Bekannt aus der Radiowerbung: Was ist das Schweizer Vermögenszentrum?

Im Radio läuft ständig Reklame für einen Finanzberater aus der Schweiz. Doch taugt der etwas? Und wer geht zu den Veranstaltungen? Die AZ war dort.
München - Ihre Radiowerbung ist penetrant: Auch die Garderobenfrau im Bayerischen Hof kennt die Stimme auf Bayern 3: "Sie wollen ihr Geld doch vermehren, oder?", flötet ein Mann mit Schweizer Akzent. Es ist Tom Friess persönlich – der Deutschland-Geschäftsführer des Schweizer Finanzberaters "VZ Vermögens-Zentrum". In München hat er 35 Mitarbeiter – und lockt Kunden regelmäßig in den Bayerischen Hof.
Spiegel bis zur Decke, luxuriöse Polstermöbel: Im Hotel am Promenadeplatz nimmt die dunkelhaarige Garderobiere abends Jacken von rund 100 Besuchern entgegen. Sie sagt: "Die Herrschaften kommen zum Vortrag der Schweizer. Der ist fast jeden Monat."
Denn: Bank-Berater haben seit der Finanzkrise vielfach ausgespielt. Es ist der gravierende Vertrauens-Verlust gegenüber der Hausbank, der viele Münchner neugierig macht – auf alternative Angebote.
Offensichtlich ist nicht jeder reich, der sich hier beraten lässt
Kleines Erbe? Eine sportliche Frau will wissen, wie sie 50.000 Euro am besten anlegen kann. Einen frischgebacken Vater interessiert: "Wie baue ich einen Sparplan für meinen Sohn auf?"
Bei klassischer Musik versorgen sich wohlsituierte Paare am Getränkebuffet mit Sprudel und Apfelschorle. Das Ambiente der Palaishalle ist mehr als gediegen: Bücher-Regale, weiße Stoffservietten. Offensichtlich ist aber nicht jeder reich, den das Thema "Geldanlage" umtreibt. Silver Surfer 70-plus interessieren sich dafür, aber euch eine junge Frau mit zersplittertem Handy-Display.
Tom Friess ist die Stimme des Fazit-Vermögenszentrums.
Auftritt Experte: Christian Lange, ein schmaler Schweizer mit zurückgegelten Haaren erklärt: "Stellen Sie sich vor, ihr Steuerberater wird vom Finanzamt bezahlt." Für ihn als Schweizer sei die historische gewachsene Tradition in Deutschland "absurd", dass Bankprodukte und Versicherungspolicen stets über Vermittler laufen, die vermeintlich kostenfrei beraten, versteckt aber kassieren.
Die VZ verkaufe keine eigenen Produkte. "Wir verfolgen Ihre Interessen", so der 40-jährige, der zur VZ-Deutschland-Geschäftsführung gehört. Im Publikum wirbt er offensiv um Vertrauen: "Ich habe vier Kinder. Unsere Firma beschäftigt nur festangestellte Mitarbeiter."
Wer sind nun seine Kunden? "In München vor allem Ingenieure von Siemens und BMW, Rechtsanwälte oder Steuerberater", sagt Lange. Denn ein Problem dieser leitenden Angestellten, Freiberufler, Wirte und Unternehmer sei Folgendes: Kurz vor der Rente bräuchten sie eine aktuelle Beratung für ihre Geldanlage. "Viele brauchen monatliche Entnahmen, um im Ruhestand ihren Lebensstandard halten zu können", so der Finanzberater.
"Aktien sind kein Teufelszeug", predigt Lange: Wer eine etwas höhere Rendite haben möchte, komme an Aktien nicht vorbei. An diesem Abend informieren die Finanzberater zu ETFs, das sind günstige und Fondsmanager-unabhängige Aktien.
Kurz erklärt: Das bedeutet "ETF"
Aktien sind teuer: Bank-Kunden zahlen für einen Aktienfonds einen Ausgabeaufschlag von vier bis fünf Prozent. Dazu kommen laufenden Kosten für den Fondsmanager von bis zu 1,5 Prozent. Manche Fondsverwalter genehmigen sich darüber hinaus eine Gewinnbeteiligung.
