Bahnstreik sorgt für Wut in München: "Geht nur um das Ego eines Gewerkschaftsbosses"
München - Der Warnstreik der Lokführergewerkschaft GDL im Tarifstreit mit der Deutschen Bahn (DB) hat auch im bayerischen Regionalverkehr massive Einschränkungen zur Folge haben. Der Warnstreik kann auch die privaten Eisenbahnunternehmen in Bayern treffen, die nicht bestreikt werden.
Rat der Deutschen Bahn: Nicht notwendige Reisen verschieben
Der Streik begann am Mittwochabend (15. November) um 22 Uhr und soll am Donnerstagabend um 18 Uhr enden, Einschränkungen könne es jedoch auch noch in den Folgestunden geben, heißt es. Die Bahn bittet Fahrgäste, auf nicht unbedingt notwendige Reisen zu verzichten oder Fahrten zu verschieben. "Im gesamten Fern- und Regionalverkehr kommt es zu massiven Beeinträchtigungen durch den GDL-Streik", teilte die Bahn am frühen Donnerstagmorgen mit. Wer dennoch fahren müsse, sollte sich kurz vor Antritt der Reise in den Auskunftsmedien der Bahn informieren. Der Notfahrplan für den Personenverkehr sei angelaufen.
Streik-Beeinträchtigungen voraussichtlich bis Freitagmorgen
Die Bahn geht davon aus, dass in manchen Regionen kein Regionalzug unterwegs sein wird. Auch der S-Bahn-Verkehr in größeren Städten wie München ist betroffen. Im Fernverkehr rechnet der Konzern mit dem Ausfall von mehr als 80 Prozent aller ICE- und IC-Züge. Im Güterverkehr dürften die Folgen ebenfalls weitreichend sein.
Die zur DB gehörenden S-Bahnen in München und Nürnberg warnten ebenfalls vor Beeinträchtigungen. Am Donnerstag fahren sie regelmäßig auf der Stammstrecke, die Abstände zwischen den Abfahrten sind aber weitaus größer als normal. Klar ist auch: Beeinträchtigungen und Ausfälle werden voraussichtlich auch länger anhalten. Bei der S-Bahn München hofft man, dass man den geregelten Fahrplan ab Freitagmorgen wieder bedienen kann. Das sei derzeit das Ziel.

AZ-Umfrage: So gehen die Münchnerinnen und Münchner mit dem Bahnstreik um
Die AZ war am Streik-Tag an den Bahnhöfen der Stadt unterwegs und hat sich bei den Fahrgästen umgehört. Die Stimmung: Gespalten. Manche haben Verständnis für die Arbeitsniederlegung, andere wiederum können nicht nachvollziehen, warum die Lokführer (erneut) streiken.
Alexandra Obermeier (32), Studentin: "Ich will nach Untermenzing. Die S-Bahn ist wichtig und manchmal frustrierend. Aufgrund des Streiks ist es für mich eine halbe Stunde länger als sonst. Das geht noch – und passiert ja auch ohne Streik ab und zu", sagt etwa Alexandra Obermeier (32). Die Studentin könne die Forderung nach einer 35-Stunden-Woche jedoch nicht nachvollziehen – "es gibt doch Personalmangel".

Rentnerin Helga Pfeiffer (83) ist mit ihrem Mann wegen des Streiks kurzerhand aufs Rad umgestiegen, um am Donnerstag in die Stadt zu kommen. Von Waldtrudering aus ging es nach Trudering und von dort weiter mit der U-Bahn Richtung Innenstadt, die anders als die S-Bahnen und Regionalzüge nicht streiken. "Eine Freundin wollte nach Bad Wörishofen in den Urlaub. Für sie ist der Streik zum jetzigen Zeitpunkt ärgerlich", sagt Pfeiffer.

Stephan Gerstenberg (56), selbsternannter "Lebenskünstler" wird da schon deutlicher: "Es geht bei dem Streik nur um das Ego eines Gewerkschaftsbosses. Es ist schwer zu vermitteln, weshalb elf Prozent Lohnerhöhung nicht genug sein sollen." Die Bahn habe oft genug Probleme und sei oft unpünktlich, sagt Gerstenberg und ergänzt: "Die Stadt rund um den Marienplatz ist sehr leer. Ich bin gegen diesen Streik."

