Bayerns dümmster Erpresser: Er wollte Geld von Hoeneß

Thomas S. (50) wollte Ulrich Hoeneß um 200.000 Euro erleichtern – doch der Plan des Ex-Häftlings war bei weitem zu naiv, um zu funktionieren. Das Protokoll einer gescheiterten Erpressung.
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An dieser Bushaltestelle im Münchner Süden wurde das Lösegeld in einem Mülleimer deponiert - zum Schein.
Daniel von Loeper An dieser Bushaltestelle im Münchner Süden wurde das Lösegeld in einem Mülleimer deponiert - zum Schein.

Thomas S. (50) wollte Ulrich Hoeneß um 200.000 Euro erleichtern – doch der Plan des Ex-Häftlings war bei weitem zu naiv, um zu funktionieren. Das Protokoll einer gescheiterten Erpressung.

München - Eine rundum vogelwilde Geschichte: Der Münchner Thomas S. (50) hat versucht, Ulrich Hoeneß zu erpressen – mit der Drohung, dass er beste Kontakte in den bayerischen Gefängnissen hätte und es recht ungemütlich für den Ex-Bayern-Präsidenten werden könnte. Dabei stellte sich der Erpresser, der selbst schon viele Jahre als Häftling verbracht hat, derart dilettantisch an, dass er bald Gelegenheit haben wird, seine Knast-Bekanntschaften aufzufrischen und zu vertiefen.

Samstag, kurz nach elf Uhr vormittags. In der Gegend am Tegernsee, wo Hoeneß wohnt, kommt jetzt die Post. Ausgerechnet am Tag des Bundesliga-Finales ist ein ungewöhnliches Schreiben im Briefkasten. Es umfasst mehrere Seiten, ist anonym und droht Hoeneß „erhebliche Schwierigkeiten“ im Verlauf seiner Haft an. Er, der Verfasser, habe nämlich Einfluss auf den Haftverlauf, egal in welcher bayerischen Justizvollzugsanstalt die Zeit verbüßt werde. Diesen Schwierigkeiten könne Hoeneß aus dem Weg gehen, schreibt der Absender weiter, wenn der Ex-Bayern-Präsident bezahle. 200.000 Euro soll der Erpresser nach AZ-Informationen gefordert haben.

Auch die Details der Geldübergabe – der heikelste Punkt, wie jeder Erpresser weiß – sind in dem Brief genau beschrieben: Die Scheine sollen in bar in ein Päckchen gepackt werden, das dann in den Papierkorb der Bushaltestelle Leutstettener/Aidenbachstraße in München-Sendling gesteckt werden soll. Ein Plan, der so naiv ist, dass er nicht klappen konnte.

Hoeneß marschiert zur Polizei. Die zuständige Kripo Miesbach nimmt in Kooperation mit den Münchner Kollegen um kurz nach 13 Uhr die Ermittlungen auf. Er selbst fährt ins Stadion, Anpfiff 15.30 Uhr, das letzte Bundesliga-Spiel der Saison seiner Bayern. Wie immer mit rot-weißem Fan-Schal. Als um 17.43 Uhr Bayern-Kapitän Philipp Lahm die Meisterschale hochreißt, sind in Sendling die Vorbereitungen längst im Gange, den Erpresser zu schnappen.

Thomas S. hat es der Polizei sehr einfach gemacht. Beamte verstecken das Packerl wie verlangt im Mülleimer und legen sich im Umfeld auf die Lauer: Niemand kommt unbemerkt an das Geld heran, geschweige denn kann unerkannt damit entkommen.

Ein Rad als Fluchtfahrzeug

Um 20.40 Uhr ist es dann soweit. Thomas S. (50) nähert sich. Als Fluchtfahrzeug hatte er ein Fahrrad mitgebracht, er wohnt ein paar Kilometer weiter südlich in der Allescherstraße in Solln. Er greift sich das Paket und will sich gerade davonmachen, als die Polizisten auf ihn zustürmen. Der Erpresser schwingt sich noch auf sein Radl. Aber, wie es im Polizeibericht so schön heißt: „Beim Fluchtversuch stürzt er alleinbeteiligt.“ Sprich: Er verliert das Gleichgewicht und fällt um.

