Cannabis-Legalisierung seit dem 1. April: Was dies für die Polizei und Justiz in München bedeutet

Seit dem 1. April 2024 ist Cannabis in Deutschland teilweise legal. Doch führt das neue Gesetz dazu, dass Polizei und Justiz in München künftig weniger Arbeit haben werden?
von  André Wagner
Dieser Demonstrant für die Cannabis-Legalisierung sieht die Situation ganz entspannt, die beiden Polizisten weniger.
Dieser Demonstrant für die Cannabis-Legalisierung sieht die Situation ganz entspannt, die beiden Polizisten weniger. © Carsten Koall (dpa)

München – Nun ist es also amtlich, nachdem der Bundesrat am Freitag grünes Licht gegeben hat, ist  das umstrittene Gesetz über die Legalisierung von Cannabis wie geplant zum 1. April in Kraft getreten. Für eine Anrufung des Vermittlungsausschusses gab es im Bundesrat keine Mehrheit. Nur Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg und das Saarland stimmten dafür, das Gesetz zu Nachverhandlungen noch einmal in das Kompromissfindungsgremium von Bundestag und Bundesrat zu schicken.

Das Gesetz besagt unter anderem, dass Erwachsene ab 18 Jahren künftig bis zu 25 Gramm Cannabis zum eigenen Verbrauch bei sich haben und zu Hause bis zu 50 Gramm aufbewahren können. Im Eigenanbau werden drei Pflanzen erlaubt. 

Ab dem 1. Juli soll es dann möglich sein, mit bis zu 500 Personen gemeinschaftlich in Anbauvereinigungen Pflanzen zu züchten. Mitglieder dürfen dann 25 Gramm pro Tag und 50 Gramm im Monat gegen ein Entgelt beziehen. Bei Erwachsenen bis 21 Jahren ist die Abgabe auf 30 Gramm pro Monat beschränkt und der THC-Gehalt darf zehn Prozent nicht überschreiten.

Führt die teilweise Legalisierung von Cannabis zu weniger Arbeit für die Polizei?

Der öffentliche Konsum wird mit Beschränkungen erlaubt. In Sichtweite von Kinder- und Jugendeinrichtungen sowie Sportstätten ist kiffen nicht erlaubt. In Fußgängerzonen darf ab 20 Uhr konsumiert werden. Für Minderjährige bleibt Cannabis weiterhin verboten.

 

Von der Polizei München wurde der Sicherheitsreport 2023 vorgestellt. Neben einem generellen Anstieg der Kriminalität in der bayerischen Landeshauptstadt, nahmen auch die Rauschgiftkonsumdelikte zu. Insgesamt 8376 Vorfälle weist der Sicherheitsreport für das vergangene Jahr auf, alleine 6827  davon standen im Zusammenhang mit der Droge Cannabis. Im Zehnjahresvergleich ist das ein Plus von 27,7 Prozent, im Vergleich zu 2022 ein Anstieg von 8,5 Prozent. 

Polizeipräsident von München besorgt wegen Cannabis-Legalisierung : "Wird uns massiv beschäftigen"

Wenn nun seit dem 1. April 2024 der Cannabis-Konsum für Erwachsene ab 18 Jahren legalisiert ist, ist dann auch mit weniger Arbeit für die Polizei in München zu rechnen? Nicht wirklich, sondern eher im Gegenteil! Die Freigabe von Cannabis bereitet der Münchner Polizei bereits jetzt große Sorgen. "Die wird uns massiv beschäftigen", warnt Polizeipräsident Thomas Hampel.