Beim ETF haben Fondsmanager ausgedient: Immer mehr Banken in München bieten sie ihren Kunden an. Auch das Vermögens-Zentrum empfiehlt ETFs im Portfolio. ETF steht für „börsengehandelte Indexfonds“ (Exchange Traded Funds).
Diese sind ein Aktienmix, der zum Beispiel den DAX nachbildet (Deutscher Aktien Index). So kommen die Aktien ohne aktiven Fondsmanager aus, der bezahlt werden muss – selten jedoch besser abschneidet als der Marktdurchschnitt, sagen Studien. Statt 30 Aktien des DAX einzeln zu kaufen, nehmen Anleger ein ETF-Anteil in ihr Depot. Steigt und fällt der DAX, so steigt und sinkt damit auch der Wert des ETFs.
Die Anschaffungskosten sind weit geringer, als für aktiv verwaltete Fonds (einmalig bis 0,25 Prozent). Laufende Kosten: ca. 0,1 bis 0,5 Prozent im Jahr für die Depotbank und Anlegerinfos.
Christian Lange spricht über typische Anlagefehler ("Werte im Plus werden zu früh verkauft"). Und skizziert Anleger-Typen vom Dividenden-Jäger bis zum Sparer-Typ: Der keine Verluste verkraften möchte und eine robuste Grundausrichtung seines Portfolios sucht.
Eine unlautere Methode? In den Tagen nach dem Info-Abend rufen VZ-Mitarbeiter die Besucher an, bieten kostenfreie Beratung. "Man kennt das. Man will seine Gelddinge vernünftig regeln – und dann verschiebt man es, und verschiebt es. Deshalb gehört das Telefon zu unserer Strategie", erklärt VZ-Berater Fabian Frey.
Beim Gespräch am Maximiliansplatz analysieren die Vermögensverwalter die persönliche Ausgangslage – und fixieren das Ziel. Ab dem zweiten Gespräch ist Honorar fällig, 200 Euro pro Stunde. Oder eine Pauschale, nicht unter 900 Euro. "Bei uns kauft keiner die Katze im Sack. Wir sind transparent. Aber die Deutschen sind nicht gewöhnt, für Dienstleistung zu zahlen", sagt Lange.
"Es ist mühsam, sich um Geldgeschichten zu kümmern", sagt eine
Das Image der Schweiz als seriöser Finanzplatz. Die Schweiz und ihre Neutralität – damit kokettiert die Finanzberatung. Auf der anderen Seite setzt sie ein nennenswertes Marketing-Budget für ihre penetrante Radiopräsenz ein. Sie mietet einen Saal im Luxushotel und residiert mit ihrem Büro am Maximiliansplatz. "Das müssen die Anleger alles bezahlen", gibt die Verbraucherzentrale Bayern zu bedenken. Gegen die VZ lägen keine Beschwerden vor. Aber ihre Telefonakquise müsse man sich mal genauer ansehen.
Übrigens: Für eine Beratung gibt es keine Mindestsumme. Für die Vermögensverwaltung muss "Volumen" da sein. Es gibt Anlage-Konzepte ab 30.000 Euro, für 150.000 Euro (der Großteil) oder für eine halbe Million.
Nach dem Vortrag im Bayerischen Hof reicht die Garderobenfrau einer Besucherin ihren Schal – und fragt ungeniert: "Und: Wissen Sie jetzt, wo Sie ihr Geld hintun?". Die Frau gibt zu: "Es ist mühsam und lästig, sich um Geldgeschichten zu kümmern."
Und dann rückt die Garderobenfrau offen mit ihren Aktien-Enttäuschungen heraus: "Ich hatte in den 90ern Aktien und habe bös draufgezahlt. Ich habe 3500 Euro verloren." In Sachen Geldanlage fühle sie sich jetzt "komisch", als absolut gebranntes Kind: "Die Schweizer müssten mir vorher schon beweisen, dass sie gut mit meinem Geld umgehen. Ich bin skeptisch und vorsichtig, wie die Leut’ ganz früher. Frei nach dem Motto: Scheine unters Kopfkissen."