Bettenrid: Eine Münchner Bettgeschichte
München - Einst, da haben sie ein riesiges Handtuch zwischen die Türme der Frauenkirche gehängt. Haben gemeint, sie müssten einen auf Modegeschäft machen und so viel wachsen, dass eigentlich kein Einkaufszentrum in München mehr ohne eine ihrer Filialen aufmachen konnte. Heute geht’s ihnen, wieder wie früher, vor allem ums Schlafen.
Das Münchner Traditionsunternehmen Bettenrid feiert Jubiläum: Vor 100 Jahren hat Firmengründerin Rosa Zaininger in der Theresienstraße 112 ein Geschäft zur Reinigung von Betten und Bettfedern aufgemacht. Drei Jahre später eröffnet sie schräg gegenüber einen Laden, den ihre Tochter Hedwig Rid übernehmen wird. Mit den zwei Geschäftsfrauen beginnt damals eine bewegte Münchner Bettgeschichte.
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Schlafen muss ein jeder irgendwann, drum dürfte das Geschäft damit ein sicheres sein, möchte man meinen – und liegt damit natürlich einigermaßen falsch. Dass es das Unternehmen Bettenrid heute noch gibt, verdankt es vor allem den Unternehmern, die es hatte. Denn die haben sich im vergangenen Jahrhundert gern mal richtig entschieden, wenn es um die Zukunft der Firma ging. Falsche Entscheidungen gab es schon auch, man musste nachbessern, sich wieder umentscheiden – aber dreimal lag man eben grundlegend richtig.
Aus der Maxvorstadt ins Zentrum – und dort kauft sich der Chef Häuser
Das erste Mal ist es, als Hedwig Rid sich für den Umzug in die Münchner Innenstadt entscheidet. Ihr Geschäft, mit dem sie vor dem Krieg in die Augustenstraße gezogen war, hat sie nach 1945 dort nur notdürftig wieder aufgebaut. Jetzt, 1949, zieht sie damit in die Sonnenstraße. Drei Jahre später langt das Geld, um ein Haus in der Neuhauser Straße zu kaufen. 1953 eröffnet sie dort das erste Haus unter dem Namen "Betten Rid", mit einer Verkaufsfläche auf drei Etagen.
Ein Jahr später tritt Hedwig Rids Sohn Günther als Juniorchef ins Unternehmen ein. Das läuft da schon recht gut. Die Stadt hat sich gefangen, die schwere Nachkriegszeit überwunden, das Wirtschaftswunder tut dem Geschäft gut.
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Günther Rid kauft deshalb weitere Immobilien in der Neuhauser und der Kaufingerstraße, im Tal und in der Theatinerstraße, wo später ein neues Rid-Geschäft einzieht. Er treibt viel Werbung und baut den Handel aus. Jahrzehnte später wird er weitere Filialen eröffnet, den Laden in der Neuhauser Straße vergrößert und das Unternehmen in den gehobeneren Mittelstand geführt haben – und trotzdem ist es vor allem eine Entscheidung einige Jahre vor seinem plötzlichen Tod 1992, die das Unternehmen noch einmal grundlegend verändert: Statt die Firma seinen Söhnen zu überlassen, vermacht er sie einer Stiftung.
Die Rid-Stiftung steht heute über allem. Sie ist gemeinnützig, was sich wohl zum einen steuerlich ganz gut macht, aber auch zu Engagement verpflichtet, das die Firma leistet. Sie fördert die Ausbildung von Unternehmern im mittelständischen Einzelhandel und weitere soziale Projekte.
Nach zu viel Wachstum findet Bettenrid wieder zum Kerngeschäft
Um die Immobilien kümmert sich eine eigene Verwaltungsgesellschaft, das Bett-Kerngeschäft ist in eine GmbH ausgegliedert, die der Unternehmens-Mama Miete zahlt. Strukturell hat Günther Rid das Ganze also solide aufgestellt. Trotzdem gab es nach seinem Tod noch einige Wirren, sodass das Unternehmen erst in den letzten Jahren wieder so richtig zu sich gefunden hat. Mit der dritten wesentlichen Entscheidung: Rid gönnt sich wieder genug Schlaf.
Den drohte man fast ein bisschen aus den Augen zu verlieren. Denn der erste Stiftungsvorstand, ein Ex-Filialleiter einer Bank, setzte auf die Einfälle von Unternehmensberatern, für die freilich Wachstum die ganz große Freude war. Das führte zu vielen Filialen, zur Erweiterung des Sortiments, zum schon symbolisch so richtig übertriebenen Riesenhandtuch, das man zwischen den Domspitzen aufhängen ließ. In der Folge wechselten die Stiftungschefs häufiger, das Konzept auch.
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Bis man merkt, dass es einen anderen Weg braucht. Es ist das dritte Mal in der Geschichte des Unternehmens, dass die Richtung entscheidend gedreht wird. In den Jahren 2013 und 2014 erfindet Bettenrid sein Aussehen neu, konzentriert sich auf seine Stammhäuser, schließt Filialen in Einkaufszentren und gibt sich ein klareres Konzept: Es geht wieder ums Schlafen sowie das, was man braucht, um es zu genießen. Die unternehmerische Schlafwandlerei hat ein Ende. Man weiß jetzt wohl wieder, wo man hingehört.
Statt "Betten Rid" nennt man sich jetzt Bettenrid, es gibt einen großen Online-Shop, ein neues Zentrallager – und in den Filialen will man "Wohn- und Erlebniswelten" bieten, statt nur Schlafmöbel auszustellen.
Freilich kann man bei Bettenrid auch immer noch Daunen und Federn reinigen lassen, wie früher. Und das, wie es ausschaut, noch recht lange. Auserzählt ist sie jedenfalls gewiss noch nicht, diese Münchner Bettgeschichte.
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