Grund dafür sind die teils komplizierten Regelungen um die Teillegalisierung. So dürfte es künftig für die Polizeibeamten schwierig werden zu kontrollieren, ob es sich um Cannabis aus legalen Bezugsquellen handelt oder Stoff vom Schwarzmarkt. Zudem werde es zusätzlichen Aufwand bedeuten, die Bereiche zu überwachen, in denen es weiterhin verboten bleibt, einen Joint zu rauchen, beispielsweise in der Nähe von Schulen, Kindergärten, Kitas oder Spielplätzen. Vor welche Herausforderungen die 100-Meter-Verbotszone Polizisten wie auch Kiffer stellen dürfte, zeigt eine Karte, die die Bereiche in der Landeshauptstadt kenntlich macht. Viele rote Zonen auf der "Bubatz-Karte" machen deutlich, dass nicht viel Raum für den Cannabis-Konsum in München bleibt und damit auch der Kontrollaufwand für Polizisten in der Landeshauptstadt nicht sinken wird.

Viele Überstünden und viele Fälle wegen reiner Konsumdelikte 

Das sind schlechte Nachrichten für die Ordnungshüter in München, die laut Polizeibericht bereits 700.000 Überstunden im letzten Jahr gesammelt haben. Im Schnitt macht das 125 Stunden pro Beamten oder zusätzliche 15,6 Urlaubstage. Bei der Zahl der gestiegenen Straftaten (10,9 Prozent mehr im Vergleich zu 2022 im Landkreis) kommt jetzt noch der Mehrbedarf im Bereich Cannabis-Konsum hinzu.

Wie sehr Beamte durch das Thema Cannabis-Konsum in München jetzt schon beschäftigt sind, zeigt ein genauerer Blick auf Zahlen aus dem Kriminalitätsreport 2023: Von den 6.827 Rauschgiftdelikten in Zusammenhang mit Cannabis sind fast 90 Prozent (6.022 Fälle) reine Konsumdelikte. Um welche Cannabis-Menge es dabei ging, ist nicht in Erfahrung zu bringen. "Leider können wir Ihnen die Aufschlüsselung der Delikte nach der Menge nicht anbieten". Diese liege nicht vor, so das Polizeipräsidium gegen der AZ.

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In Berlin: Bei 80 Prozent der Cannabis-Delikte nur wenige Gramm

Klar ist jedoch, dass die zukünftig erlaubte Menge wohl einen Großteil der bisherigen Delikte abdecken dürfte. Denn mit der Teil-Legalisierung "soll Erwachsenen künftig der Besitz von bis zu 50 Gramm Cannabis für den Eigenkonsum im privaten Raum erlaubt werden. Im öffentlichen Raum soll die Höchstgrenze bei 25 Gramm liegen", wie beim Bundestag zum neuen Gesetz nachzulesen ist. Auch wenn die konkreten Zahlen für München nicht bekannt sind, dürfte die festgestellte Menge bei den registrierte Cannabis-Delikten 2023 sich wohl unter dieser Grenze befinden. Das legt zumindest ein Blick in die Bundeshauptstadt nahe.  Wie der "Tagesspiegel" berichtet, wurden in Berlin im letzten Jahr 9000 Straftaten wegen Cannabiskonsums registriert. Aber: In mehr als 80 Prozent der Fälle, soll es um den Besitz weniger Gramm gegangen sein.  

Wie sieht es mit Cannabiskonsum bei Kfz-Fahrern aus?

Und noch ein aktuell ungeklärtes Problem dürfte Polizisten Sorgenfalten auf die Stirn zaubern: Cannabis-Konsum im Straßenverkehr. Das am 1. April in Kraft tretende Gesetz sieht vor, dass vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) auf wissenschaftlicher Basis ein THC-Wert für das Führen von Kraftfahrzeugen ermittelt wird. Eine unabhängige Expertengruppe des BMDV kam jetzt überein, dass der Grenzwert im Straßenverkehr bei 3,5 Nanogramm pro Milliliter Blutserum für den Cannabis-Wirkstoff THC liegen solle. Vom Risiko her sei das vergleichbar mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille. 

Den Experten zufolge soll mit diesem Wert ermöglicht werden, dass nur diejenigen sanktioniert werden , bei denen der Cannabiskonsum "in einem gewissen zeitlichen Bezug zum Führen eines Kraftfahrzeugs erfolgte".  Hintergrund ist, dass THC bei regelmäßigem Konsum noch mehrere Tage nach dem letzten Konsum nachweisbar ist. Mit dem Grenzwert von 3,5 Nanogramm solle daher erreicht werden, dass – anders als bei der aktuellen Schwelle von 1 Nanogramm – nur diejenigen herausgefiltert werden können, bei denen eine "verkehrssicherheitsrelevante Wirkung" möglich sei.

