Baustellenfrust in München: Romanplatz-Umbau sorgt für Unmut

Zwei große Trambaustellen am Romanplatz und in der Arnulfstraße belasten die Bürger von Nymphenburg. Es leiden auch die lokalen Geschäftsleute.
Eva von Steinburg
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An der Tramhaltestelle Romanplatz der 12er, 16er und 17er-Tram werden Weichen und Kreuzungen für die Tram-Westtangente gelegt.
An der Tramhaltestelle Romanplatz der 12er, 16er und 17er-Tram werden Weichen und Kreuzungen für die Tram-Westtangente gelegt. © Daniel von Loeper

Nymphenburg - Wer kann, meidet den Romanplatz – wegen Baustellenalarm. "Die Ampel an der Tramhaltestelle ist gesperrt. Mit meinem Rollator muss ich Umwege laufen. Diese Baustelle muss man erstmal überleben!", sagt Rentnerin Rosemarie (82) der Abendzeitung. Eine Engstelle für Fußgänger an der Kriemhildstraße hat die Stadt inzwischen verbreitert: "Jetzt geht's", sagt die alte Dame aus Nymphenburg.

Am Romanplatz hält seit Februar keine blaue Münchner Tram mehr. Der quirlige Verkehrsknotenpunkt ist aufgerissen und ganz mit rot-weißen Baken abgeriegelt. Bauarbeiter mit Warnwesten sind zu sehen: Die Münchner Verkehrsgesellschaft legt hier neun Weichen, sechs Kreuzungen und 220 Meter neue Gleise. Für die Tram 16 Richtung Stachus gibt es einen Schienenersatzverkehr mit Bussen.

"Diese Baustelle ist extrem nervig"

An der Tramhaltestelle Romanplatz der 12er, 16er und 17er-Tram werden Weichen und Kreuzungen für die Tram-Westtangente gelegt.
An der Tramhaltestelle Romanplatz der 12er, 16er und 17er-Tram werden Weichen und Kreuzungen für die Tram-Westtangente gelegt. © Daniel von Loeper

Besonders hart trifft die Baustelle die Bäckerei Wimmer direkt an der verwaisten Tramhaltestelle: "Wir haben massive Umsatzeinbußen von rund 30 Prozent. Kunden, die auf dem Weg zur Arbeit am Romanplatz genau vor unserer Bäckerei umgestiegen sind, fehlen jetzt ganz", sagt Filialleiterin Katrin Breit (27).

Die Folge: Nussschnecken, Maurersemmeln oder Himbeerschnitten bleiben abends liegen. "Wir geben die Waren an die Münchner Tafel. Ich habe die Bestellungen schon anpassen müssen", sagt Breit. Nicht nur Kunden schimpfen, es sei laut.

"Diese Baustelle ist extrem nervig. Als tagelang mit Presslufthämmern die Oberfläche aufgebrochen wurde, hatten wir Mitarbeiterinnen im Verkauf jeden Abend Halsschmerzen. Denn wir haben den Lärm überschrien", sagt die Bäckereiverkäuferin.  Auch auf ihrer Freischankfläche trinkt bei Sonne kaum jemand Kaffee auf der Terrasse mit 36 Plätzen – zu ungemütlich.

Auf der Bank vor ihrem Laden sitzt keiner: Friseur Fadi am Romanplatz in Neuhausen und Kunde Amad. Amad vermisst seine 16er Tram.
Auf der Bank vor ihrem Laden sitzt keiner: Friseur Fadi am Romanplatz in Neuhausen und Kunde Amad. Amad vermisst seine 16er Tram. © Daniel von Loeper

Kundenschwund bei den Geschäften

Beim Friseur äußern sich Bürger. "Sie sagen, die Baustelle ist eine Katastrophe. Und sie klagen über Verspätungen", sagt Friseur Fadi. Sein junger Kunde Amad, der jede Woche zum Nachschneiden zum "korrektesten Friseur" kommt, wie er findet, meint: "Seit die 16er-Tram nicht mehr fährt, komme ich immer wieder zu spät zum Bonner Platz, wo ich jeden Tag hinfahre."