Reinigungskraft Monika Kollo (50) ist vom Streik eher weniger genervt. Der AZ sagt sie: "Mich ärgert der Streik nicht. Es ist ok, wenn Verzögerungen nicht allzu lange werden. Für mich dauert die Fahrt etwa eine halbe Stunde länger." Sie werde jetzt schauen, wie der Tag noch verläuft – und versuche dann das Beste aus der Situation zu machen.

Bayerische Regionalbahn und Co.: Streiken womöglich auch hier Mitarbeiter?
In Bayern fahren auf mehreren wichtigen Strecken aber nicht Züge der DB, sondern anderer Eisenbahnunternehmen. Dazu zählen die Bayerische Regiobahn (BRB), Go Ahead oder die Länderbahn mit ihren Alex-Zügen. Die BRB fährt unter anderem von München über Rosenheim nach Salzburg, Go Ahead auf der Strecke Augsburg-München, die Alex-Züge verbinden München mit Regensburg und Prag.
Sollten nicht nur DB-Lokführer streiken, sondern auch Fahrdienstleiter und andere Mitarbeiter der DB Netz, würde der Streik auch diese Verbindungen treffen. "Weil sich jedoch auch Mitarbeiter von DB Netz dem Streik anschließen könnten, steht der Länderbahn womöglich die Eisenbahninfrastruktur der Deutschen Bahn nur eingeschränkt zur Verfügung", teilte die Länderbahn mit. "Dadurch kann es auch zu Beeinträchtigungen bei den Zugverkehren der Länderbahn kommen."
Auch die BRB schloss Verspätungen und Zugausfälle nicht aus. Ein Sprecher von Go Ahead in Augsburg betonte: "Wir werden tun, was wir können."
Agilis teilt mit: "Wir fahren"
Einfach auf Züge der Österreichischen Bundesbahnen umzusteigen, wird für Fahrgäste in Bayern wohl ebenfalls keine Option sein. Der Bahnverkehr von und nach Deutschland werde während des Streiks voraussichtlich eingestellt, teilten die ÖBB am Mittwoch mit. Das gelte auch für die Nightjet-Nachtzüge nach Deutschland, Belgien und die Niederlande.
Optimistisch äußerte sich Agilis: "Wir fahren", erklärte das Unternehmen auf seiner Webseite. "Punktuell kann es zu Beeinträchtigungen kommen, wenn sich Mitarbeitende in den Stellwerken am Warnstreik beteiligen. Die DB geht jedoch davon aus, dass es sich dabei nur um vereinzelte Mitarbeitende handelt." Agilis bedient unter anderem die Verbindungen von Regensburg entlang der Donau, sowohl in Richtung Schwaben als auch nach Niederbayern.
DB-GDL-Tarifkonflikt: 20-stündiger Warnstreik auch in München
Der angekündigte Warnstreik bei der Bahn wird am Mittwoch und Donnerstag bundesweit zu zahlreichen Zugausfällen im Regional- und im Fernverkehr führen. Die Deutsche Bahn erstellte für den Ausstand der GDL einen Notfahrplan im Fernverkehr. Auch Fahrten von und nach München werden betroffen sein, ebenso die Münchner S-Bahn.
Fahrpläne für Streikphase: Stundentakt auf den Münchner S-Bahn-Linien?
Noch sind die Fahrplankonzepte für die Streikphase nicht final durchorganisiert. Für den Fernverkehr gibt es einen Notfahrplan, im Regionalverkehr ist demnach Ziel, "ein stark reduziertes Angebot zu fahren", wie eine Sprecherin von DB Regio am Mittwoch erklärte. "In welchem Umfang dies möglich ist, unterscheidet sich regional stark."
