von Stalking, schätzt die Hilfsorganisation Weißer Ring. Vor allem Frauen sind betroffen. Das Ziel des Stalkers: Macht und Kontrolle über sein Opfer zu erlangen. Manche Täter wollen sich rächen, andere handeln aus "Liebeswahn".
Wer von Fremden oder auch Ex-Partnern bedrängt wird, dem rät der Weiße Ring, zunächst konsequent den Kontakt abzubrechen. Betroffene sollen Familie, Freunde und Nachbarn informieren, die bei akuter Bedrohung die Polizei alarmieren können.
Vom Stalker empfangene Dokumente sollten aufbewahrt werden. "Man sollte zum Beispiel seine E-Mail-Adresse ändern, aber alte Mails als Beweis sichern", sagt Andrea Hölzel von der Münchner Außenstelle. Bei Telefonterror oder Cyber-Stalking sollten Betroffene sich über geheime Rufnummern oder Zweitanschlüsse beraten lassen.
Auch Anzeige zu erstatten, könne helfen. Es habe sich gezeigt, dass vor allem schnelles Einschreiten der Polizei gegen den Stalker Wirkung zeigt und die Belästigungen nach einer Anzeige häufig aufhören. Zum Schutz vor Stalking kann man außerdem beim Amtsgericht eine Einstweilige Verfügung (Schutzanordnung) nach dem Gewaltschutzgesetz beantragen. Hölzel empfiehlt diese Option "nicht erst als letzten Schritt, wenn eine massive Bedrohung vorliegt".
Seit Mai gebe es zudem die No-Stalk-App, die viele Anti-Stalker-Maßnahmen zusammenführt, sagt Hölzel. Zum Beispiel Notizen und Tagebucheinträge, einen Notruf-Knopf und die Möglichkeit, ein Video zur Beweissicherung zu starten.
Kontakt zum Weißen Ring: Andrea Hölzel, Telefon 0151-55 16 46 87, Mail: ahoelzelWR@aol.com
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