Behörden haben drei Monate lang weggesehen

Die Zustände in Kirchtrudering waren der Stadtverwaltung offenbar schon länger bekannt – der OB will Konsequenzen ziehen.
von  Florian Zick
200 Euro für einen Matratzenplatz: Das Skandalhaus in Kirchtrudering wurde nun geräumt. Der Stadtrat ist erschüttert über die Zustände.
200 Euro für einen Matratzenplatz: Das Skandalhaus in Kirchtrudering wurde nun geräumt. Der Stadtrat ist erschüttert über die Zustände. © Daniel von Loeper

Die Zustände in Kirchtrudering waren der Stadtverwaltung offenbar schon länger bekannt – der OB will Konsequenzen ziehen.

Von einem „Ekelloch“ ist die Rede, von „übler Abzocke“ und eine „unglaublichen Form der Ausbeutung“: Die Berichte über das Skandalhaus in Kirchtrudering haben im Stadtrat heftige Reaktionen hervorgerufen – vor allem, weil die Stadtverwaltung von den Zuständen offenbar schon seit einiger Zeit wusste. „Sollte es Versäumnisse seitens der Verwaltung gegeben haben“, kündigte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) an, „werde ich entsprechende Konsequenzen ziehen“.

Behördlich bekannt wurde das Haus erstmals Ende Juli. Da beklagten sich Anwohner beim Kreisverwaltungsreferat (KVR) über die Zustände auf dem Nachbargrundstück. Das KVR leitete die Beschwerden an andere Referate weiter, unter anderem an das Sozialreferat. Die Leute von Sozialreferentin Brigitte Meier sind zuständig, wenn irgendwo in der Stadt Mitwucher betrieben oder Wohnraum illegal zweckentfremdet wird.

Tätig wurde das im Sozialreferat angesiedelte Wohnamt allerdings erst vergangene Woche – angesichts der Umstände viel zu spät. „Die Zustände in dem Haus sind unhaltbar und unverantwortlich“, sagte Hans Podiuk, der Chef der Rathaus-CSU. „So etwas darf es in München nicht geben.“ Sollten die Zustände der Verwaltung tatsächlich bekannt gewesen sein, so Christian Müller, der sozialpolitische Sprecher der SPD-Stadtratsfraktion, ,,werden wir im Stadtrat mit aller Entschiedenheit prüfen, warum da nichts passiert ist“.

Das Sozialreferat rechtfertigt sein Stillhalten damit, dass es erst dann Ermittlungen aufnehmen könne, wenn die betroffenen Mieter Anzeige bei der Mietberatung erstattet hätten. Davor, so ein Referatssprecher, seien der Behörde rechtlich die Hände gebunden. Offenbar haben in dem Haus aber auch regelmäßig Mitarbeiter der Bezirkssozialarbeit nach dem Rechten gesehen. Die Missstände hätten also schon viel früher auffallen müssen.

„Ich finde es unerträglich, wenn mit der Not von Menschen skrupellos Geschäfte gemacht werden“, echauffierte sich OB Reiter und kündigte an, den Vermieter zur Rechenschaft ziehen zu wollen. „Ich werde alles daran setzen, dass der Vermieter mit einem hohen Bußgeld belegt wird“, so Reiter.

Der Fall in Kirchtrudering ist vermutlich nicht der einzige dieser Art in München. Die Grünen fordern deshalb, das vor zehn Jahren aufgehobene Wohnungsaufsichtsgesetz wieder einzuführen, um den Kommunen zu ermöglichen, gegen Mietwucher vorzugehen.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.