Baumfällungen an der Feilitzschstraße: Total-Kahlschlag an der Münchner Freiheit
Schwabing - Auf einmal geht alles ganz schnell. Donnerstagmorgen, ohne Ankündigung, rücken fünf Männer einer Gartenbaufirma mit vier Mitarbeitern vom städtischen Gartenbauamt an. Sie packen die Motorsägen aus, fahren eine Hebebühne aus. Dann beginnt einer 20 Meter hoch in der Baumkrone über dem Türkitch-Laden an der Feilitzschstraße zu sägen. Und schon fallen die ersten Äste.
Von außen sieht der Baum vital aus - aber innen ist Stammfäule
"Die machen alles nieder jetzt", ruft ein Radler im Vorbeifahren seiner Freundin zu. "Traurig", "extremst schade", sagen Schwabinger überrumpelt. "Warum müssen denn jetzt alle Bäume sterben?", fragt ein Passant.
Auch Friedrich Kreuter (72), der zufällig vorbeikommt, tut es leid um die Bäume. "Die standen schon in meiner Jugend da – vor 50 Jahren." Eine ältere Dame versucht noch, die Arbeiter umzustimmen. Ob man den Baum, an dem sie gerade sägen, nicht ausgraben könne mitsamt Wurzeln – und dann bei ihr im Garten wieder einpflanzen? Die Männer schütteln die Köpfe. "Das funktioniert nicht", sagt einer. Das Todesurteil über die vier Robinien vorm Karstadt in der Feilitzschstraße ist gefällt.
Umgestürzte Robine litt unter Stammfäule
Vor zehn Tagen war der fünfte und älteste in der Reihe, eine etwa 50 Jahre alte Robinie, vormittags plötzlich umgestürzt und gegen das Haus gegenüber gekracht. Kein Lüftlein ging, kein Auto hatte ihn angefahren – der Baum knickte scheinbar ohne jeden Anlass um. Erst im März hatte die Stadt diesen Baum und die vier neben ihm kontrollieren lassen, aber keine Anzeichen entdeckt, dass der Baum krank war. Er habe vital gewirkt.

Inzwischen aber weiß man: Die Robine hat unter Stammfäule gelitten. Von außen sei die nicht sichtbar gewesen, teilte das Baureferat am Donnerstag mit.
Es grenzt an ein Wunder, dass bei dem Baumsturz niemand verletzt wurde. Die Feilitzschstraße war um die Uhrzeit bereits belebt. Direkt gegenüber saß Friseurin Valdeta Berisha während einer Zigarettenpause auf einer Bank.
"Wäre der Baum einen halben Meter weiter seitlich aufgekommen, hätte es Tote gegeben", sagt einer der Baumpfleger, der aufpasst, dass kein Fußgänger den abgesperrten Bereich betritt. Für die vier Nachbarbäume habe nun auch keiner mehr garantieren können.
"Da reicht ein Windstoß und der Baum fällt um – und trifft ein Kind"
Das Baureferat bestätigt das. Man habe die vier Nachbar-Robinien, die äußerlich gesund wirkten, tiefergehend von einem Gutachter prüfen lassen. Mit dem "Ergebnis, dass auch diese Bäume nicht mehr verkehrssicher sind und gefällt werden müssen". Die eine Robinie habe sofort weg gemusst, erzählen die Arbeiter. Erst am Vortag sei der Gutachter dagewesen. Noch am selben Tag habe die Stadt die Gartenbaufirma beauftragt. "Da war Gefahr im Verzug", erzählt der Mann. "Da reicht ein Windstoß und der fällt um und trifft vielleicht ein Kind", sagt er. "Der Baum wächst nach – das Kind nicht."
Mittlerweile hat sich eine Menschentraube unter den Robinien gebildet, Männer und Frauen, die in der Nähe arbeiten und wohnen stehen am Dönerladen Türkitch an und schauen den Arbeitern zu. Der Mann im Tragekorb sägt sich aus 20 Metern Höhe von oben nach unten durch. Er setzt die Schnitte so präzise, dass sie unten nicht einmal die Straße sperren müssen. Der Stamm fällt scheibchenweise. Am Ende ist nur noch der Stumpf übrig.
"Man sieht, dass dieser Baum auch morsch ist", sagt ein Baumpfleger zur AZ. Die Robinie war schätzungsweise halb so alt wie die nebenan, die von allein umgestürzt ist. "Kein Wunder", meint er, "der Baum bekommt viel zu wenig Wasser und Nährstoffe. Er ist ja rundum einbetoniert."

"Wie soll sich da ein Baum entwickeln können?"
Der sogenannte Baumgraben um den Stamm ist gerade mal etwas mehr als zwei Meter auf zwei Meter groß, man müsste eigentlich sagen: klein. "Die Erde ist total verdichtet. Wie soll sich da ein Baum entwickeln können?", fragt er. Wenn dann auch noch ständig Menschen über das kleine Fleckerl Erde trampeln und ihre Räder oder sogar Autos dort parken, setze das dem Baum noch mehr zu.
Nach der Mittagspause muss nun auch Robinie Nummer drei dran glauben. Widerstand gegen die Baumfällaktion hat sich gar nicht erst formieren können. Zwischen Fällauftrag und Beginn der Aktion sind nicht einmal 24 Stunden vergangen.

Freie Wähler wollte Bäume mit Eil-Antrag retten
Dabei hatten die Freien Wähler im örtlichen Bezirksausschuss Schwabing-Freimann am Mittwoch noch einen Eil-Antrag formuliert, um die Bäume zu retten: Das Erd-Umfeld der Bäume müsse vergrößert, der Plattenbelag reduziert werden. Auch ein Betretverbot der Erde, frische Erde und regelmäßiges Gießen seien erforderlich.
"Am Mittwoch haben die Gutachter hier Tests mit Zugseilen gemacht", berichtet BA-Mitglied Horst Engler-Hamm. "Da hat einer aus dem Team zu mir gesagt, dass man die Bäume retten kann – wenn man das enge Pflaster wegnimmt, neue Erde in den Wurzelbereich gibt, gießt und so weiter. Und jetzt sollen die nicht mehr standfest sein? Das halte ich für verlogen."

Jetzt rätseln die Anwohner, ob und wann nachgepflanzt wird – und ob junge Baumstangerl, die da kommen, wohl ein Ersatz sein werden für die alten Robinien. Das Baureferat sagt auf AZ-Nachfrage, man könne aktuell "zum Pflanztermin und zur Baumart noch keine Aussage" treffen.
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