Bisse, Trennung, Kreuzverhör: Was Hundeführer bei der Polizei München auf sich nehmen müssen
München - Schlaflose Nächte, eine kaputte Rücksitzbank im Auto oder aus der eigenen Wohnung ausgesperrt werden: Das kennt die Münchnerin Laura R. (26) mittlerweile. Was für die einen wie ein Albtraum klingt, ist für Laura R. Realität – und damit ist sie überglücklich. R. macht derzeit eine Ausbildung zur Polizeihundeführerin. Seit April sind sie und der zweijährige Chabo nun ein Team. Lernen müssen sie beide noch viel. Aber die Liebe und der Respekt für einander wachsen jeden Tag.
Laura R.s Familie hatte früher einen Hund. Die 26-Jährige hat also Erfahrung mit Vierbeinern. "Aber das kann man überhaupt nicht vergleichen", sagt sie. Dennoch ist sie bereits mit dem Wunsch, Hundeführerin zu werden, zur Polizei gegangen: "Nach meinem Fachabitur war ich im Englischen Garten joggen. An dem Tag habe ich sowohl die Reiter- als auch die Hundestaffel gesehen. Es ist mir wie ein Blitz in den Kopf geschossen: Ich muss zur Polizei", erinnert sie sich.

Nicht jeder Polizist kann einfach Hundeführer werden
Zuerst ist sie im Streifendienst und in der Verkehrsüberwachung eingesetzt. Nach der Pandemie beschließt sie, sich als Hundeführerin zu bewerben – denn nicht jeder Polizist darf einfach Hundeführer werden. "Dafür werden die Beamten auf Herz und Nieren geprüft", sagt Laura R. Denn der Hund wird schließlich nicht nur zum Kollegen, sondern auch zum jahrelangen Mitbewohner.
Am Anfang steht das Gespräch mit dem Dienststellenleiter. "Die Fragen gehen sehr ins Private hinein, wie man das bei einem normalen Beruf nicht gewohnt ist. Gefragt wird nach der Lebenssituation, nach einem Partner, nach der Wohnung", erzählt sie. Denn die Aufgaben eines Hundeführers enden nicht mit dem Feierabend.
Auch mit dem Lebenspartner wird ein Gespräch geführt
Gibt der Dienststellenleiter grünes Licht, geht es mit einem Hundeführer auf Nachtschicht und ein Gespräch mit dem Partner wird geführt. "Auch der muss wissen, was es bedeutet, mit einem Diensthund zu leben. Auch die Lehrgänge nehmen viel Zeit ein. Partner sind dann räumlich getrennt", erklärt Christoph Lipp, Polizeihauptkommissar und selbst Hundeführer.
Im dritten Schritt musste R. einen Tag bei der Junghundeausbildung dabei sein. "Dann wird man in einen Beißanzug gesteckt und von einem Diensthund gebissen, um die Erfahrung zu machen. Das war sehr respekteinflößend. Schließlich hat mich alles in meiner Entscheidung bestärkt", sagt R.

Schließlich bekommt sie das Go. Ihr Partner und sie ziehen gemeinsam in eine größere Wohnung nahe am Feld, auch ein größeres Auto legt sich R. zu. Im April 2023 zieht schließlich der 35 Kilo schwere Schäferhund-Malinois-Mix Chabo ein. Seitdem erlebt sie jeden Tag hautnah, was ein Leben als Hundeführerin bedeutet.
Zuerst macht Chabo ein wenig Rabatz, zerlegt bei einer Kaffeepause die Hundebox im neuen Auto und die halbe Rücksitzbank. "Mit der Kastration wurde er dann etwas ruhiger", so R. Eine Umstellung ist es dennoch für sie.
Einen Diensthund zu halten erfordert viel Planung
Flugreisen, große Partys zu Hause oder eben einfach mal kurz Kaffee trinken gehen – mit einem Diensthund erfordert das viel Planung. Denn: Neben der zweijährigen Ausbildung, die Hund und Halter gemeinsam absolvieren, wird auch daheim weiter trainiert. Denn die beiden sollen zusammen ein Team bilden, welches im Ernstfall auch Verbrecher jagen kann. Die Ausbildung besteht aus drei Teilen: der Unterordnung, dem Stöbern nach Gegenständen und der Schutzhundausbildung.
In der Unterordnung lernt der Hund, nebenher zu laufen, die klassischen Kommandos und eben den Gehorsam seinem Herrchen gegenüber. Beim Stöbern nach Gegenständen wird der erste Grundstein für die Spezialausbildungen wie etwa bei einem Drogen- oder Sprengstoffhund gelegt. Durch spielerisches Arbeiten lernt der Hund, Dinge wie Schlüssel oder einen Handschuh zu erschnüffeln. Was das Schutzhund-Konzept bedeutet, durfte R. schon erfahren, bevor sie die Ausbildung anfing, nämlich in dem Beißanzug.

