Münchner Tafel: Das Gesicht der Armut hat sich verändert
München - Bereits seit 25 Jahren lindert die Münchner Tafel Not. Begonnen hat es 1994 mit einer Hand voll engagierter Menschen. Heute hilft der gut organisierte Verein Tausenden und rettet dabei 6,5 Millionen Kilo Lebensmittel vor dem Müll.
Am Mittwoch beantworteten Tafel-Chefin Hannelore Kiethe, Schirmherrin Gabriele von Habsburg und Babynahrungshersteller Claus Hipp im Presseclub Fragen.
Wer kommt zur Tafel?
"Zwei Drittel sind alt, krank oder alleinerziehend", sagt die Tafel-Vorsitzende Hannelore Kiethe. Auch viele Akademiker seien unter den "Gästen", wie sie bei der Tafel genannt werden. "Es kommen Menschen, die durchs Raster fallen, einen Bruch im Leben haben, arbeitslos geworden sind. Das zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten", sagt Kiethe. Claus Hipp: "Auch Menschen, die früher vermögend waren, sind nicht davor gefeit." 7.000 der rund 20.000 Tafel-Gäste sind Kinder.

Wie hoch ist der Ausländeranteil?
Bei 50 Prozent, schätzt die Tafel-Chefin. "Sie nehmen die Hilfe sehr dankbar an." Zu den Vorkommnissen in Essen, wo der dortige Tafel-Chef 2017 einen "Ausländerstopp" aussprach, sagt sie: "Jeder, der bedürftig ist, hat das Recht, zu uns zu kommen." Chaotische Zustände wie damals in Essen gebe es in München nicht. "Es ist sehr selten, dass sich ein Gast wild aufführt", sagt sie. Dann gibt's einen Platzverweis.
Wie hat sich das Gesicht der Armut in 25 Jahren verändert?
"Als wir anfingen, waren die Brennpunkte das Hasenbergl und die Blumenau." Vor allem ältere Frauen seien gekommen, darunter Erntehelferinnen mit völlig verkrümmten Rücken. Heute haben die Helfer in allen Vierteln Ausgabestellen – insgesamt 27 und auch in Grünwald oder Bogenhausen.
Wann stiegen die Zahlen?
"Als Hartz IV eingeführt wurde, kamen 40 Prozent mehr Menschen zu uns", sagt Kiethe.

Lange Wartelisten bei der Tafel
Wird verhindert, dass Menschen kostenlos Lebensmittel beziehen, die nicht arm sind?
Wer zur Tafel kommt, muss seine Bedürftigkeit belegen. "Sonst wäre die Essensausgabe willkürlich, das geht nicht", erklärt die Tafel-Chefin. Die Tafel-Gäste leben von 424 Euro Grundsicherung (nachdem die Miete, Heiz- und Telefonkosten abgezogen sind).
Gibt es Wartelisten?
Ja, mit mehr als 100 Menschen. Der Verein versucht sie schnell abzuarbeiten. "Manche, die in sehr jämmerlichem Zustand sind, nehmen wir sofort rein."

Einige Supermärkte versuchen, weniger wegzuwerfen als früher. Spürt der Verein das?
Ja. Das bedeutet, dass die Tafel mehr dazukaufen müssen. "Ohne Sponsoren würden wir nicht auskommen." Bereits jetzt werden Grundnahrungsmittel wie Kartoffeln, gelbe Rüben und Zwiebeln dazugekauft.
Warum unterstützt Claus Hipp den Verein seit 24 Jahren?
Der Unternehmer spendet Lebensmittel und Gläschen mit Babykost, die auch von vielen Senioren gern gegessen wird. "Ich weiß, wie Not riecht und schmeckt", sagte er. "Nach dem Krieg hat meine Mutter sich vor allem um Flüchtlinge gekümmert. Jeden Tag ist sie mit Suppen auf dem Leiterwagen zu den Baracken gegangen. Ich war oft mit." Er habe das Projekt Tafel für gut befunden, seitdem macht er mit.
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