Caritas warnt vor Armut in München
Immer mehr Münchner leben in prekären Verhältnissen und Zukunftsangst. Was die Helfer jetzt von OB Dieter Reiter und der Stadtspitze fordern.
München - Sie kümmern sich um die armen Familien in München, die Einsamen, Kranken, Wohnungslosen, weil es ihr kirchlicher Auftrag ist: die Helfer der Caritas. Und die richten nun den eindringlichen Appell an OB Dieter Reiter (SPD) und seinen Stadtrat, die Bedürftigen viel mehr in den Blick zu nehmen als bislang. "Armut“, sagt Caritasdirektor Georg Falterbaum (56), "darf keine Alltagsrealität in der Stadt werden.“
Thema Armut in München
Zwischen 9.000 und 10.000 Menschen in München sind akut wohnungslos, ein Fünftel davon Kinder. "Sie leben in Pensionen, Notunterkünften oder auf der Straße“, mahnt der Caritaschef. Schon jeder Sechste in München lebe in relativer Armut. "In unserem Wirkungsbereich rutschen immer mehr Normalverdiener in prekäre Lebenssituationen, immer mehr Senioren und junge Mitbürger."Die Tafeln hätten "Zulauf wie nie“, sagt er weiter. Die Zahl der Rentner, die sich dort kostenlose Lebensmittel holen, sei in nur einem Jahr um 20 Prozent gestiegen.

Thema Wohnen
Gemessen am Bedarf in München müsste die Stadt laut dem Armutsbericht jedes Jahr 2.800 Sozialwohnungen bauen. "Gebaut wird aber nur die Hälfte“, kritisiert der Caritaschef. Dabei müssten immer mehr Münchner oft die Hälfte ihres Einkommens für Miete und Nebenkosten ausgeben. "München hat mit 28 Sozialwohnungen auf 1.000 Einwohner die schlechteste Versorgung in Deutschland“, so Falterbaum. In Berlin seien es 33, in Hamburg sogar 45. "Warum nicht mehr Parkplätze überbauen wie am Dantebad, das war doch eine gelungene Maßnahme.“
Thema Kinder
"Regelrecht aus der Stadt getrieben" würden durch die hohen Mieten und Lebenshaltungskosten auch Familien mit Kindern. Kostenlose Kitas, wie die Stadt sie eingeführt hat, würden da allein nicht weiterhelfen. Falterbaum: "Wir brauchen auch eine verlässliche personelle Ausstattung, damit auch Kinder mit Förderbedarf am Leben in einer Kita gleichberechtigt teilhaben können.“
Thema München-Zulage
Dass städtische Mitarbeiter inzwischen eine doppelte München-Zulage bekommen, begrüßt die Caritas zwar. Aber wie OB Dieter Reiter (SPD) den Geldregen angepackt hat – ohne Absprache mit den Wohlfahrtsverbänden – sei "sehr fragwürdig“, so der Caritasdirektor, "dafür würde ich keine Note Eins geben“. Es sei "nicht akzeptabel, dass Wahlgeschenke verteilt werden, die jetzt teilweise andere bezahlen müssen. "Für die Sozialarbeiter, Erzieherinnen oder Heilpädagogen der Sozialverbände etwa, die die gleiche Arbeit machen wie städtische Mitarbeiter, aber deren Gehälter nicht über die Stadt refinanziert werden, bleiben die Verbände auf den Zusatzkosten sitzen. "Wir erwarten allein bei der Caritas für München und Oberbayern Mehrkosten in Millionenhöhe“, so Falterbaum.
Thema Ehrenamt
Deutlich mehr Anerkennung fordert die Caritas für Münchens Ehrenamtler. Allein im Caritasbereich Mitte, der sich um die Viertel zwischen Altstadt, Schwabing, Neuhausen und Milbertshofen kümmert, unterstützen 400 Ehrenamtler die 190 hauptamtlichen Mitarbeiter. Darunter Schuldenberater, Helfer in der Radl-Werkstatt und im Tafelprojekt Manna. Für sie müsste die Stadt beispielsweise Koordinatoren verlässlich finanzieren.
Der Verband selbst startet dazu nun die Kampagne "Sei gut, Mensch!". "Heute wird das Wort Gutmensch dazu genutzt, Andersdenkende und -handelnde pauschal zu diffamieren“, kritisiert Falterbaum. "Aber Menschen, die Gutes tun, sind keine Träumer und Spinner. "Die Kampagne solle die ursprünglich positive Bedeutung des Begriffs wiederherstellen.
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