Bis zu 4.000 Sozialwohnungen in München falsch belegt?

München - Um die 380 Euro für eine Zwei-Zimmer-Altbauwohnung in Schwabing? Rund 500 Euro für drei Zimmer im Neubau in Riem?
Von solchen Sozialwohnungsmieten können die meisten Geringverdiener in München nur träumen. Fast 30.000 Singles, Paare und Familien haben letztes Jahr bei der Stadt einen Antrag auf eine solche Wohnung gestellt (9.845 Fälle sind besonders dringlich). Aber nur 2.577 hatten Glück und konnten eine Sozialwohnung ergattern, mehr werden pro Jahr nämlich einfach nicht frei.
Billige Wohnungen werden an Freunde weitergegeben
Umso mehr bringt ein Problem Münchens Sozialpolitiker auf: Viele – zu viele – der Glücklichen nutzen ihr Glück aus. Sie vermieten ihre billige Wohnung teuer unter, geben sie illegal an Freunde oder nicht berechtigte Familienmitglieder weiter. Oder bleiben dort wohnen, obwohl sie längst viel mehr verdienen, als ein Berechtigter verdienen darf.
Ein Papier des Sozialreferats für den Stadtrat listet jetzt einige der Verstöße auf, auf die ihre Ermittlertruppe immer wieder stößt: "Es bewohnen z. B. entfernte Verwandte oder Bekannte eine Wohnung, deren Hauptmietender sich überwiegend im Ausland aufhält", heißt es da. "Enkelkinder beziehen die Wohnung der verstorbenen Großeltern. Oder langjährige Bekannte oder Mitbewohnende, egal ob mit oder ohne Untermietvertrag, haben die Wohnung nach Umzug des Hauptmieters faktisch übernommen."

Es gebe auch "dauerhaft rechtswidrige Untervermietungen". Rund 50 Fälle im Jahr decken die städtischen Wohnraumüberwacher laut dem Papier bislang auf – etwa über Hinweise von Hausverwaltungen und Nachbarn oder über Änderungen in der Einwohnermeldedatei (pro Jahr gibt es insgesamt rund 2.700 Hinweise). Meldet sich zum Beispiel ein Sozialwohnungsbewohner wegen eines Wegzugs um, landet die Meldung auch bei der Wohnraumüberwachung, die prüft, wer eigentlich nun weiter die Wohnung bewohnt.
Illegale Bewohner setzt das Sozialreferat dann vor die Tür – notfalls über eine Räumungsaufforderung – und vergibt die Wohnung neu an Menschen, die wirklich berechtigt sind.
50 aufgeflogene Fälle
Dabei sind diese 50 aufgeflogenen Fälle nur die Spitze eines Eisbergs. Es gibt Schätzungen, wonach ein bis fünf Prozent aller rund 85.000 Sozialwohnungen, die über das Amt für Wohnen und Migration vergeben werden, heimlich falsch belegt sein könnten. "Das wären bis zu 4.000 Münchner Wohnungen", sagt der SPD-Stadtrat und Sozialpolitiker Christian Müller, "das ist eine skandalöse Zahl."
Sozialreferats-Chefin Dorothee Schiwy (SPD) will die Zahl der Verstöße, die auffliegen, nun deutlich erhöhen – mit Hilfe der Münchner Bürger. Sie plant eine 100.000 Euro teure Kampagne, die über Flyer, Plakate und mehr die Münchner aufruft, "vermutete Verstöße zu melden". Es lohne sich, "jede Möglichkeit auszuschöpfen, dass geförderter Wohnraum nur berechtigten Haushalten zur Verfügung steht", heißt es in ihrem Papier.
Münchner sollen Verstöße melden
Sie verspricht sich damit so viel Erfolg, wie ihn die Meldeplattform www.raum-fuer-muenchen.de bringt, die sie 2018 eingerichtet hat, damit Münchner Zweckentfremdungen melden können, wie illegale Vermietungen an Medizintouristen.
An die 100 Nachbarn geben dort nun pro Monat ihre Beobachtungen kund. Bis 1. März sind 1.349 Hinweise eingegangen (die Hälfte anonym). Die meisten (524) bezogen sich auf leerstehende Wohnungen, bei 449 wurden illegale Ferienwohnungen vermutet. Vor allem aus Neuhausen und Haidhausen kamen viele Meldungen (siehe Grafik). 359 Wohnungen konnte die Stadt für normale Mieter zurückholen.
Stadtrat Christian Müller hofft auf einen großen Erfolg einer solchen Kampagne. Und dass viele Münchner – notfalls auch anonym – helfen, Sozialwohnungsverstöße aufzudecken. "Dass jemand eine Förderung aus Steuergeldern bekommt und sie dann nicht für das nutzt, wofür sie gedacht ist, ist einfach ein Unding", sagt er, "wir müssen das schleunigst abstellen."
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