Bissige Schildkröte: Münchner Lotti-Jäger in Irsee
Wo steckt sie denn bloß, die Geierschildkröte vom Oggenrieder Weiher? Experten, ein Spürhund sowie Freiwillige suchen sie – die AZ macht mit
Irsee - Die Schildkröten-Suche ist eine schmutzige Sache: Mit jedem Schritt versinken Markus Baur und sein Team von der Reptilienauffangstation tief im Uferschlamm des Oggenrieder Weihers. Mit langen Holzstöcken stochern die Tierärzte und Pfleger im Schlick und ins Wurzelwerk – irgendwo muss „Lotti“ doch stecken.
Die Reptilienexperten sind extra von München nach Irsee gereist, um die Alligatorschildkröte aufzuspüren, die am Montag vor einer Woche einen Buben so heftig in die Ferse gebissen hat, dass die Achillessehne durchtrennt wurde. Größe und Form der Wunde lassen Stations-Leiter Baur vermuten, dass der Übeltäter eine Geierschildkröte gewesen ist.
Allerdings stellt er gleich bei der Ankunft im Allgäu klar: „Wir sind nicht gekommen, um ein Monster oder einen Alien zu jagen. Wir sind hier, um eine seltene Schildkröte zu retten.“
Bei der Lagebesprechung mit Bürgermeister Andreas Lieb, dem Kommandanten der Feuerwehr, einem Vertreter des Landratsamtes und Hundeführer Wieland Schuhmeir erklärt der Münchner, wie der Unfall abgelaufen sein könnte: „Es ist denkbar, dass sich die Schildkröte im flachen Wasser des Kinder-Badebereichs gesonnt hat.“ Eigentlich interessiere sich das Reptil nicht für die Badegäste - wenn der Achtjährige aus Bonn ihr allerdings direkt vor den gebogenen Schnabel getappt sei, habe sie sich vermutlich bedroht gefühlt und deshalb zugebissen.
Für Schwimmer sei „Lotti“ deshalb kein Problem. „In Amerika gehen Menschen regelmäßig in Gewässern baden, in denen Riesenbrackl herumschwimmen“, sagt der Experte. Im Oggenrieder Weiher allerdings kann im Moment niemand schwimmen. Das Wasser wurde abgelassen, um „Lotti“ leichter auf die Schliche zu kommen.
Gesehen hat sie bislang jedoch niemand – die einzig sichtbaren Reptilien in Irsee sind an diesem Vormittag die Schildkröten-Semmeln auf dem Konferenztisch im Rathaus. Am Weiher sucht das Experten-Team dann Meter für Meter den Schlick ab – erst im Uferbereich, dann immer weiter gen See-Mitte. Bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe leider ohne Erfolg. Auch an der Stelle, an der Suchhund „Birka“ am Montag angeschlagen hat, ist von der Schildkröte nichts zu sehen.
Dabei war Hundeführer Schuhmeir so guter Dinge: „Der starke, ungewohnte Geruch eines Reptils weckt beim Hund Interesse.“ An besagter Böschung habe sein Deutsches Drahthaar „relativ heftig“ reagiert: „Birka ist schneller geworden, hat heftig mit der Rute gewedelt, und das zeigt mir eigentlich: Hier ist was.“ Doch diesmal hat sich Birka wohl getäuscht.
Wie geht es weiter, wenn weder Birka noch die Münchner Experten Lotti finden? Theoretisch kann eine Geierschildkröte jahrelang im Oggenrieder Weiher leben. Der Allgäuer Winter sei für den Panzerträger kein Problem, sagt Markus Baur – und ein Karpfen alle paar Wochen reiche dem Tier völlig aus.
Sollte sein Team unverrichteter Dinge abziehen müssen, schlägt der Stations-Leiter vor: „Am geschicktesten wäre es, jemanden im Sonnenstuhl am Ufer zu postieren, der den Weiher beobachtet.“ Seien Reporter und Schaulustige erst wieder verschwunden, werde Lotti schon auftauchen. „Momentan ist das Tier doch total in Panik.“
Damit die Irseer Verantwortlichen dann auch wissen, wie sie Lotti fangen können, haben die Münchner sie in die Reptilienauffangstation eingeladen, wo bereits vier Geierschildkröten leben – zur Präsentation am lebenden Objekt.
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