Bilanz der Staatsanwaltschaft München: Mord, Totschlag, Gesundheitswesen

Falsche Polizisten, und betrügerische Ärzte: Die Staatsanwaltschaft München stellt Schwerpunkte ihrer Ermittlungen vor.
von  John Schneider
Justitia hat viel zu tun in Stadt und Kreis München: Die Zahl der Ermittlungen steigt und hat inzwischen die 200000er Marke erreicht.
Justitia hat viel zu tun in Stadt und Kreis München: Die Zahl der Ermittlungen steigt und hat inzwischen die 200000er Marke erreicht. © dpa

München - Mehr Menschen, mehr Delikte und Verbrechen. Auf diese Kurzformel lässt sich die Kriminalitätsentwicklung im Großraum München bringen. Im Jahr 2016, informiert Behördenchef Hans Kornprobst die versammelte Presse der Stadt, kamen gut 200.000 neue Ermittlungsverfahren dazu. Viel Arbeit für die 172 Staatsanwälte der Münchner Staatsanwaltschaft I (zuständig für knapp 1,9 Millionen Menschen in Stadt und Kreis).

Kapitalverbrechen wie Mord oder Totschlag machen dabei in der Boomregion mit 121 Fällen noch den geringsten Posten aus. Aber auch hier gab es im Vergleich zum Vorjahr einen kräftigen Anstieg von fast einem Viertel. Besonders kräftig angezogen haben auch die Ermittlungsverfahren bei Sexualstrafsachen (ein Plus von 12,7 Prozent), bei Betrug und Untreue (plus 14,9 Prozent) und vorsätzlicher Körperverletzung (plus 11,4 Prozent). Vier von fünf Verfahren erreichen den Gerichtssaal aber erst gar nicht. Sie werden vorher von der Anklagebehörde zum Beispiel gegen Auflagen oder wegen Schuldunfähigkeit eingestellt. Auch so brachten Münchens Staatsanwälte im Jahr 2016 aber immer noch etwa 24.000 zusammengerechnete Stunden als Ankläger bei Gericht zu.

Eine Komponente des Kriminalitätsanstiegs: Korruption und Betrug im Gesundheitswesen sorgen für eine Flut von Ermittlungsverfahren. Allein im Bereich des Oberlandesgerichts München hat die Staatsanwaltschaft im Jahr 2016 530 neue Verfahren eingeleitet, im Vorjahr waren es noch keine 400. Im Visier der Ermittler sind Ärzte, Labore, Pflegedienste, Apotheken und Patienten, wie Oberstaatsanwältin Hildegard Bäumler-Hösl am Mittwoch in der Presserunde berichtet.
Die Verlockung ist schon deswegen groß, weil in der Branche jährlich rund 350 Milliarden Euro umgesetzt werden. "Das ist ein interessanter Markt – auch für die schwarzen Schafe", so Bäumler-Hösl.

Gesundheitswesen: Hier nimmt Korruption und Betrug stark zu

Ein Beispiel: die Abrechnungsringe. Patienten machen da gemeinsame Sache mit betrügerischen Ärzten und reichen bei ihrer Kasse Scheinrechnungen über Behandlungen ein, die es nie gegeben hat. Arzt- und Physiopraxen, ein Heilpraktiker, eine Zahnärztin, ein Apotheker und ein Mitarbeiter eines Sanitätshauses sind bereits als Täter ermittelt worden. Die nachweisbaren Schäden der Kassen schätzt Bäumler-Hösl auf hohe sechsstellige Beträge. Die Versicherungen sind inzwischen sensibilisert. Die Zahl der Anzeigen seitens der Kassen steigen.

Pflegebetrug, so wie er aktuell in den Fokus der Medien gerückt ist, sei eine besonders skrupellose Variante. "Es sind Patienten, die teilweise im Koma liegen. Sie bräuchten Pflegekräfte, die wirklich eine Ausbildung haben", sagt Bäumler-Hösl. Teils würden aber Kräfte ohne Qualifikation eingesetzt – und viel zu hoch abge "Hier wird die Hilflosigkeit der Patienten ausgenützt." 15 Verfahren wegen Betrugs im Pflegebereich wurden von November 2016 bis April dieses Jahres im Bereich des Oberlandesgerichts München eingeleitet.

Ein weiteres Feld, das derzeit in besonderem Maße die Ermittler beschäftigt, ist die Welle von falschen Polizisten, die meist ältere Menschen um ihre Ersparnissse bringen. Die neue Pressesprecherin der Behörde, Oberstaatsanwältin Anne Leiding (45), erklärt die Masche: die Betrüger geben sich am Telefon als Beamte aus und bringen so die gutgläubigen Opfer dazu, ihre Konten wegen Falschgeld-Verdacht leerzuräumen.

Allein bei der Staatsanwaltschaft München I gebe es dieses Jahr schon 650 Verfahren, berichtet Leiding. Hochgerechnet werde es 2017 voraussichtlich 2.000 Fälle geben. Angstzustände und Schlaflosigkeit sind für die Opfer oft die Folge.

Wie den Betrügern beizukommen ist, hat eine 79-jährige Neuhauserin bewiesen. Sie wurde misstrauisch und stellte den Männern gemeinsam mit der echten Polizei eine Falle. Am Dienstag wurden der falsche Polizist und sein Komplize zu einem Jahr Gefängnis verurteilt.

Die falschen Polizisten operieren aus der Türkei: Bisher bekannte Fälle liefen über ein dortiges Callcenter, sagt Behördenchef Kornprobst. Das ist aber ein Problem, denn der Rechtshilfeverkehr mit der Türkei sei nicht leicht.

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