Bürgerbegehren: Der Kohle-Kampf im Norden

München - Ein riesiges silbergraues Industrieareal in Unterföhring an der nördlichen Münchner Stadtgrenze. Drei 120-Meter-Schlote, aus denen Tag und Nacht Rauch quillt:
Im Heizkraftwerk-Nord (HKW) verfeuern die Stadtwerke (SWM), ein kommunales Unternehmen der Stadt München, nicht nur Müll aus München und der Region. Sondern stündlich auch 100 Tonnen Steinkohle aus den USA, Russland und Tschechien.
Block 2 produziert ein Drittel des Stroms, den München verbraucht
800 000 Tonnen im Jahr wandern in den Heizkessel in Block 2, und produzieren über Kraft-Wärme-Kopplung Fernwärme für München und ein Drittel des Stroms, den die Stadt verbraucht.
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Der unschöne Nebeneffekt: Block 2 bläst dabei trotz aufwendigster Rauchgasreinigung jährlich 2,5 Millionen Tonnen des Klimakillers Kohlendioxid (CO2) in die Luft. Das sind 17 Prozent des Münchner CO2-Ausstoßes – und mehr, als der gesamte Verkehr am Mittleren Ring verursacht. Dazu andere Schadstoffe wie Staub, Stickoxide oder Quecksilber.
Keine angenehme Bilanz für ein kommunales Unternehmen, das sich seiner Windparks und Geothermiepläne rühmt, und bis 2025 den Strombedarf Münchens (und bis 2040 auch Fernwärme) aus regenerativen Quellen decken will.
Ende November haben Umweltaktivisten um die ÖDP deshalb das Bürgerbegehren „Raus aus der Steinkohle“ gestartet – und bisher schon 7500 Unterschriften gesammelt. Wenn sich drei Prozent der 1,1 Millionen wahlberechtigten Münchner eintragen, kommt es zum Bürgerentscheid.
Das Ziel: Durchzusetzen, dass Block 2 nicht, wie geplant, bis 2035 weiterlaufen darf, sondern schon Ende 2022 abgeschaltet wird – und dann umrüstet auf klimafreundlicheres Erdgas. Bis zum Sommer will das Bündnis aus rund 40 Organisationen die nötigen rund 30 000 gültigen Stimmen gesammelt haben.
Die Stadtwerke bauen einen Mega-Windpark in Wales
Der rege Aktivisten-Zulauf bringt die Werke und ihren Versorgungs-Geschäftsführer Stephan Schwarz zunehmend in Bedrängnis. „Dieses Bürgerbegehren schießt auf die Falschen“, sagt er. „Block 2 ist einer der saubersten in Europa. Wir leiten keine Schadstoffe ins Abwasser. Wir haben eine der modernsten Rauchreinigungsanlagen. Was die Luftschadstoffe betrifft, liegen wir weit unter allen Grenzwerten, da sind wir nicht angreifbar.“
Die SWM beziehen sich, unterstützt von der Münchner Rathaus-GroKo aus SPD und CSU, auch auf ein Gutachten des Öko-Instituts. Das kommt zum Schluss, dass eine vorzeitige Stilllegung des Kohleblocks 2 den SWM aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist.
Würden sie die Kohleverbrennung vorzeitig beenden, müssten sie auf 55 bis 600 Millionen Euro Gewinn verzichten. „Geld, das wir in den U-Bahnbau stecken können oder in die Bäder-Sanierung“, argumentiert Schwarz.
Solange kein neues Gesetz allen deutschen Kohlekraftwerken niedrigere Grenzwerte vorschreibe, mache eine Abschaltung gerade in München „überhaupt keinen Sinn“.
Die Kohleblock-Gegner lassen sich davon nicht beeindrucken – und sammeln weiter Stimmen.