Busse fallen aus, Notfahrpläne sind Alltag: Die Lage beim ÖPNV in München und Bayern spitzt sich zu
München — Mehr Busse und Bahnen und höhere Taktfrequenzen im ÖPNV sind notwendig, wenn die Verkehrswende gelingen soll. Darin sind sich alle Fachleute einig. Doch derzeit passiert genau das Gegenteil: Überall warten Fahrgäste vergebens auf ihren Bus oder ihre Tram.
Im ganzen Freistaat müssen Fahrten ausfallen, weil es nicht genügend Fahrer oder auch Mitarbeiter in den Werkstätten der ÖPNV-Betriebe gibt, wie eine Umfrage der AZ zeigt. Die Betreiber legen immer größere Kreativität an den Tag, um die Personallücken zu stopfen.
MVV schlägt Alarm: Busse und Trams in München fallen aus – weil Personal fehlt
Von den Personalengpässen Besonders betroffen sind die Münchner Fahrgäste. An einem Tag sind zum Beispiel nach Angaben der Stadtwerke München 16 von 504 Bussen ausgefallen, weil kein Fahrer präsent war, bei der Straßenbahn fünf von 90.
Ob der Fahrplan eingehalten werden kann, zeige sich von Tag zu Tag neu, so die Stadtwerke. Im gesamten Tarifgebiet des Verkehrsverbunds MVV waren in der vergangenen Woche auf 37 von 311 Regionalbuslinien "Ersatzfahrpläne" in Kraft. Unangenehm für die Fahrgäste: Die Ausfälle sind "kurzfristig". Betroffen sind überwiegend Regionalbuslinien.
In Augsburg fahren die Regionalbusse bereits nach "Notfahrplan"
Auch einige Regionalbuslinien des Augsburger Verkehrs- und Tarifverbunds werden derzeit nach "Notfahrplan" betrieben, teilte der AVV mit. Die Ausfälle seien "schwer prognostizierbar". In der drittgrößten Stadt Bayerns geht man davon aus, dass "sich die Lage im Laufe dieses Jahres und der kommenden Jahre noch weiter verschärfen wird".
Vereinzelte Engpässe melden auch der Verkehrsverbund Großraum Ingolstadt (VGI). Bei einer Umfrage unter den größeren Verkehrsbetrieben im Freistaat teilten lediglich die Stadtwerke Landshut mit, dass es "bisher zu keinen Fahrplanausfällen gekommen" sei.
Verkehrsunternehmen werden bei der Bewerbersuche erfinderisch
Es gebe kaum ein Unternehmen, das von den Personalengpässen nicht betroffen sei, sagt Burkhard Hüttl, Geschäftsführer des Landesverbands Bayern Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Neben einer bundesweiten VDV-Arbeitgeberinitiative ließen sich die einzelnen Betriebe eine Vielzahl von Maßnahmen einfallen, um Personal zu rekrutieren. So hätten einige Unternehmen eigene Fahrschulen eingerichtet, Bewerbungsbusse und -straßenbahnen seien unterwegs, nach Busfahrern werde in Spanien und anderen Ländern geworben und falls ein potenzieller Bewerber umziehen wolle, greife man ihm mit günstigen werkseigenen Wohnungen unter die Arme.
Besonderen Erfindungsreichtum legt die Verkehrs-Aktiengesellschaft Nürnberg (VAG) an den Tag. Die Nürnberger sind auf allen erreichbaren Sozialen Medien, mittels eines Blogs und des eigenen Podcasts "Busfunk" unterwegs, um Bewerber anzusprechen. Die Zeit drängt, bis zum Oktober müssen mindestens 14 Bus- und zwei Straßenbahnfahrer gefunden werden.
Bis zu 1000 Euro: Verkehrsunternehmen versprechen Prämien für Empfehlungen
Eine spezielle Nürnberger Erfindung ist das Mitarbeiter-Empfehlungsprogramm "Kennst wen?". 1000 Euro Prämie winken dem VAG-Beschäftigten, auf dessen Empfehlung hin ein Arbeitsverhältnis zustande kommt.
Auf die nach dem letzten Abschluss erhöhten Tarife packen etwa die Nürnberger noch diverse Zusatzleistungen obendrauf wie Unterstützung bei der Kinderbetreuung und der Pflege von Angehörigen, Freifahrt auf allen Linien und vergünstigte Tickets für Familienangehörige, bezuschusstes Deutschlandticket und Fahrradleasing.
Busfahrschule der MVG möchte auch Studierende, Rentner und Geflüchtete aufnehmen
Die Busfahrschule der Münchner MVG arbeitet mit externen Fahrschulen zusammen und will weitere Zielgruppen erschließen – "auch Studierende und Rentner". In einem Projekt mit der Agentur für Arbeit werden Geflüchtete zum Busfahrer ausgebildet.
Auch jenseits der Personalakquise werden alle Hebel in Bewegung gesetzt, um Fahrgäste nicht an den Haltestellen stehen lassen zu müssen. In Augsburg versucht man, bei der Ausschreibung von neuen Verkehren verstärkt Gelenkbusse unter Vertrag zu nehmen, um mehr Fahrgäste mit weniger Fahrern zu befördern, was – so der AVV – aber "nur bedingt" funktioniere. Zudem setze man verstärkt auf den Einsatz von Bedarfsverkehren, da hier die Fahrer "nur einen Personenbeförderungsschein und keinen Busführerschein" benötigten.
Kurzfristig aber wird das Problem nicht zu lösen sein, sind sich die ÖPNV-Manager einig. Von einer Entspannung bis zum Ende der Schulferien könne man nicht ausgehen, teilte die Münchner MVG mit.
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