Claudia Roth über Rammstein: "Mackertum und Übergriffe haben in Musik nichts zu suchen"
München - Angesichts von Vorwürfen gegen die Band Rammstein gibt es Forderungen aus der Politik nach mehr Schutz vor Übergriffen in der deutschen Kulturbranche. Vor den Rammstein-Auftritten in München – am heutigen Mittwoch steigt das erste von insgesamt vier Konzerten – hat der Veranstalter bereits Veränderungen angekündigt.
Claudia Roth über Rammstein: "Vorwürfe müssen schnell und umfassend aufgeklärt werden"
Kulturstaatsministerin Claudia Roth verurteilt die Übergriffe in der Kultur scharf. "Patriarchales Mackertum und sexuelle Übergriffe haben in der Musikbranche, wie überhaupt in Kunst und Kultur und auch überall sonst, nichts mehr zu suchen", sagt die Grünen-Politikerin.

Mehrere Frauen erhoben in den vergangenen Tagen Vorwürfe gegen Rammstein-Frontmann Till Lindemann. Die Frauen schildern Situationen, die sie teils als beängstigend empfunden hätten. Junge Frauen seien während Konzerten ausgewählt und gefragt worden, ob sie zur Aftershowparty kommen wollen. Dabei soll es nach Schilderungen einiger Frauen auch zu sexuellen Handlungen gekommen sein.
"Diese Vorwürfe gegen Till Lindemann und Rammstein sind sehr ernst zu nehmen und müssen schnell und umfassend aufgeklärt werden", sagte Roth. Sie begrüße den Mut vieler junger Frauen, offen über ihre teilweise traumatischen Erlebnisse zu sprechen. Zugleich verurteile sie "die mitunter aggressiven und hämischen Reaktionen, mit denen diese mutigen Frauen in den sozialen Medien kritisiert und herabgewürdigt werden".
Solange die Vorwürfe im Raum stünden, solle dem präventiv konsequent entgegengewirkt werden. "Es ist ein wichtiger Schritt, dass es bei den Rammstein-Konzerten in München keine Row Zero und keine Aftershow-Party mehr geben wird", sagte Roth. "Das sollte auch für alle weiteren Konzerte gelten. Auch der Einsatz von Awareness-Teams wäre ein gute Maßnahme." Die Row Zero (Reihe null) ist eine Fan-Reihe vor der Absperrung an der Bühne.
Rammstein-Fan Shelby Lynn: Auch für die Konzerte in München werden Frauen rekrutiert
Von Mittwoch an sind vier Rammstein-Konzerte in München geplant. Dort wurden bereits einige Veränderungen angekündigt: So soll es die sogenannte Reihe null in München nicht geben und auch keine Aftershow-Partys. Außerdem habe das Management ein Awareness-Konzept angekündigt, Details dazu lagen noch nicht vor. Die Band soll auch eine Anwaltskanzlei eingeschaltet haben, die die Vorwürfe prüfen soll.

Rammstein-Fan Shelby Lynn hatte mit ihren Twitter- und Instagram-Postings den Stein nach dem Auftaktkonzert der Rammstein-Tour am 22. Mai in Litauens Hauptstadt Vilnius ins Rollen gebracht, es kursierten harte Vorwürfe in den sozialen Medien.
Rammstein-Fan Shelby Lynn warnt vor "Frau mit hellrot gefärbten Haaren"
Jetzt legt Shelby Lynn nach: Die nach Rammstein-Angaben entlassene dubiose "Casting-Direktorin" Alena M. habe bei der Organisation der Treffen nicht allein gehandelt, dazu lägen ihr entsprechende Aussagen von Betroffenen vor.
Ihre deutliche Warnung: "Es befindet sich derzeit eine Person vor Ort in München, welche in der Vergangenheit bei Konzerten in Deutschland 'zuständig' war für im Vorfeld rekrutierte weiblich gelesene Personen." (sic!) Es handele sich dabei um eine Frau mit hellrot gefärbten Haaren, heißt es in ihrer Instagram-Story, sie nenne sich Alina.
Um gegen Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe in der Kultur- und Kreativszene wirkungsvoll vorzugehen, habe sie einen "Aktionsplan zur Förderung eines Kulturwandels gegen sexuelle Belästigung und Gewalt in den Kultur- und Medienbranchen" vorgelegt, sagte Roth. "Ein Ziel dabei ist die Erarbeitung eines Verhaltenskodex' für die gesamte Kulturbranche."
Familienministerin Paus fordert Veränderungen in der Musikbranche
Solche Verhaltenskodizes solle es viel mehr in der Kultur- und Kreativszene geben. "Wir brauchen eine stärkere Sensibilisierung für Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe. Gerade männliche Stars sollten sich der Verantwortung bewusst sein, die mit ihrer Prominenz einhergeht." Roth sieht dabei die Musikindustrie mit Labels, Verlagen, Festivals sowie Veranstalterinnen und Veranstalter in der Pflicht.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) forderte Veränderungen in der Musikbranche. "Sexuelle Übergriffe kommen in allen Lebenslagen vor. Auch auf Festivals oder Konzerten treffen sehr viele Menschen an einem Ort aufeinander, dazu kommen oft Alkohol und Drogen, was die Hemmschwelle bei Tätern senkt und die Opfer orientierungslos machen kann."
Das sei nicht neu, aber es müsse darüber geredet werden, wie gerade junge Menschen besser geschützt werden könnten. Sie lade die Musikbranche ein, dem Bündnis "Gemeinsam gegen Sexismus" beizutreten. Das Bündnis sei ein breiter Zusammenschluss aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung, Medien, Kultur und Zivilgesellschaft, sagte Paus.
Der Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV) zeigte sich dazu offen. Der Verband sei mit dem Ministerium ins Gespräch gegangen, "um diesen wichtigen Prozess gemeinsam voranzubringen", sagte ein Sprecher. Wie ein Sprecher der Olympiapark München GmbH als Vermieter des Olympiastadions zudem mitteilte, hat das Management der Band ein Awareness-Konzept für die vier Münchner Konzerte angekündigt.
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