Die DB appellierte an die Fahrgäste, sich vor Beginn ihrer geplanten Fahrt zu informieren. Die S-Bahn München strebt demnach weitgehend einen Stundentakt an, zum Flughafen sollen die Bahnen alle 20 Minuten fahren. Am Donnerstagmorgen fallen einige S-Bahnen auf der Stammstrecke aus
Die U-Bahnen und Straßenbahnen in München sind von dem Streik nicht betroffen, weil sie nicht zur DB gehören und auf eigenen Gleisen unterwegs sind. In München scheinen am Donnerstag viele Arbeitnehmer im Home Office geblieben zu sein, weder am Hauptbahnhof noch an anderen U-Bahnhöfen war am Donnerstagmorgen zur Stoßzeit viel los.

Der ADAC warb für seine Pendlernetz-App, über die verhinderte Bahnfahrgäste Mitfahrgelegenheiten im Auto suchen können.
Deutsche Bahn rechnet vor: Mindestens jeder fünfte ICE oder IC fällt aus
Durch den Streik der Lokführergewerkschaft GDL wird am Donnerstag voraussichtlich nur jeder fünfte Zug im Fernverkehr fahren. "Wir rechnen damit, dass weniger als 20 Prozent der ICE- und IC-Züge fahren", sagte der DB-Sprecher Achim Stauß, am Mittwoch in Berlin. Es würden längere Züge mit mehr Sitzplätze eingesetzt. Erste Züge dürften bereits am Mittwochabend ausfallen, weil sie andernfalls stranden könnten. Im Regionalverkehr sei ebenfalls mit "massiven Beeinträchtigungen" zu rechnen, sagte Stauß weiter. Die Auswirkungen seien regional unterschiedlich, in einigen Regionen werde voraussichtlich "kein einziger Zug" verkehren. Auch der Schienengüterverkehr werde beeinträchtigt.
Mit dem 20-stündigen Warnstreik verschärft Gewerkschaftschef Claus Weselsky schon nach der ersten Verhandlungsrunde die Gangart im Tarifkonflikt. Bahn-Personalvorstand Martin Seiler reagierte mit scharfer Kritik auf den Schritt der Gewerkschaft. Der Warnstreik sei "völlig unnötig" und eine Zumutung für Bahnreisende.
Bahn-Streik: "Auch im Regionalverkehr massive Einschränkungen"
Im Regionalverkehr will die Deutsche Bahn eigenen Angaben zufolge ebenso versuchen, ein stark reduziertes Angebot auf die Schiene zu bringen. "In welchem Umfang dies möglich ist, unterscheidet sich regional stark. In jedem Fall wird es auch im Regionalverkehr massive Einschränkungen geben", teilte der Konzern mit.
Tickets für Fahrten am Mittwoch und Donnerstag könnten auch zu einem späteren Zeitpunkt genutzt werden. Die Zugbindung sei aufgehoben. "Die Fahrkarte gilt dabei für die Fahrt zum ursprünglichen Zielort auch mit einer geänderten Streckenführung. Sitzplatzreservierungen können kostenfrei storniert werden", hieß es. Fahrgäste sollen sich über s-bahn-muenchen.de regelmäßig über ihre Verbindung informieren. Telefonische Nachfragen zum GDL-Warnstreik und seine Auswirkungen auf den Bahnverkehr sind über die kostenfreie Hotline-Nummer 08000-996633 möglich.
Erhöhte Nachfrage nach Bussen und Mietwagen wegen des Warnstreiks
Zahlreiche Reisende wollen auf Busse oder Mietwagen umsteigen. "Wir sehen durch den angekündigten Streik sowohl bei FlixBus als auch bei FlixTrain eine deutlich erhöhte Nachfrage nach Tickets", sagte ein Sprecher der Fernbus- und Bahnplattform Flix in München der Deutschen Presse-Agentur. "Wir haben aber genug Kapazitäten, so dass DB-Reisende auch kurzfristig noch auf unsere Angebote umsteigen können." Bei Bedarf würden zusätzliche Fahrzeuge eingesetzt, berichtete der Sprecher weiter. "FlixTrain ist vom Streik nicht betroffen und verkehrt wie gewohnt."
