Blindverkostung mit überraschendem Ausgang: Wie Oatly um die Gunst der Münchner kämpft

Der Lebensmittelkonzern Oatly zeigt den Münchnern, dass sie lieber Hafer als Milch in ihrem Kaffee trinken – mit psychologischer Unterstützung.
Ruth Frömmer
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
1  Kommentar
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Bei einer Blindverkostung servierte das Giorgia-Team zweimal Kaffee: mit Kuhmilch und mit Haferdrink.
Bei einer Blindverkostung servierte das Giorgia-Team zweimal Kaffee: mit Kuhmilch und mit Haferdrink. © Daniel von Loeper

München - Vielleicht sind Ihnen in der Stadt schon die Plakate aufgefallen. Ein Mann mit einer Mütze bis ins Gesicht, eine Frau mit ein paar Badelatschen über den Augen, eine andere mit einem Karton über dem Kopf. Alle drei halten einen Tetrapack Haferdrink der Marke Oatly in die Kamera. Daneben ist zu lesen, dass bei einer Blindverkostung 53 Prozent der Probanden Oatly anstelle von Kuhmilch bevorzugen würden.

Das ist natürlich Werbung. Aber die AZ hat nachgehakt. Tatsächlich wurde besagte Studie von einem seriösen Marktforschungsinstitut, GIM, mit 300 Teilnehmern in ganz Deutschland durchgeführt.

Zur Untermauerung dieser doch recht ungewöhnlichen Kernbotschaft sind in der vergangenen Woche Vertreter des schwedischen Lebensmittelkonzerns nach München gekommen – und haben dafür sogar die Psychologin Franca Cerutti angeheuert.

Lebensmittelkonzern in München: Die Slogans von Oatly waren immer provokativ

Gegründet wurde der Hersteller von Milchalternativen auf Haferbasis Mitte der neunziger Jahre. Seit 2021 ist Oatly an der Börse. 2015 erregte eine Kampagne von Oatly großes Aufsehen. Die Slogans waren provokativ: „No milk. No soy. No badness.“ („Keine Milch. Kein Soja. Keine Schlechtigkeit“, die Red.) oder „Wie Milch, nur für Menschen statt für Kälbchen“.

Die Psychologin Franca Cerutti ist nach München gekommen, um die Botschaft des Haferdrink-Herstellers Oatly psychologisch zu untermauern. Bei einem veganen Brunch in der Trattoria Giorgia gab sie Anregungen zum Umdenken.
Die Psychologin Franca Cerutti ist nach München gekommen, um die Botschaft des Haferdrink-Herstellers Oatly psychologisch zu untermauern. Bei einem veganen Brunch in der Trattoria Giorgia gab sie Anregungen zum Umdenken. © Daniel von Loeper

Eine große Milchhandelsorganisation klagte dagegen. Oatly verlor den Rechtsstreit und darf seitdem nicht mehr behaupten, dass Milch schlecht für die Menschen sei. Ein neuer Ansatz musste her.

Als Nächstes stellte das Unternehmen die Klimaschutzvorteile von Hafermilch in den Vordergrund und forderte öffentlichkeitswirksam im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages, dass sämtliche Lebensmittel mit ihrem CO2-Fußabdruck gekennzeichnet werden müssen.

Oatly selbst steht immer wieder in der öffentlichen Kritik. Darin geht es um Greenwashing-Vorwürfe einerseits und fragwürdige Investoren andererseits. Anscheinend bringen ethische Aspekte und politische Einmischung nicht genug Menschen dazu, Milchersatzprodukte tatsächlich zu kaufen. Darum setzt die neue Kampagne nun auf den Faktor Geschmack.

Lesen Sie auch

Und wo, wenn nicht in der Genuss-Stadt München stößt man damit auf viele offene Ohren, dachte sich das Unternehmen. Bei einem rein veganen Brunch in der kunterbunten Trattoria Giorgia in Haidhausen durfte sich eine Runde ausgewählter Journalisten nicht nur durchs Oatly-Sortiment probieren, sondern tatsächlich auch an der beworbenen Blindverkostung teilnehmen.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Die beiden servierten Kaffees schmecken sehr unterschiedlich

Nacheinander servierte das Giorgia-Team den Teilnehmern zwei Tassen Kaffee, jeweils mit der gleichen Menge Milch oder Haferdrink. Die Erste schmeckte mild und cremig. Aber die Reporterin bevorzugte die zweite Tasse, denn hier war der Eigengeschmack des Kaffees mit seinen Bitternoten stärker im Vordergrund.

Die Auflösung war überraschend: Tatsächlich war im ersten Kaffee Kuhmilch und im zweiten der Oatly-Barista-Haferdrink. Das hätte die Reporterin nicht gedacht, aber der Gaumen lügt nicht.

So ein Karton Haferdrink ist nicht nur zum Trinken da.
So ein Karton Haferdrink ist nicht nur zum Trinken da. © Daniel von Loeper

Franka Cerutti ist Psychotherapeutin, Autorin und Bloggerin. Auf Instagram betreibt sie den Kanal "Psychologie to go". Für Oatly ging sie in einem Vortrag der Frage nach, warum es den Menschen so schwerfällt, neue Gewohnheiten in ihren Alltag zu integrieren. Vieles habe mit dem Gehirn zu tun, das dafür sorgen muss, Risiken zu vermeiden und so Energie zu sparen, sprich nicht durch falsche Entscheidungen zu verschwenden.

Weil Ceruttis Motto "Psychologie to go" lautet, gab sie den Teilnehmern drei Tipps mit auf den Weg. Das erste Stichwort lautet Neugierde. Wer Dinge nicht unvoreingenommen auf sich zukommen lässt, verpasst gute Erfahrungen. Zweitens betont sie die Kraft der kleinen Schritte und drittens gibt sie den Tipp: Frag deine innere Oma oder deinen inneren Opa. Man möge also seine persönliche Zukunft im Blick haben.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Ganz schön viel Aufwand, um die Münchner für den Umstieg von Kuhmilch auf Haferdrink zu begeistern. "Ich würde das nur für Themen machen, die mir persönlich am Herzen liegen", sagt Cerutti zur AZ. Unterhaltsam fand die AZ die Veranstaltung auf jeden Fall. Ob am Ende der Haferdrink im Gedächtnis bleibt, wird sich noch zeigen.

  • Themen:
Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
1 Kommentar
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • AufmerksamerBürger am 27.11.2024 13:46 Uhr / Bewertung:

    Es schmeckt ganz anders als Kuhmilch und ist auch erheblich teurer.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.