Außerdem empfehlen die Experten der Kommission ein absolutes Alkoholverbot am Steuer für Cannabiskonsumenten, um so Gefahren durch Mischkonsum zu vermeiden.

Im nächsten Schritt muss das Straßenverkehrsgesetz mit Hinblick auf den vorgeschlagenen Grenzwert geändert werden. Aktuell ist das Fahren eines Autos unter Drogeneinfluss generell verboten.  Bei 

Wem im Straßenverkehr Drogen wie Cannabis im Blut nachgewiesen werden, zukünftig dann oberhalb des Grenzwertes von 3,5 Nanogramm, der hat eine Ordnungswidrigkeit begangen. Ersttätern drohen dann ein Bußgeld von 500 Euro, zwei Punkte in Flensburg und ein Monat Fahrverbot. Bei Wiederholungen fallen die Strafen entsprechend höher aus.

Durch die teilweise Legalisierung von Cannabis geht man bei der Polizei davon aus, dass es zu einem erheblichen Anstieg von Fahrten unter Drogeneinfluss kommen könnte, verbunden mit einem Anstieg der Unfall- und Verletztenzahlen, was wiederum mit mehr Arbeit für die Polizei einhergeht. 

Amnestie: Auf die Staatsanwaltschaft München wartet jede Menge Extraarbeit

Aber nicht nur auf die Polizei, sondern auch auf die Münchner und bayerische Justiz kommt Mehrarbeit zu. Da das Gesetz rückwirkend gilt, sieht es auch eine Amnestie für vergangene Drogendelikte mit Cannabis vor. Dies bedeutet, dass bereits verhängte Haft- und Geldstrafen wegen Vergehen, die nach dem neuen Cannabis-Recht nun nicht mehr strafbar sind, erlassen werden sollen. Diese Amnestie gälte für Strafen, die noch nicht (vollständig) vollstreckt sind. Eine Haft müsste somit nicht oder nicht weiter verbüßt werden, auferlegte Geldstrafen wären hinfällig. Zudem sollen Betroffene beantragen können, dass entsprechende Einträge im Bundeszentralregister getilgt werden, was sich als relevant für Führungszeugnisse erweist.

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Wie BR24 berichtet, muss alleine die Staatsanwaltschaft München I 3900 Fälle händisch sichten. "3.900 (Verfahren) x 10 Minuten (Arbeitszeit) = 39.000 Minuten = 650 Stunden = Wochenarbeitszeit von rund 16 Arbeitskräften", rechnet Oberstaatsanwältin Anne Leiding dem BR vor. Und damit sind noch keine Entscheidungen getroffen worden, diese Zeit wird alleine dafür benötigt, die Verfahren zu identifizieren, bei denen eine Neufestsetzung überhaupt in Betracht komme. Diese Neufestsetzung selbst werde bei der Staatsanwaltschaft und bei Gericht ebenfalls erhebliche Kapazitäten binden.

Bayerns Polizei nimmt Cannabis-Delikte noch bis 31. März auf.

Trotz künftiger Amnestie wird die bayerische Polizei bis 31. März noch entsprechende Cannabis-Verstöße aufnehmen und mit einem Aktenzeichen versehen. "Die Polizei ist verpflichtet, entsprechende Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz auch dann zur Anzeige zu bringen, wenn sich die Rechtslage in absehbarer Zeit ändern sollte", sagte ein Sprecher des bayerischen Innenministeriums auf Anfrage der Mediengruppe Bayern.  Und dies wird für weitere Fälle und neue zu untersuchende Akten bei der Staatsanwaltschaft führen wird. 

Also nix mit weniger Arbeit, das neue Cannabis-Gesetz wird für Polizei und Justiz vor allem in der Anfangsphase jede Menge Mehrarbeit mit sich bringen.

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