Buchhändlerin Ute Böhnke (67) beklagt, dass viel weniger Bücherfreunde zum Stöbern in den Laden direkt am Romanplatz kommen
Buchhändlerin Ute Böhnke (67) beklagt, dass viel weniger Bücherfreunde zum Stöbern in den Laden direkt am Romanplatz kommen © Daniel von Loeper

Kundenschwund treibt auch Buchhändlerin Ute Böhnke (67) um: "Viele ältere Kunden aus Obermenzing kommen über die Verdistraße mit dem Auto her. Doch jetzt können sie hier nirgends parken. 15 Parkplätze in der Wotanstraße sind abgesperrt. Also sparen sie sich den Weg zu uns und bestellen Bücher per Telefon", erlebt sie.

Baustelle besonders für ältere Menschen "schwer zu ertragen"

Das Problem daran: "Natürlich fällt dann die Möglichkeit zum Stöbern weg und die Chance mehr Bücher zu entdecken. Das ist sehr schade, denn wir sind ein sehr stöberfreudiger Laden", sagt Ute Böhnke.

Die große Baustelle sei für eine ältere Klientel "schwer zu ertragen". Persönlich ärgert sie sich über die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG). Zwischen 2018 und 2020 hat die MVG schon hier gebuddelt. "So kurz hintereinander zwei so große Baustellen am Romanplatz, das ist etwas heftig", sagt Ute Böhnke. "Ich verstehe nicht, warum die Weichen und Gleise für die Tram-Westtangente damals nicht mitgemacht wurden", wundert sie sich.

Umwege sind für ältere Viertelbewohner eine Belastung: Rentnerin Rosemarie (82) kämpft sich mit Rollator durch die Baustellenlandschaft.
Umwege sind für ältere Viertelbewohner eine Belastung: Rentnerin Rosemarie (82) kämpft sich mit Rollator durch die Baustellenlandschaft. © Daniel von Loeper

Vor dem Geschäft nebenan steht ein Ständer mit Badetüchern. Strandschlappen und Parfümflakons stehen im Fenster. Die Parfümerie Krampen ist seit 50 Jahren in Nymphenburg - und seit 1932 in München. Früher gab es sogar vier Filialen in der Stadt. "Dass es die Stadt nicht interessiert, dass die kleinen Geschäfte erhalten bleiben, verstehe ich nicht", sagt Inhaberin Sabine Bauer.

Wegen der neuen Gleise für die Tram-Westtangente in der Wotanstraße sind die Ein-Stunden-Parkplätze weggefallen. Nun kommen Kunden aus Pasing nicht mehr. "Erst hatten wir länger als ein Jahr Riesenbaustelle am Romanplatz, danach kam die Pandemie, dann Krieg und Energiekrise", erklärt die Geschäftsfrau ihre Situation.

BA-Chefin von Neuhausen-Nymphenburg bittet um Verständnis und Geduld

Zur neuen Tram-Westtangente sagt sie: "Ich kenne keinen Kunden, der dafür ist. Das ist ein Wahnsinnsaufwand, der viel Geld kostet. Es fährt doch der Bus 51 über die Wotanstraße durch die Laimer Unterführung über die Fürstenrieder Straße bis Aidenbachstraße."

Politikerin Anna Hanusch (Grüne) steht voll hinter dem Projekt: "Ich bitte die Bürger um Geduld und Verständnis. Denn die Tram-Westtangente nicht zu bauen ist keine Alternative", sagt die Tram-Freundin. "Die eigene Trasse ist ein großer Vorteil. Die Tram steht nicht im Stau, wie der Bus." Hanusch ist nicht nur Chefin des Bezirksausschusses Neuhausen-Nymphenburg, sondern auch Stadträtin: "Klar, die Baustelle ist nicht schön. Die Tram - in einer Stadt mit wachsender Bevölkerung - ist jedoch ein gutes Mittel, um die viel teurere U-Bahn zu ergänzen."

Tramhalt: Zum zweiten Mal aufgerissen

Die gute Nachricht ist: Die Trambahn-Baustellen Arnulfstraße und Romanplatz sind bis zum Beginn der Fußball-EM am Freitag, 14. Juni, fertig. Viele Menschen in Neuhausen-Nymphenburg erinnern sich daran, dass bereits 2019 die Straßenbahnen 16 und 17 acht Monate lang nicht fuhren. Neben Gleisbau errichtete die MVG damals die hohen Glas-Überdächer für die Wartenden - und pflasterte den Romanplatz hochwertig. Die AZ berichtete damals unter der Überschrift "Nadelöhr Romanplatz" über die Belastung von Fußgängern, Radlern und Autofahrern.

