Story

Bauprojekt Paketposthalle: Zwei Türme, zwei Lager - und viele Bedenken

Die Pläne für die Paketposthalle begeistern die einen und bringen andere im Viertel zum Schäumen. Ein AZ-Rundgang in Neuhausen.
von  Andre Spannl
Die geplanten Türme an der Paketposthalle sind nicht allen Anwohnern willkommen. (Archivbild)
Die geplanten Türme an der Paketposthalle sind nicht allen Anwohnern willkommen. (Archivbild) © erzog & de Meuron

Neuhausen - Grauer Beton statt glänzende Glasfront. Wie auf den Hochglanz-Bildern des Architekturbüros von Herzog & de Meuron sieht die Paketposthalle wahrlich noch nicht aus. Postwagen fahren hier ein und aus. Die Ära der Post ist hier noch nicht vorbei, das Gelände wird weiterhin vom Unternehmen genutzt.

Nichts deutet auf die zwei 155 Meter hohen Türme hin, die hier entstehen sollen. Doch dass sie noch nicht da sind, heißt nicht, dass man im Viertel nicht schon hitzig über sie diskutiert. Im Gegenteil.

Vor der Paketposthalle findet man eine große Wiese. Perfekt für Hunde und Spaziergänger. Tom Kramer steht mit anderen Gassigehern hier. Man kennt sich und man kennt natürlich auch die Pläne für das Bauprojekt. "Es ist nötig, da in der Stadt München der Wohnraum und Gewerberaum fehlt. Im Westen der Stadt haben wir das noch nicht", sagt Kramer. Die Türme würden ihm zwar in seiner eigenen Wohnung die Sonne stehlen. "Das würde ich aber in Kauf nehmen," sagt er. "Für mich als Eigentümer ist es klar: Mein Immobilienwert steigt, insofern habe ich keine Einwände."

Ein klares Nein zu noch mehr Büros

Ursula Krause steht neben Kramer, auch sie gehört zur Gassi-Truppe - und die 74-Jährige widerspricht ihrem Bekannten: "Ich befürchte, dass das bisschen Natur, das wir hier noch haben, in die Binsen geht." Ein klares Nein gibt es von ihr auch für noch mehr Büros. "Die stehen oft leer und die brauchen wir weiß Gott nicht." Und die Mietwohnungen? Die werde sich kaum einer leisten können.

Die Arbeitsplätze, die hier entstehen könnten, wie es sich Tom Kramer erhofft, vielleicht auch solche von internationalen Konzernen wie Google oder Microsoft - für Ursula Krause wären die wieder nur ein Treiber dafür, dass Menschen sich Münchner nicht mehr leisten können. Und die Stadt verlassen müssen.

Neue Türme als "urbane Spekulation"?

Begona Gonzàles Otero (40) sieht das ähnlich. Auch sie führt an diesem Nachmittag ihren Hund vor der Paketposthalle Gassi. Das Projekt hält sie für nicht sehr nachhaltig. Es sei vielmehr "urbane Spekulation". Die Türme würden das Wohnungsproblem nicht lösen. Sie macht sich zusätzlich Sorgen um die Stimmung in ihrem Viertel.

Begona Gonzàles Otero hält die Neubaupläne für ein Beispiel von "urbaner Spekulation", wie sie sagt.
Begona Gonzàles Otero hält die Neubaupläne für ein Beispiel von "urbaner Spekulation", wie sie sagt. © Andre Spannl

Diesem Punkt stimmt auch Gassigänger Romano De Rada (42) zu. Grundsätzlich sei er für das Projekt. Allerdings nur unter einer Voraussetzung: Ihm sei es wichtig, dass die Hunde nicht in Vergessenheit gerieten. Eine nahe Wiese dürften sie seit ein paar Tagen nicht mehr nutzen, die Stadt hat hier ein Hundeverbot erteilt.

Anwohner bangen um Grünflächen

"Es wäre schön, wenn die Menschen aus der Nachbarschaft nicht die grünen Flächen verlieren", sagt De Rada. "Wenn da eine Kompensation entstehen kann, wäre das sehr gut. Die Stadt sollte sich darüber Gedanken machen."