Beim Sturz holt sich Thomas S. Prellungen und eine Verletzung an der Schulter, nach AZ-Informationen einen Schlüsselbeinbruch, außerdem eine Platzwunde am Kopf. Das Spezialkommando der Polizei nimmt ihn fest und begleitet ihn zur Behandlung ins Krankenhaus.

Das Erpressungs-Opfer sitzt bei Basketball

Hoeneß sitzt während der Aktion im Audi-Dome, beim Playoff der Bayern-Basketballer gegen Ludwigsburg – die Meisterfeier am Marienplatz hat er sich gespart. Als er dann am späten Abend zur Party im Postpalast eintrifft, ist sein Erpresser längst geschnappt. Hoeneß feiert, tanzt und lässt sich huldigen, unter anderem von Ministerpräsident Horst Seehofer: „Wir haben ihm ungeheuer viel zu verdanken.... dass dieser FC Bayern eine einzigartige Erfolgsgeschichte hingelegt hat... das, lieber Uli Hoeneß, wird immer bleiben.“

Ob Hoeneß nun in Landsberg oder anderswo demnächst seine Haft antritt – der Aufenthaltsort von Thomas S. ist klar: die JVA Stadelheim. Wegen versuchter Erpressung ist Haftbefehl erlassen worden. Der Verdächtige mache Angaben, hieß es.

Es ist nicht sein erster Besuch in einem bayerischen Gefängnis. Nach AZ-Informationen hat er viele Jahre dort verbracht. Zum ersten Mal saß er in den 80er Jahren, auch in den 90er Jahren schnupperte er Gefängnisluft. Zuletzt saß er 2009 im Knast. Immer wieder wurde er verurteilt, mal wegen Raubes, dann Betrug, Untreue und Diebstahl. Möglicherweise sitzen tatsächlich einige seiner Knastfreunde von einst noch immer hinter schwedischen Gardinen. Doch ob einer von denen tatsächlich jemals auch nur in die Nähe von Hoeneß gekommen wären ist mehr als fraglich.

Sie nannten ihn "Knacki"

Die Erpressung sollte sein größter Coup werden. Laut Nachbarn in Solln soll er im Januar die Kündigung für die Wohnung bekommen haben. Der 50-Jährige wohnt seit vielen Jahren in der Allescherstraße, eine beschauliche Gegend. Zwei Häuser weiter ist er aufgewachsen. Zuletzt habe seine Lebensgefährtin, eine Kindergärtnerin, bei ihm gewohnt. Einige Anwohner sagen, er habe eine Zeitlang in Frankfurt gelebt – womöglich deckt sich das freilich mit den Haftzeiten. Andere nannten ihn offen den „Knacki“. Eine Rentnerin, die seit über 40 Jahren im Haus wohnt, hatte Angst vor ihm: „Ich wusste, dass er schon mehrmals im Gefängnis war. Er war mir unheimlich. Ich bin froh dass er jetzt weg gesperrt ist. So jemand gehört hier nicht her!“ Einen richtigen Job hatte er offenbar nicht. Zuletzt hat er sich einen Anhänger zum Imbisswagen umgebaut, davor soll er einen Kiosk in Laim betrieben haben.

Die AZ sprach auch mit der Tante von Thomas S.. Sie sagt: „Dass er sowas macht, wundert mich nicht. Er war schon immer kriminell – von Jugend an. Wir wollten irgendwann nichts mehr mit ihm zu tun haben. Es war hoffnungslos.“

Wird er wegen versuchter Erpressung verurteilt, drohen ihm laut Florian Gliwitzky, Sprecher der Staatsanwaltschaft München II, bis zu fünf Jahre Haft. Und das vermutlich nicht in Landsberg, wo die Ersttäter sitzen.

 

 

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