Die längliche Tramhaltestelle Romanplatz heute: Rot-weiße Absperrungen und abgestellte Autos riegeln die große Baustelle ab.
Die längliche Tramhaltestelle Romanplatz heute: Rot-weiße Absperrungen und abgestellte Autos riegeln die große Baustelle ab. © Daniel von Loeper

Die aktuellen Baustellen sind aus zwei Gründen nötig, informiert die MVG heute: Einmal haben die Gleise in der Arnulfstraße nach 28 Jahren das Ende ihrer Lebenszeit erreicht. Auf 2,4 Kilometern werden sie ausgetauscht. Zum anderen wird am Romanplatz ein Gleisdreieck mit einer Verbindung in die Wotanstraße gebaut: "Damit können die Züge auf der Neubaustrecke Tram-Westtangente dann in Richtung Laimer Bahnhof fahren", schreibt ein MVG-Sprecher. Warum die Verbindung zur Westtangente nicht 2019 in einem Aufwasch gelegt wurde?

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Die Baugenehmigung für die neue Tram, die vom Romanplatz aus durch die Fürstenrieder Straße fahren wird, liege erst seit September 2023 vor, sagt MVG-Sprecher Maximilian Kaltner: "Wir hatten einen früheren Einbau des Gleisdreiecks für 2019 geprüft. Mit Blick auf den Zeitplan der Tram Westtangente haben wir uns dafür entschieden, für den Bau die notwendige Sperrung im Zuge der Gleiserneuerung 2024 zu nutzen."

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21 Kommentare
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  • JerryH am 05.05.2024 07:28 Uhr / Bewertung:

    Wieder einmal bestätigt sich meine Theorie weg mit der Trambahn braucht kein Mensch. Setzt die Gelenkbusse ein wie in Litauen,Lettland oder Polen. Da gibt's bis auf wenige Ausnahmen nur dieses Verkehrsmodell und fertig.Es ist sehr flexibel und auch effizient.
    Unglaublich dass das keiner kapiert.
    Man braucht keine Gleise/Weichen ect. keine sehr aufwendigigen Stromleitungen und deren Instandhaltung und dadurch keine Baustellen mehr. Auch ist es möglich mit Gas Diesel oder 🔋 Akku Betrieb zu fahren. Aber nein es muss ignoriert werden auf Teufel 😈 komm raus!
    Empfinde den Fehler.

  • Lichtzeichenanlage am 05.05.2024 21:52 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von JerryH

    Sie wissen aber schon, dass auch in München Gelenkbusse eingesetzt werden? Allerdings sind diese für Strecken mit hohem Fahrgastaufkommen nicht geeignet, weil sie zu wenig Kapazitäten besitzen, da braucht es dann eine Tram oder eine U-Bahn. Flexibilität ist nicht der einzige Faktor bei der Suche nach dem jeweils passenden Verkehrsmittel.
    Es ist auch bezeichnend, dass Sie Ihre seltsame "Theorie" allein durch die Aussagen irgendwelcher Geschäftsinhaber ohne jegliche Expertise bestätigt sehen. Ferner sollten Sie sich vielleicht mal besser informieren, denn dann würden Sie feststellen, dass es in diesen Staaten nicht umsonst ebenfalls Straßenbahn-Systeme gibt.

  • ESC-Gast am 03.05.2024 07:29 Uhr / Bewertung:

    Dass die CSU kein Freund der Tram ist, ist bekannt, auch wenn sie oft was anderes behaupten. Die unglaublich langen Bauzeiten sind aber parteiunabhängig, denke ich mal. Für eine neue Weiche am Scheidplatz braucht man 6 Monate, die Straße vom Schwabinger Krankenhaus ist immer noch gesperrt. Der Bahnhofsumbau am Sendlinger Tor dauerte 7 Jahre. Seit 10 Jahren wird eine U9 geplant, bis zum Betrieb dauert es nochmal ca. 20 Jahre obwohl dauernd von einer "dringend" notwendigen Entlastung gefaselt wird. Man hat den Eindruck, es soll gar nicht schneller gehen...

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