Tom Kramer und Ursula Krause können sich beide für Hunde begeistern, für die 155-Meter-Türme nur einer von ihnen.
Tom Kramer und Ursula Krause können sich beide für Hunde begeistern, für die 155-Meter-Türme nur einer von ihnen. © Andre Spannl

Ein paar Querstraßen weiter, in der Wälsungenstraße. Hier befindet sich das Ewige Licht. Die urige Gastwirtschaft mit alten Möbeln und vielen Stammgästen füllt sich mittags langsam mit Menschen, vor allem im Außenbereich. Seit fünf Jahren arbeitet hier Torsten Milz (44). Dem Bauprojekt gegenüber ist er positiv gestimmt. "Eine gute Geschichte", sagt er. Er habe die Hoffnung, dass "hier ein paar Kunden hängenbleiben."

Wenn von 1.000 neuen Bewohnern nur 100 ins Gasthaus kämen, fände er das schon gut. "Durch den Lockdown war nicht so viel los", sagt er. Von den umliegenden Firmen, wie zum Beispiel Eon, kämen oft Gäste. Durch die neuen Büros, die dort entstehen sollen, könne das nochmal gefördert werden.

Für Torsten Milz sind die Neubaupläne "eine gute Geschichte".
Für Torsten Milz sind die Neubaupläne "eine gute Geschichte". © Andre Spannl

Wieder eine Straße weiter, in Richtung des Postgeländes, die Wilhelm-Hale-Straße. Hier ist die Werkstatt von Antonino Rizzo (41). Nicht sehr groß - seine Mitarbeiter schrauben an einem Audi. Die AZ hat Visualisierungen vom Bauprojekt dabei. Rizzo hat sie noch nie gesehen, er staunt. "Jungs, das muss ich euch zeigen", ruft er und geht mit dem Bild zu seinen Mitarbeitern. "Ich kaufe eine Wohnung", sagt einer und lacht.

Sorge um Lebensqualität durch das Bauprojekt an Paketposthalle

"Ich finde die Idee gut, den Platz zu nutzen, auch mit der Halle nebendran", sagt Rizzo. Ein Problem sieht er aber: "Die schöne Seite dieser Ecke wird überlastet, wenn nicht noch Grünflächen dazukommen", sagt er. "Das wird eng."

Antonino Rizzo in seiner Werkstatt. Eigentlich findet er die Türme nicht schlecht, aber wo sollen dann all die neuen Menschen ihre Freizeit verbringen?
Antonino Rizzo in seiner Werkstatt. Eigentlich findet er die Türme nicht schlecht, aber wo sollen dann all die neuen Menschen ihre Freizeit verbringen? © Andre Spannl

Auch die Lebensqualität könne sich ändern, befürchtet er. Die Sitzplätze im nahe gelegenen Biergarten seien schon jetzt knapp. Wenn jetzt noch 1.000 Menschen dazukämen, stünde man sich noch mehr gegenseitig auf den Füßen. "Es wäre nicht schlecht, darüber nachzudenken, wie man mehr Geschäfte und Freizeitangebote bieten kann", sagt Rizzo. Dennoch bräuchte München Wohnraum und deshalb sei das Projekt eine gute Idee.

Im Schatten der Türme

Dass dieses Bauunterfangen spaltet, merkt man auch im Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg. Die Vorsitzende Anna Hanusch (Grüne) bekommt das zu spüren. Manche Punkte würden kritisch gesehen, gibt die Politikerin zu. Darunter falle auch die Verschattung durch die zwei Türme. "Es gibt aber auch totale Fans", sagt sie.

Im Bezirksausschuss selbst habe es nur eine Stimme dagegen gegeben. Die Mehrheit des Gremiums stehe dahinter. Hanusch ist auch zuversichtlich, dass dort bezahlbarer Wohnraum entsteht. Zwar könnte der Anteil günstiger Wohnungen ihrer Ansicht nach noch höher sein, aber "es kann eine gute Mischung geben", hofft sie.

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