Baustellenfrust in München: Romanplatz-Umbau sorgt für Unmut
Nymphenburg - Wer kann, meidet den Romanplatz – wegen Baustellenalarm. "Die Ampel an der Tramhaltestelle ist gesperrt. Mit meinem Rollator muss ich Umwege laufen. Diese Baustelle muss man erstmal überleben!", sagt Rentnerin Rosemarie (82) der Abendzeitung. Eine Engstelle für Fußgänger an der Kriemhildstraße hat die Stadt inzwischen verbreitert: "Jetzt geht's", sagt die alte Dame aus Nymphenburg.
Am Romanplatz hält seit Februar keine blaue Münchner Tram mehr. Der quirlige Verkehrsknotenpunkt ist aufgerissen und ganz mit rot-weißen Baken abgeriegelt. Bauarbeiter mit Warnwesten sind zu sehen: Die Münchner Verkehrsgesellschaft legt hier neun Weichen, sechs Kreuzungen und 220 Meter neue Gleise. Für die Tram 16 Richtung Stachus gibt es einen Schienenersatzverkehr mit Bussen.
"Diese Baustelle ist extrem nervig"

Besonders hart trifft die Baustelle die Bäckerei Wimmer direkt an der verwaisten Tramhaltestelle: "Wir haben massive Umsatzeinbußen von rund 30 Prozent. Kunden, die auf dem Weg zur Arbeit am Romanplatz genau vor unserer Bäckerei umgestiegen sind, fehlen jetzt ganz", sagt Filialleiterin Katrin Breit (27).
Die Folge: Nussschnecken, Maurersemmeln oder Himbeerschnitten bleiben abends liegen. "Wir geben die Waren an die Münchner Tafel. Ich habe die Bestellungen schon anpassen müssen", sagt Breit. Nicht nur Kunden schimpfen, es sei laut.
"Diese Baustelle ist extrem nervig. Als tagelang mit Presslufthämmern die Oberfläche aufgebrochen wurde, hatten wir Mitarbeiterinnen im Verkauf jeden Abend Halsschmerzen. Denn wir haben den Lärm überschrien", sagt die Bäckereiverkäuferin. Auch auf ihrer Freischankfläche trinkt bei Sonne kaum jemand Kaffee auf der Terrasse mit 36 Plätzen – zu ungemütlich.

Kundenschwund bei den Geschäften
Beim Friseur äußern sich Bürger. "Sie sagen, die Baustelle ist eine Katastrophe. Und sie klagen über Verspätungen", sagt Friseur Fadi. Sein junger Kunde Amad, der jede Woche zum Nachschneiden zum "korrektesten Friseur" kommt, wie er findet, meint: "Seit die 16er-Tram nicht mehr fährt, komme ich immer wieder zu spät zum Bonner Platz, wo ich jeden Tag hinfahre."

Kundenschwund treibt auch Buchhändlerin Ute Böhnke (67) um: "Viele ältere Kunden aus Obermenzing kommen über die Verdistraße mit dem Auto her. Doch jetzt können sie hier nirgends parken. 15 Parkplätze in der Wotanstraße sind abgesperrt. Also sparen sie sich den Weg zu uns und bestellen Bücher per Telefon", erlebt sie.
Baustelle besonders für ältere Menschen "schwer zu ertragen"
Das Problem daran: "Natürlich fällt dann die Möglichkeit zum Stöbern weg und die Chance mehr Bücher zu entdecken. Das ist sehr schade, denn wir sind ein sehr stöberfreudiger Laden", sagt Ute Böhnke.
Die große Baustelle sei für eine ältere Klientel "schwer zu ertragen". Persönlich ärgert sie sich über die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG). Zwischen 2018 und 2020 hat die MVG schon hier gebuddelt. "So kurz hintereinander zwei so große Baustellen am Romanplatz, das ist etwas heftig", sagt Ute Böhnke. "Ich verstehe nicht, warum die Weichen und Gleise für die Tram-Westtangente damals nicht mitgemacht wurden", wundert sie sich.

