Beerdigungen in München: Angehörige und Bestatter fordern Lockerungen

Zu Demos dürfen sich Dutzende versammeln, aber am Grab Abschied nehmen ist nach wie vor nur zehn Personen erlaubt. Angehörige und Bestatter fordern dringend Lockerungen.
von  Nina Job
Kathrin Wickenhäuser hätte ihren Vater gerne in größerem Rahmen beisetzen lassen.
Kathrin Wickenhäuser hätte ihren Vater gerne in größerem Rahmen beisetzen lassen. © privat

München - Fritz Wickenhäuser war ein sehr geselliger Mensch. Der Hotelier und inoffizielle Bürgermeister des Bahnhofsviertels war ein Netzwerker durch und durch. Er liebte das Leben und den persönlichen Kontakt. Entsprechend groß war sein Freundes- und Bekanntenkreis. Wenn er mittags seine Tochter besuchte, brachte er immer jemanden zum Essen mit.

Am 26. März ist der Münchner im Alter von 75 Jahren an Krebs gestorben. "Er hätte sich eine große Beerdigung gewünscht – dass alle kommen", sagt seine Tochter Kathrin (40), die ihren Vater bis zuletzt begleitet hat. 100 Weggefährten und Bekannte, schätzt sie, wären sicher gekommen. "Er hätte sich gewünscht, dass danach alle in die Münchner Stubn gehen, gemeinsam essen und sich an ihn erinnern."

Beerdigung im allerengsten Familienkreis

Stattdessen wurde es eine Beerdigung im allerengsten Familienkreis. Nur zehn durften am Tag der Beisetzung zum Grab auf dem Waldfriedhof dabei sein. "Ein Onkel aus Hamburg, eine enge Verwandte in Freiburg und eine ganz liebe Freundin konnten nicht kommen", berichtet die Tochter. "Das hat mir unglaublich leidgetan. Das ist nicht würdig."

Kathrin Wickenhäuser hätte ihren Vater gerne in größerem Rahmen beisetzen lassen.
Kathrin Wickenhäuser hätte ihren Vater gerne in größerem Rahmen beisetzen lassen. © privat

Doch so sehen es die Corona-Regeln für das Bestattungswesen vor, die seit 24. März gelten (AZ berichtete). Während es mittlerweile fast überall Lockerungen gibt, herrscht auf den Friedhöfen immer noch das gleiche Bild: Die Aussegnungshallen sind geschlossen, Aufbahrungen verboten, Beerdigungstermine dürfen nicht in Zeitungen bekanntgemacht werden.

"Es wird höchste Zeit, dass Trauernde wieder würdig Abschied nehmen können von ihren Angehörigen", appelliert Karl Albert Denk vom gleichnamigen Bestattungsunternehmen an die Politik. Auch Nicole Rinder von Aetas Lebens- und Trauerkultur am Westfriedhof versteht nicht, dass die Corona-Regeln in so vielen Bereichen gelockert wurden – nur nicht im Bestattungswesen. "Wir fühlen uns ein Stück weit vergessen", sagt die stellvertretende Geschäftsleiterin. "Es ist schön, dass jetzt Kirchen, Schulen, Gastro und Golfplätze öffnen, aber was ist mit den Menschen, die gerade jemanden verlieren?" Sie würden von der Politik offenbar nicht gesehen.

Bestatter Karl Albert Denk.
Bestatter Karl Albert Denk. © ho

Nicole Rinder und Karl Albert Denk fordern, dass die Aussegnungshallen wieder öffnen und mehr Menschen an der Bestattung teilnehmen dürfen. "Es ist eine Katastrophe, wenn nicht einmal der beste Freund, die beste Freundin teilnehmen darf", sagt Rinder. "Es fehlt das letzte Fest."

