Münchner sollen Schnappschildkröte "Lotti" finden
Irsee - Irsees Bürgermeister Andreas Lieb ist genervt. „Sie glauben ja gar nicht, was hier los ist“, seufzt er ins Telefon, als gerade mal nicht besetzt ist: Am Oggenrieder Weiher treten sich Reporter und Schaulustige gegenseitig auf die Füße, selbst ernannte Reptilienexperten pirschen mit TV-Teams im Schlepptau um den Badesee. Mittendrin versuchen 15Feuerwehrler die Ursache des Aufruhrs aufzustöbern – Schildkröte „Lotti“ (so es sie denn gibt).
Ab heute werden die Allgäuer bei der Suche von ausgewiesenen Spezialisten unterstützt: Ein Team der Auffangstation für Reptilien rückt an. Deren Leiter Markus Baur hält es für möglich, dass es eine Geierschildkröte war, die am vergangenen Montag einen Bub aus Bonn im Weiher in die Ferse biss und dabei seine Achillessehne zweimal durchtrennte. Form und Größe der Verletzung ließen darauf schließen. Für eine Schnappschildkröte (ebenfalls eine Alligatorschildkröte) sei die Wunde eigentlich zu klein. Geierschildkröten sind im Südosten der USA zuhause, werden bis zu 75 Zentimeter groß und bis zu 100 Kilo schwer.
Sollte der Münchner richtig liegen, versteckt sich „Lotti“ vermutlich noch irgendwo am trockengelegten See. „Geierschildkröten sind Lauerjäger und nicht besonders bewegungsfreudig“, sagt Baur. Als Unterschlupf könnte ihr unterhöhltes Wurzelwerk dienen, eine unterspülte Uferpassage oder der Schilfgürtel, den die Feuerwehr gestern mit „Feuerklatschen“ durchkämmte.
Typisch für eine Geierschildkröte sei es, dass sie sich im Schlamm eingrabe, sagt Markus Baur. „Wenn man sie gesichtet hat, ist das Wichtigste, festzustellen, wo vorne und wo hinten ist. Ein Griff an den Kopf wäre fatal.“ Geierschildkröten besitzen nicht nur einen scharfen, gebogenen Schnabel, sondern auch ungeheuer viel Kraft. Um sie zu fangen, müsse man sie am Schwanz fixieren, den Körper vorsichtig „unterbuddeln“ und versuchen, sie am Panzer aus dem Schlamm zu ziehen, erklärt der Experte. „Geierschildkröten können nicht unter ihren Panzer beißen.“
Dann wird „Lotti“ wohl in der Münchner Auffangstation landen, die bereits vier Artgenossen beheimatet: „Jockel“ und „Susi“, die jeweils ein eigenes Becken bewohnen; „Berthold“, der mit zwei Kaimanen zusammenlebt – und „Eugenie“, die bei den Alligatoren untergebracht ist.
Ob auch „Lotti“ dort bleiben kann, hängt von ihrem Geschlecht ab. „Weibchen sind verträglicher. Zwei Männchen kann man nicht im selben Teich halten, die bringen sich um“, sagt Baur. „Für ein Männchen müssten wir einen Platz außerhalb Deutschlands suchen.“
In der Bundesrepublik ist die Haltung von Macrochelys temminckii verboten. Allerdings: Bis Redaktionsschluss ließ „Lotti“ sich nicht blicken. Gefangene Schildkröten gab es lediglich beim Irseer Bäcker – aus Semmelteig.
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