Vor dem Geschäft nebenan steht ein Ständer mit Badetüchern. Strandschlappen und Parfümflakons stehen im Fenster. Die Parfümerie Krampen ist seit 50 Jahren in Nymphenburg - und seit 1932 in München. Früher gab es sogar vier Filialen in der Stadt. "Dass es die Stadt nicht interessiert, dass die kleinen Geschäfte erhalten bleiben, verstehe ich nicht", sagt Inhaberin Sabine Bauer.
Wegen der neuen Gleise für die Tram-Westtangente in der Wotanstraße sind die Ein-Stunden-Parkplätze weggefallen. Nun kommen Kunden aus Pasing nicht mehr. "Erst hatten wir länger als ein Jahr Riesenbaustelle am Romanplatz, danach kam die Pandemie, dann Krieg und Energiekrise", erklärt die Geschäftsfrau ihre Situation.
BA-Chefin von Neuhausen-Nymphenburg bittet um Verständnis und Geduld
Zur neuen Tram-Westtangente sagt sie: "Ich kenne keinen Kunden, der dafür ist. Das ist ein Wahnsinnsaufwand, der viel Geld kostet. Es fährt doch der Bus 51 über die Wotanstraße durch die Laimer Unterführung über die Fürstenrieder Straße bis Aidenbachstraße."
Politikerin Anna Hanusch (Grüne) steht voll hinter dem Projekt: "Ich bitte die Bürger um Geduld und Verständnis. Denn die Tram-Westtangente nicht zu bauen ist keine Alternative", sagt die Tram-Freundin. "Die eigene Trasse ist ein großer Vorteil. Die Tram steht nicht im Stau, wie der Bus." Hanusch ist nicht nur Chefin des Bezirksausschusses Neuhausen-Nymphenburg, sondern auch Stadträtin: "Klar, die Baustelle ist nicht schön. Die Tram - in einer Stadt mit wachsender Bevölkerung - ist jedoch ein gutes Mittel, um die viel teurere U-Bahn zu ergänzen."
Tramhalt: Zum zweiten Mal aufgerissen
Die gute Nachricht ist: Die Trambahn-Baustellen Arnulfstraße und Romanplatz sind bis zum Beginn der Fußball-EM am Freitag, 14. Juni, fertig. Viele Menschen in Neuhausen-Nymphenburg erinnern sich daran, dass bereits 2019 die Straßenbahnen 16 und 17 acht Monate lang nicht fuhren. Neben Gleisbau errichtete die MVG damals die hohen Glas-Überdächer für die Wartenden - und pflasterte den Romanplatz hochwertig. Die AZ berichtete damals unter der Überschrift "Nadelöhr Romanplatz" über die Belastung von Fußgängern, Radlern und Autofahrern.

Die aktuellen Baustellen sind aus zwei Gründen nötig, informiert die MVG heute: Einmal haben die Gleise in der Arnulfstraße nach 28 Jahren das Ende ihrer Lebenszeit erreicht. Auf 2,4 Kilometern werden sie ausgetauscht. Zum anderen wird am Romanplatz ein Gleisdreieck mit einer Verbindung in die Wotanstraße gebaut: "Damit können die Züge auf der Neubaustrecke Tram-Westtangente dann in Richtung Laimer Bahnhof fahren", schreibt ein MVG-Sprecher. Warum die Verbindung zur Westtangente nicht 2019 in einem Aufwasch gelegt wurde?
Die Baugenehmigung für die neue Tram, die vom Romanplatz aus durch die Fürstenrieder Straße fahren wird, liege erst seit September 2023 vor, sagt MVG-Sprecher Maximilian Kaltner: "Wir hatten einen früheren Einbau des Gleisdreiecks für 2019 geprüft. Mit Blick auf den Zeitplan der Tram Westtangente haben wir uns dafür entschieden, für den Bau die notwendige Sperrung im Zuge der Gleiserneuerung 2024 zu nutzen."