Caritas: "Wir müssen besser werden"
München - Täglich kommen mehr Menschen aus der Ukraine nach München, darunter auch immer mehr Kinder ohne ihre Eltern. Wie viele es genau sind, weiß derzeit niemand. "Sie kommen mit anderen Müttern, denen sie anvertraut wurden", sagt Caritas-Vorständin Gabriele Stark-Angermeier. Auch 2.000 Kinder aus einem ukrainischen Waisenhaus würden in Bayern erwartet.
Riesige Hilfsbereitschaft
Vor drei Wochen hat der Angriffskrieg der Russen gegen die Ukraine begonnen. Als "schwarzen Donnerstag" bezeichnen ihn viele. Die Hilfsbereitschaft für die Flüchtlinge, die es aus ihrer vielerorts zerbombten Heimat bis nach München geschafft haben, ist riesig.
Doch an vielen Stellen hakt es noch gewaltig, um die erschöpften, verängstigten und teilweise traumatisierten Frauen und Kinder menschenwürdig zu versorgen, aufzunehmen und ihnen weiterzuhelfen. Am Mittwoch zogen Vertreter der Caritas und der Erzdiözese München und Freising eine erste Bilanz.
Die Bahnhofsmission ist rund um die Uhr besetzt
Die Caritas betreibt am Hauptbahnhof die Bahnhofsmission, die rund um die Uhr besetzt ist, sowie den Infopoint in der früheren Schalterhalle, bei dem Flüchtlinge erst einmal das Nötigste bekommen: Von etwas zu essen und zu trinken bis zu Windeln und der Information, wo sie schlafen können.
Rund 2.000 Kriegsflüchtlinge kommen täglich an
Derzeit kommen durchschnittlich 2.000 Flüchtlinge täglich mit dem Zug an, sagte Caritasdirektor Hermann Sollfrank gestern. Erwartet werden noch mehr: "Die große Welle kommt erst noch", ist sich Caritas-Vorständin Gabriele Stark-Angermeier sicher.
Sie rechnet damit, dass die Flüchtlinge aus der Ukraine mindestens ein bis zwei Jahre bei uns bleiben, "bevor sie überhaupt wieder einen Ort haben, an den sie zurückkehren können". Ein richtiges Ankunftszentrum für die Geflüchteten gibt es nach wie vor nicht. "Wir müssen besser werden und die Verfahren optimieren", sagt Sollfrank.
Geflüchtete kommen wegen Hunger zum Bahnhof zurück
Bettina Spahn, Leiterin der Bahnhofsmission, bestätigt: "Auch nach drei Wochen kommt es immer wieder zu Situationen, die nicht hätten sein dürfen." So kämen zum Beispiel derzeit viele Ukrainer trotz Unterkunft regelmäßig zurück zum Bahnhof - weil sie Hunger und Durst hätten. "Wir versorgen sie mit Lebensmitteln", sagt Bettina Spahn, "bis die staatlichen Leistungen greifen."
Die Geflüchteten können kein Geld wechseln
Das Problem: Die Flüchtlinge aus der Ukraine hätten keine Euro, um sich selbst etwas zu kaufen. Geld in ihrer Heimatwährung konnten sie nicht tauschen, die staatliche Unterstützung, die ihnen zusteht, haben sie noch nicht bekommen.
Überforderung beim Amt für Wohnen und Migration
Das Amt für Wohnen und Migration in der Werinherstraße, wo sie Sozialleistungen bekommen sollten, war dem Andrang nicht gewachsen. Sogar mitten in der Nacht stellten sich Menschen an. Tetyana Borshch, die tagelang vor dem Amt ehrenamtlich für ihre Landsleute dolmetschte, berichtete am Mittwoch der AZ: "An einem Tag ist sogar das Bargeld ausgegangen, es war nicht genügend da."
Neuorganisation der Vergabe
Mittlerweile hat die Stadt die Vergabe neu organisiert. Flüchtlinge aus den Notunterkünften sollen direkt in die Werinherstraße gebracht werden, wenn sie einen Termin haben. Privat Untergebrachte sollen in die Sozialbürgerhäuser gehen. Doch auch das muss sich erst einspielen: Derzeit sind die Öffnungszeiten dort begrenzt - und es fehlen Dolmetscher.
In den Unterkünften fehlt das Notwendigste
Auch in den Notunterkünften, die die Stadt innerhalb weniger Tage in Sport- und Messehallen geschaffen hat - fehlt es teilweise offenbar am Notwendigsten. So bat eine freiwillige Helferin am Mittwoch über Instagram dringend um Decken, Kissen, Schlafanzüge und Kamillentee für die Flüchtlinge in der Ruppertstraße 5.
Forderung nach einem Online-Portal
Die Ukrainerin Tetyana Borshch, die seit 2000 in München lebt und arbeitet und derzeit von morgens bis abends ihren Landsleuten hilft, fordert: "Wir brauchen dringend ein offizielles Online-Portal mit allen Informationen auf Ukrainisch." Sie kritisiert: "Informationen, die den Geflüchteten auf Zetteln in die Hand gedrückt werden, sind teilweise schon nach zwei Tagen nicht mehr gültig."
In der Ukraine hätten viele nicht mal eine Mailadresse - weil sie sie nicht bräuchten. "Behördengänge werden über eine staatliche App abgewickelt", erklärt Borshch.
Die guten Nachrichten
Doch es gibt auch positive Nachrichten: Wenigstens finanzielle Unterstützung ist in Sicht. Der Freistaat stellt für die Unterbringung der Ukrainer zunächst bis zu eine Milliarde Euro bereit, kündigten Ministerpräsident Markus Söder und Innenminister Joachim Herrmann (beide CSU) am Mittwoch an.
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