Christkindlmarkt-Absage: "Wir stehen vor einem Scherbenhaufen"

Der Münchner Christkindlmarkt wurde wegen der angespannten Corona-Lage abgesagt. Die Betreiber sind ernüchtert, viele von ihnen bangen nun um ihre Existenz.
von  Christina Hertel
Ernüchtert: Händler Ernst Weber (66) baut am Marienplatz seinen Stand wieder ab.
Ernüchtert: Händler Ernst Weber (66) baut am Marienplatz seinen Stand wieder ab. © Daniel von Loeper

München - "Wir stehen vor einem Scherbenhaufen. Mir zieht es gerade den Boden unter den Füßen weg", sagt Peter Bausch am Telefon. Er ist der Sprecher der Standbetreiber auf dem Münchner Christkindlmarkt, Chef eines Punschstüberls dort. Gleich will er seinen Mitarbeitern Bescheid geben, dass sie auch in diesem Jahr keinen Glühwein verkaufen werden.

Denn wegen der steigenden Corona-Zahlen hat Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) am Dienstag den Münchner Christkindlmarkt auf dem Marienplatz und den Winterzauber auf dem Viktualienmarkt abgesagt.

Hunderte Liter Glühwein müssen weggekippt werden

Alle Stände waren fast fertig aufgebaut, die Christbaumkugeln und die Krippenfiguren hatten viele schon vor Wochen bestellt, sagt Bausch. Hunderte Liter Glühwein müsse er nun wohl wegkippen. Die Absage könnte für ihn und die anderen Standlbetreiber das Ende bedeuten: "Es ist zum Heulen. Viele haben ihren letzten Groschen zusammengekratzt." Schließlich habe seit zwei Jahren kaum ein Schausteller etwas verdient.

Die Standl stehen schon auf dem Marienplatz, jetzt müssen sie wieder abgebaut werden.
Die Standl stehen schon auf dem Marienplatz, jetzt müssen sie wieder abgebaut werden. © imago/Lindenthaler

Auch Ernst Weber, der seit 40 Jahren einen Stand auf dem Münchner Christkindlmarkt betreibt, betont, wie sehr er mit den Einnahmen gerechnet habe. Sein Mandel-Schild, das er erst vor wenigen Wochen aufgehängt hatte, schraubte er am Dienstag schon wieder ab, kurz nachdem sich die Stellungnahme von OB Dieter Reiter (SPD) verbreitet hatte.

Die dramatische Situation in den Kliniken, die exponentiell steigenden Infektionszahlen ließen ihm keine Wahl, so Reiter. Standl-Sprecher Bausch kann dies nicht nachvollziehen: Schließlich finde der Christkindlmarkt an der frischen Luft statt, schließlich können sich die Menschen trotzdem im Café einen Glühwein-to-Go und in der Metzgerei eine Bratwurst kaufen, meint er.

Auch der Münchner Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner (CSU) hätte den Markt gerne durchgeführt. Aus seiner Sicht ist das Ansteckungsrisiko in Clubs höher. Für die FDP hingegen kommt die Absage zu spät. Der OB hätte schon vor Wochen gemeinsam mit den Beschickern einen Plan erarbeiten müssen, findet FDP-Stadträtin Gabriele Neff.

Private Märkte dürfen stattfinden - mit 2G+-Regel

Erst vergangene Woche hatte Reiter angekündigt, dass nur Geimpfte und Genesene Zutritt haben sollen. Doch sowohl die Kliniken als auch das Gesundheitsamt warnten ihn: Der Marienplatz könne nicht abgegrenzt, die Zahl der Gäste nicht begrenzt und nicht kontrolliert werden. Reiter entschied sich deshalb dazu, den städtischen Markt abzusagen.

Private dürfen stattfinden – allerdings nur, wenn sie es schaffen, die 2G+-Regel umzusetzen: Demnach dürften Genesene und Geimpfte rein, allerdings nur mit einem negativen Test. "Doch wer lässt sich testen, um ein paar Christbaumkugeln zu kaufen?", fragt Eduard Rosai, der das Weihnachtsdorf in der Residenz betreibt. Er werde den Markt deshalb absagen – außer der OB lasse sich doch noch überreden, zumindest den Schnelltest fallenzulassen.

Für Jan Oltznauer, den Chef der Feuerzangen-Bowle am Isartor, ist das kein Kriterium: Er hält es für unverantwortbar, derzeit solche Veranstaltungen abzuhalten. Beim Pasinger Christkindlmarkt und beim Markt am Chinesischen Turm ist schon länger klar, dass sie auch heuer ausfallen.

Andere Betreiber klingen unsicher: Christiane Stenzel, die für das Tollwood die Pressearbeit macht, sagt, sie wolle erst mit den Behörden genau besprechen, was die neuen Regeln bedeuten. Martin Dörfler vom Schwabinger Weihnachtsmarkt will sich mit seinem Verein abstimmen.

Stadt will finanziellen Ausgleich für Standlbetreiber

Sowohl der OB mit den regierenden Parteien Grüne und SPD, als auch die CSU sind für eine finanzielle Entschädigung für die Standlbetreiber. Der OB will nun prüfen lassen, wie die Stadt einen finanziellen Ausgleich schaffen kann. Wie hoch dieser ausfallen müsste, kann Peter Bausch noch gar nicht sagen: "Ich falle gerade in ein tiefes Loch."

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