Chabo lernt, wie er kontrolliert zubeißt
Chabo lernt nun ebenfalls, wie er Kriminelle verbellt oder im Ernstfall sogar kontrolliert zubeißt. Ob R. da vor dem eigenen Hund nicht plötzlich Angst bekommt? "Bevor es losging, habe ich darüber nachgedacht. Stattdessen hatte ich ein riesen Erfolgserlebnis. Da habe ich so richtig gemerkt: Wow, wir sind ein Team!", sagt die Erstlingshundeführerin.
Eigener Hund ist übrigens nicht ganz richtig. Chabo gehört nämlich der Polizei. Für Futter, Ausrüstung und Spielzeug bekommt R. eine Pauschale gezahlt. Auch Tierarztkosten werden übernommen. "Selber gibt man trotzdem noch Geld aus. Für Leckerlis oder in meinem Fall ein orthopädisches Hundebett", erzählt die Polizistin und lacht.
Wie die Hundeführer die Tiere ernähren, bleibt ihnen selbst überlassen. "Hauptsache ist, dass ein Tier gesund ist", erklärt auch Hauptkommissar Lipp. Im Schnitt ist ein Polizeihund etwa zehn Jahre im Dienst, bevor er sozusagen in Pension geht; je nach gesundheitlicher Verfassung. Auch danach bleibt er im besten Fall bei dem Polizeibeamten, mit dem er sein Leben lang gearbeitet hat – bis der Hund schließlich stirbt.
Erstlingshundeführer bekommen keine Welpen
Davon ist R. natürlich noch weit entfernt, Chabo ist ja gerade mal zwei Jahre alt. Aber warum hat sie eigentlich keinen Welpen bekommen? "Erstlingshundeführer bekommen in der Regel Hunde, die bereits aus dem Welpenalter heraus sind und somit der Charakter der Tiere schon besser abschätzbar ist", so Lipp.
Außerdem werden den ganz jungen Hunden schon die wichtigsten Kommandos und Regeln beigebracht. Ebenso findet eine Umweltgewöhnung statt, beispielsweise an Rolltreppen, Tunnel oder den Verkehr. Hat ein Hundeführer Erfahrung, bekommt er auch einen Welpen zugewiesen.

Laura R. aber ist sowieso glücklich mit ihrem Chabo, "auch wenn er manchmal ein ganz schöner Schlawiner ist", sagt sie. Ihren Partner und sie habe er nämlich schon mal ausgesperrt, "weil er die Klinke von der Terrassentür zugemacht hat, als wir draußen waren."
Und dennoch: R. schwärmt sehr von ihrer Arbeit mit dem Tier. Wenngleich sie noch ganz am Anfang stehen. Hat ein Hund nämlich seine zweijährige Grundausbildung abgeschlossen, geht es an die Spezialisierung. Dann entscheidet sich, ob das Tier am Ende Sprengstoff, Rauschgift, Banknoten oder Menschen – tot oder lebendig – erschnüffelt. Auch das Schnüffeln nach Datenträgern können Hunde lernen. Seit 2022 gibt es in München einen Hund, der das kann.
Sprengstoff- oder Rauschgift-Spürhund? Das hängt vom Bedarf ab
R. hätte am liebsten, dass Chabo irgendwann Sprengstoff erschnüffeln kann. "Das ist sauberer als bei Rauschgift", sagt sie und erklärt: "Drogen befinden sich oft in unsauberen Wohnungen. Nach Sprengstoff wird häufig in Plenarsälen oder öffentlichen Gebäuden gesucht." Bei Rauschgift dagegen sind die sogenannten "Echterfolge" häufiger, erklärt Hauptkommissar Lipp, "Drogen findet man halt öfter als Sprengstoff."
Aussuchen kann sich das R. übrigens nicht. Hauptsächlich werden die Hunde nach Bedarf ausgebildet. Aber auch das Wesen der Hunde kann dabei eine Rolle spielen. Jetzt geht es erstmal für zwei Wochen in den Theorieteil. Bis sie gemeinsam zum Einsatz gerufen werden, vergehen noch knappe eineinhalb Jahre. Bis dahin darf sie noch Kollegen begleiten. "Umso mehr freue ich mich darauf, selber irgendwann Verbrechen aufzuklären – gemeinsam mit Chabo im Team!"