Trauerzeremonie ausschließlich im Freien

Am trostlosesten sind Bestattungen, wenn es regnet oder stürmt. Da die Trauerzeremonie ausschließlich im Freien stattfinden dürfen, können die Angehörigen nirgends Schutz suchen – und wegen des Abstandsgebots dürfen sie sich nicht einmal umarmen. Und es gibt noch mehr – derzeit noch gültige Regeln – die den Verlust eines geliebten Menschen in Coronazeiten noch schwerer machen.

So sollen nach den Bestimmungen der Stadt München Angehörige keinen letzten Blick mehr auf den Verstorbenen werfen dürfen. Auch soll der Tote nicht mehr umgekleidet werden. "Das macht keinen Sinn", kritisiert Denk. Deshalb setzte er sich bei Fritz Wickenhäuser, dessen Trauerfeier er organisierte, auch darüber hinweg. "Er wurde in seinem Trachtenanzug beigesetzt", sagt Kathrin Wickenhäuser.

Die Hotel-Chefin (Cristal, Dolomit), Vizepräsidentin der IHK München und Oberbayern und Mutter von drei kleinen Kindern (1, 5, 6) hat Corona mit voller Wucht getroffen: der Tod des geliebten Vaters, ihre Hotels und Gaststätten alle zwangsweise geschlossen und 100 Mitarbeiter in Kurzarbeit. "Es ist eine furchtbare Zeit."

Wegen der Corona-Regeln wurde es für Kathrin Wickenhäuser statt der großen Feier ein sehr persönlicher Abschied von ihrem Vater. Der Musiker Bernd Weber sang zur Gitarre "Gute Nacht, Freunde" von Reinhard Mey, Pfarrer Gottfried von Segnitz sprach die Grabrede.

Im Sommer, hofft Kathrin Wickenhäuser, kann sie die große Feier mit allen, die nicht dabei sein konnten, nachholen. In St. Matthäus in der Nußbaumstraße soll ein Trauergottesdienst stattfinden, anschließend will sie die Familie, Freunde und Weggefährten in ihren Münchner Stubn bewirten. Voraussichtlich am 14. August. An diesem Tag wäre Fritz Wickenhäuser 76 Jahre alt geworden.


Städtische Friedhöfe: Diese Regeln gelten aktuell für Bestattungen

"Wir sind uns bewusst, dass diese Einschränkungen emotional sehr belastend sind", heißt es in einem Schreiben der städtischen Friedhöfe an die Bestatter. Diese Regeln gelten seit März und wurden am 23. April aktualisiert, um das Infektionsrisiko zu minimieren (Auszug):

  • Der Teilnehmerkreis bei Bestattungen ist auf zehn Personen begrenzt.
  • Bestattungstermine dürfen nicht in Tageszeitungen angekündigt werden. Auch in Traueranzeigen darf kein Termin genannt werden.
  • Alle, die zur Bestattung kommen wollen, müssen der Gräberverwaltung gemeldet werden. Ohne Namensliste keine Bestattung.
  • Urnenbeisetzungen sollen nicht verschoben werden. Die Friedhofsverwaltung befürchtet, dass die Bestatter sonst nach dem Ende der Pandemie mit Urnenbeisetzungen und Trauerfeiern organisatorisch nicht nachkommen. Die Wartezeit betrug bereits vor der Pandemie etwa vier Wochen. Mittlerweile wurden bereits über 100 Urnenbeisetzungen auf unbestimmte Zeit verschoben.
  • Für Urnen, deren Beisetzung verschoben wird, verlangt die Friedhofsverwaltung seit 1. Mai eine pauschale Gebühr von 122 Euro.
  • Räume für rituelle Waschungen am Waldfriedhof, am Westfriedhof und dem Perlacher Forst dürfen derzeit nicht benutzt werden.
  • Abschiede am offenen Sarg und offene Aufbahrungen finden nicht statt.
  • Die Bestattung darf ausdrücklich gefilmt oder gestreamt werden – eine Möglichkeit für Trauernde, die nicht dabei sein durften, virtuell teilzunehmen.
  • Die Mindestruhezeit (Liegezeit) für Verstorbene, die an Covid-19 litten, wurde verlängert.

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