Bayerns Rentner werden immer ärmer - vor allem die Frauen
München Mickrige Renten trotz jahrzehntelanger Arbeit, Altersarmut, drastische Unterschiede zwischen Renten für Frauen und Männer: Der aktuelle Rentenreport des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) zeichnet ein düsteres Bild der Rentenentwicklung in Bayern. Besonders besorgniserregend: Für viele Bayern reicht die Rente nicht zum Leben, dazu verdienen viele Arbeitnehmer so wenig, dass die privat nicht vorsorgen können. Andere fallen frühzeitig aus, weil die Arbeit sie krank gemacht hat. Es ist ein Debakel.
Für die Studie hat der DGB Daten der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd ausgewertet. „Unsere Untersuchungen zeigen, dass wir in Bayern ein massives Rentenproblem bekommen werden, wenn der Gesetzgeber nicht gegensteuert“, sagt Matthias Jena, Vorsitzender des DGB Bayern. Das Problem hat dabei mehrere Facetten.
Mehr Arbeit und trotzdem eine geringe Rente
949 Euro bekommt ein Arbeitnehmer, der 2013 in den Ruhestand gegangen ist, durchschnittlich an Rente. Frauen bekommen nur etwas mehr als die Hälfte: 529 Euro. Zum Leben reicht das oft nicht. 65 000 Menschen in Bayern, die älter als 65 Jahre sind, waren 2013 auf Hartz IV-Leistungen angewiesen.
„Diese Zahlen, die wir hier sehen, sind tatsächlich nur eine Untergrenze“, sagt DGB-Bayern-Vize Verena di Pasquale. Viele alte Menschen scheuten sich, Grundsicherung zu beantragen – aus Scham oder aus Angst vor den Behörden.
Das zeigt deutlich: Auch im reichen Bayern ist Armut unter den 2,7 Millionen Rentnern ein reales Problem. Laut Statistischem Bundesamt gelten 17 Prozent der über 65-Jährigen im Freistaat als arm.
Rentenreport: Die Rentenzahlen für München
Vor allem Frauen sind von Armut bedroht
Das betrifft vor allem Frauen. Ihre Renten liegen immer noch deutlich unter denen der Männer. „Bayern belegt hier einen mehr oder weniger traurigen Spitzenplatz“, sagt die Pasquale.
Die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen liegt im Freistaat bei 25 Prozent, nur in Baden-Württemberg ist dieser Wert höher. Bundesweit sind es 22 Prozent. Das liegt daran, dass Frauen oft in Minijobs oder in Teilzeit beschäftigt sind. Das wirkt sich auf die Renten aus. Gut 80 Prozent der bayerischen Rentnerinnen beziehen eine so niedrige Rente, dass sie als armutsgefährdet gelten. Die Schwelle liegt in Bayern dafür bei 973 Euro. Bei Männern liegt der Wert bei gut 40 Prozent.
Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) kritisiert, hier würden Äpfel mit Birnen verglichen, weil die durchschnittlichen Arbeitseinkommen aller Frauen mit denen aller Männer verglichen würden. Bei anderen Berechnungsmethoden läge der „Gender Pay Gap“ lediglich bei zwischen zwei und sieben Prozent.
Die Renten sind in Bayern sehr unterschiedlich
Nicht nur die Unterschiede zwischen Männern und Frauen sind auffällig. Auch zwischen den bayerischen Regionen gibt es ein starkes Gefälle. In der DGB Studie wurden die Renten erstmalig regional bis auf Stadt- und Kreisebenen aufgeschlüsselt. Dabei zeigt sich: Wo Industrie war, sind die Renten gut; dort, wo Menschen vor allem im Dienstleistungssektor arbeiten, sieht die Lage schlechter aus. Der DGB führt das auf tariflich ausgehandelte Renten zurück.
Neurentner in Aschaffenburg ging es 2013 mit 1148,17 Euro Rente am besten, in Landshut waren es hingegen lediglich 602,12 Euro. Bei den Neurentnerinnen sind die Münchnerinnen mit 684,66 Euro Spitzenreiterinnen. In Regen bekommen Neurentnerinnen lediglich 384,43 Euro im Schnitt.
Die Probleme werden sich verschärfen
Das Problem der Niedrigrenten könnte sich künftig noch verschärfen. Im Schnitt gehen Arbeitnehmer in Bayern mit etwas mehr als 64 Jahren in Rente, eineinhalb Jahre später als noch vor zehn Jahren. Auszahlen tut sich das nicht. Das Renteneintrittsalter wird zwar höher, das Rentenniveau sinkt aber.
Aktuell liegt es bei 48,8 Prozent des letzten Arbeitseinkommens, knapp zehn Prozentpunkte weniger als noch 1985. Die Auswirkungen sind spürbar: Ein Bayer, der 2013 in Rente ging, bekam 86 Euro weniger als ein Senior, der sich zu dem Zeitpunkt schon in Rente befand. Bei Frauen beträgt der Unterschied 10 Euro. Wenn die Politik an ihren derzeitigen Plänen festhält, wird das Rentenniveau bis 2030 sogar auf 43 Prozent sinken.
Auch hier rechnet der DGB vor: Würde dieser Wert schon heute gelten, hätte der sogenannte „Eckrentner“, der in 45 Beitragsjahren durchschnittlich verdient hat, im Monat 177 Euro weniger Rente, nämlich 1086 statt 1263 Euro. Und: Wer durchschnittlich verdient, müsste bei einem solchen Rentenniveau 33 Jahre ununterbrochen arbeiten, um eine Rente zu bekommen, die so hoch ist, wie die Grundsicherung.
Unbefristete Verträge? Gibt es kaum noch!
„Ununterbrochene Erwerbstätigkeit wird aber in Zukunft immer schwieriger werden – vor allem für die junge Generation“, sagt Verena di Pasquale. In der Tat sind befristete Verträge, Zeitarbeit und generell unsichere Arbeits verhältnisse für immer mehr Menschen in Bayern an der Tagesordnung.
Diese Entwicklungen sind vor allem für einkommensschwache Menschen ein Problem: Denn wer schon jeden Monat sein Geld zusammenkratzen muss, um über die Runden zu kommen, hat keine Reserven mehr, um privat für’s Alter vorzusorgen.
Stress und Leistungsdruck machen viele krank
Dazu kommt ein weiteres Problem: Viele Menschen schaffen es gar nicht, bis zur Rente zu arbeiten. Stress und Leistungsdruck machen viele Arbeitnehmer krank. Sie beziehen eine sogenannte „Erwerbsminderungsrente“, die bei männlichen Neurentnern im Schnitt 692, bei Frauen 595 beträgt. Wie der DBG errechnet hat, wurden 2013 40 Prozent dieser Renten wegen psychischer Probleme ausgezahlt. Vor zehn Jahren waren es nicht mal 30 Prozent.
Angesichts dieser Probleme fordert der DGB ein Umdenken. Bis 2030 soll der Beitragssatz für die gesetzliche Rentenversicherung auf 22 Prozent angehoben werden. Für den Durchschnittsverdiener bedeutet das eine Mehrbelastung von vier Euro im Monat. DGB-Chef Jena: „Das ist, glaube ich, leistbar.“
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