Braucht München das neunjährige Gymnasium?

Das Pilotprojekt "Mittelstufe Plus" gibt Gymnasiasten ein Jahr mehr Lernzeit. In München ist keine Schule dabei – unfair, sagen die Freien Wähler.
von  Lisa Marie Albrecht
G8 oder G9? Wenn es nach Kultusminister Spaenle geht, steht das nicht zur Diskussion.
G8 oder G9? Wenn es nach Kultusminister Spaenle geht, steht das nicht zur Diskussion. © dpa

München - Fünftklässler, die jeden Tag Nachmittagsunterricht haben. Wochenenden, die komplett durchgelernt werden müssen, weil am Montag die Prüfung ansteht. Das Hobby, das man aufgeben muss, weil es in die Qualifikationsphase fürs Abi geht: Seit im Schuljahr 2004/2005 das G8 in Bayern eingeführt worden ist, kritisieren Eltern und Schüler Lerndruck und fehlende Freizeit.

 

"Mittelstufe Plus" an 47 bayerischen Gymnasien

 

Mit dem Pilotprojekt "Mittelstufe Plus", das zu Beginn des Schuljahrs 2015/16 startete, erhalten Schüler in der Mittelstufe ein Jahr mehr Lernzeit, um den Stoff intensiver aufzuarbeiten. 47 Gymnasien in ganz Bayern nehmen an dem zweijährigen Testlauf teil, rund 60 Prozent der Schüler nutzen das Angebot. Aber: Keine einzige Münchner Schule ist dabei.

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Für den Freie Wähler-Abgeordneten Michael Piazolo ist das nicht repräsentativ – denn in München lebt ein Siebtel der bayerischen Bevölkerung. Die Freien Wähler haben eine Petition gestartet, die eine nachträgliche Aufnahme von mindestens fünf Schulen aus Stadt und Landkreis München zum kommenden Schuljahr fordert.

Das Bayerische Kultusministerium hält dagegen: Keines der Münchner Gymnasien habe sich für das Pilotprojekt beworben. "Ich kann die Schulen nicht zwingen", sagt Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) der AZ. Für den Pilotversuch sei es entscheidend, ein möglichst breites Spektrum der Schullandschaft einzubeziehen, und das sei auch ohne München gewährleistet.

 

Wunsch nach Gymnasium "aus einem Guss"

 

Die Gründe für die fehlenden Bewerbungen waren unter anderem Thema bei einem Werkstattgespräch der Freien Wähler mit Eltern-und Schülervertretern: Die Gymnasien hätten derzeit einfach andere Probleme, wie Raumnot und Lehrermangel, und könnten sich nicht um ein Mittelstufe-Plus-Konzept kümmern, sagt Erich Pfaffenberger, Elternbeiratsvorsitz am Ludwigsgymnasium.

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Ebenfalls diskutiert wurde, ob eine generelle Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium nicht die sinnvollere Alternative wäre. Viele sprachen sich für das G9 aus, etwa Max Schmidt vom Bayerischen Philologenverband: "Wir sehen die Mittelstufe Plus als Zwischenschritt. Wir wünschen uns ein Gymnasium aus einem Guss."

Für Spaenle ist diese Diskussion jedoch längst veraltet: "Die Frage nach einem verbindlichen G8 oder einem G9 für alle halte ich für überholt. Es geht nicht um die gymnasiale Laufzeit, sondern um die individuelle Lernzeit. Wir sollten den Schülern, die mehr Zeit brauchen, die Möglichkeit geben – und nicht alte Glaubenskriege führen."

Die Mittelstufe Plus läuft noch bis Ende des Schuljahres 2016/2017. Ob das zusätzliche Lernjahr danach an allen bayerischen Gymnasien angeboten werden soll, ist noch offen.

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