Beatrix Zurek im Interview über Entmietungen

Beatrix Zurek, seit elf Jahren Vorsitzende des Mietervereins, über ihre Erfahrungen mit schlimmen Entmietern und insbesondere mit Rainer Beck.
AZ: Frau Zurek, in dem RTL-Bericht spricht ein enger Mitarbeiter von Rainer Beck abfällig über Mieter und wie man sie am besten loswird. Hat Sie das überrascht?
BEATRIX ZUREK: Wir haben als Mieterverein viel mit dieser Firma zu tun und wissen, dass es viele Menschen mit ihr schwer haben. Aber wie offen herabwürdigend dort über Mieter gesprochen wird, das hat uns dann doch überrascht. Und wie Menschen dort direkt angegangen, ja fast genötigt werden, das ist schlicht menschenverachtend. (Lesen Sie dazu: Mieterin kämpft um ihre Wohnung im Gärtnerplatzviertel)
Sie haben Rainer Beck mal als einen der größten Entmieter der Stadt bezeichnet ...
Die Firma Haus von Beck kauft seit vielen Jahren Immobilien in Top-Lagen. Und so wie es sich für uns darstellt, sollen alle Altmieter zum Auszug bewegt werden. Die Firma nutzt dabei alle rechtlichen Spielräume aus und wenn man sich an der Grenze bewegt, überschreitet man sie vielleicht auch mal.
Wie geht er vor?
Üblicherweise kauft er eine Immobilie und verschickt an die Mieter Modernisierungsankündigungen, in denen auch enorme Mieterhöhungen angekündigt werden. Das kann auch das Doppelte oder Dreifache der Miete sein. Das versetzt viele schon in Angst. Parallel bietet er Abfindungen an. Wer nicht freiwillig auszieht – mit den Summen kommt man ja in München nicht weit –, muss oft jahrelang auf einer Baustelle leben und wird, wo es geht, rausgeklagt. Wir beraten Senioren, die seit Jahren in Lärm und Dreck leben. Immer wieder ziehen sich die Bauarbeiten, ohne dass wir beweisen könnten, dass da eine Absicht dahintersteht. Das macht die Mieter mürbe, der psychische Stress macht viele fertig. Ist eine Wohnung frei, quartiert Beck oft vorübergehend WGs ein, und auch dort wird um jeden Euro gefeilscht. Da werden Reparaturen nicht gemacht, da werden Kautionen nicht zurückgezahlt – auch wenn es rechtlich ganz offensichtlich unzulässig ist.
Mieterverein: 600 Betroffene in neun Monaten
Wie lange sind die Methoden des Herrn Beck beim Mieterverein bekannt?
Beck-Mieter sind seit über 20 Jahren Dauerkunden bei uns im Mieterverein.
Wie viele Entmieter dieses Kalibers gibt es noch in München?
Das ist schwer zu sagen. Es gibt eine Vielzahl oft wechselnder Akteure, die kaufen, Mieter vertreiben und verkaufen. Wir haben alleine in einem Dreivierteljahr 600 Betroffene dazubekommen, insgesamt beraten wir tausende Münchner wegen Modernisierungen in mehreren hundert Wohnanlagen und Häusern.
Wie kann es sein, dass die Stadt die Systematik nicht erkennt bzw. nichts dagegen unternimmt?
Ein Hauptproblem ist die Bundesgesetzgebung: Denn die Modernisierungsumlage ist ja legal – sie ermöglicht es, dass Mieten legal verdreifacht werden können. Und mit der Androhung dessen wird Druck aufgebaut. Oft werden die Häuser, wenn sie leer sind, gar nicht modernisiert, sondern erstmal weiterverkauft – mit dicker Rendite natürlich, weil ja keine Mieter mehr drin sind. Und vieles andere passiert in rechtlichen Grauzonen. Der Bund will ja jetzt das „gezielte Herausmodernisieren“ mit Bußgeld belegen. Ein schönes Signal, nur das Beweisen wird schwierig. Deswegen ist es so wichtig, dass Mieter sich Hilfe holen, dass sie sich zusammentun und solche Machenschaften auch an die Öffentlichkeit bringen. Aber ich muss auch gestehen: Als ich den Film gesehen habe, habe ich mir manchmal gedacht: Wo ist denn nun der Staatsanwalt?
Zurek: Nicht alles ist rechtlich wasserdicht
Käufer von Häusern im Erhaltungssatzungsgebiet müssen sich bislang für zehn Jahre verpflichten, keine Luxusmodernisierungen durchzuführen und das Anwesen nicht in Wohnungseigentum aufzuteilen. Reicht das?
Nein. Die Stadt hat daher im Juni die Regelungen in Erhaltungssatzungen verschärft, unter anderem auf 15 Jahre. Außerdem soll es einen Mietpreisdeckel und andere Auflagen geben. Das sind richtige Schritte, aber die Stadt stößt immer wieder an rechtliche Grenzen durch Landes- und Bundesgesetze.
Was kann der Mieterverein für die Mieter tun?
Nur wer seine Rechte kennt, kann sich auch wehren. Wir können bei Modernisierungen die Mieterhöhungen oft senken, weil nicht alles, was da angekündigt wird, auch rechtlich wasserdicht ist.
Was muss sich ändern, damit Mieter solchen Investoren nicht ausgeliefert sind?
Man könnte jetzt ein Bündel Maßnahmen aufzählen. Das Grundproblem ist: Es geht nicht nur um Angebot und Nachfrage, diese Stadt ist ein Mekka für internationale Spekulanten. Hier soll sehr schnell Geld vermehrt und abgeschöpft werden. Das muss man erkennen, wenn man etwas dagegen tun will. Aber in der Politik wird immer noch zu sehr das hohe Lied auf den freien Markt gesungen. Hier geht es um Grund und Boden, um ein Dach über den Kopf. Die Allgemeinheit hat ein Recht darauf. Wohnen ist ein Grundrecht.
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