In Deutschland sind 84 Prozent mehr Mietwagen für Mittwoch und Donnerstag gebucht worden als in der Vorwoche. Das ist wohl eine Folge des angekündigten Warnstreiks bei der Bahn. In Frankfurt am Main liegt der Buchungsanstieg sogar bei 157 Prozent, wie aus Zahlen des Preisvergleichportals "Check24" hervorgeht. Auch in Leipzig, Berlin und Köln gab es einen Buchungsanstieg von mehr als 100 Prozent, hieß es in der Mitteilung vom Mittwoch. Auch die Preise sind im Vergleich zur Vorwoche im bundesweiten Durchschnitt um 23 Prozent angestiegen. Am stärksten gestiegen sind sie in Köln (56 Prozent) und Leipzig (53 Prozent).
GDL fordert bis zu 3.000 Euro Lohnausgleich
Die GDL fordert bei den Tarifverhandlungen mit der Bahn unter anderem 555 Euro mehr pro Monat für die Beschäftigten sowie eine Inflationsausgleichsprämie von bis zu 3.000 Euro. Besonders wichtig ist Weselsky zudem eine Arbeitszeitreduzierung von 38 auf 35 Stunden für Schichtarbeiter bei vollem Lohnausgleich.
Die Bahn hält eine Arbeitszeitreduzierung für nicht realisierbar und lehnt bisher jede Verhandlung darüber ab. DB-Personalvorstand Martin Seiler bot stattdessen in der ersten Verhandlungsrunde eine elfprozentige Entgelterhöhung bei einer Laufzeit von 32 Monaten an. Auch zur Zahlung der Inflationsausgleichsprämie zeigte er sich bereit. "Zu wenig, zu lange und am Ende des Tages nicht ausreichend", war Weselskys Kommentar zum Arbeitgeberangebot.
GDL-Warnstreik: Zweite Verhandlungsrunde ausgesetzt
Nach der Ankündigung des Warnstreiks hat die Deutsche Bahn am Mittwoch die zweite Tarifverhandlungsrunde in dieser Woche abgesagt. "Entweder man streikt, oder man verhandelt. Beides gleichzeitig geht nicht", sagte Personalvorstand Martin Seiler. Die für diesen Donnerstag und Freitag geplanten Gespräche fänden deshalb nicht statt.
Nach den ersten Verhandlungen hatten sich beide Seiten auf einen Fahrplan für die Tarifrunde geeinigt. Im Wochenrhythmus sollte weiterverhandelt werden. "Wer diese Verabredungen in dieser Gestalt bricht und kurzfristig zu Streiks aufruft und die Reisenden damit in Haftung nimmt, der kann nicht erwarten, dass wir weiter am Verhandlungstisch sitzen", sagte Seiler.
Geplante Gespräche im Tarifkonflikt: Folgt gleich der nächste Arbeitskampf?
Wie die beiden Parteien an dieser Stelle zueinander finden sollen, ist derzeit völlig unklar. Die nächsten vereinbarten Gesprächstermine sind der 23. und 24. November. Ob diese stattfinden, ließen beide Seiten am Mittwoch ebenfalls offen. Sicher ist aber, dass der Aufruf zum Warnstreik dem Vertrauensverhältnis in dem noch jungen Tarifkonflikt geschadet hat.
Viele hatten bereits mit einem Streikaufruf zu Verhandlungsbeginn gerechnet. Dieser blieb aus, stattdessen verhandelten Weselsky und sein Team gut fünf Stunden lang mit den Bahn-Vertretern. Anschließend präsentierte der GDL-Chef vor allem die vielen Verhandlungstermine noch vor Weihnachten als Erfolg – von denen nun mindestens zwei nicht stattfinden werden.
Für die Folgetermine dürfte vieles davon abhängen, wie sich die GDL nach dem angekündigten Warnstreik verhalten wird – und ob möglicherweise gleich ein weiterer Arbeitskampf folgt.
80 Prozent des Fernverkehrs fällt aus
Die GDL ist die kleinere von zwei Gewerkschaften bei der Bahn, sie hat aber vor allem durch die vielen Lokführer in ihren Reihen die Möglichkeit, den Bahnverkehr empfindlich zu stören. Die Bahn wendet die Tarifverträge der GDL bisher in 18 von rund 300 Betrieben an und betont, von den nun begonnenen Tarifverhandlungen seien lediglich rund 10.000 Bahnbeschäftigte betroffen. Zum Vergleich: Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG handelte im Frühjahr und Sommer neue Tarifverträge für gut 180.000 DB-Beschäftigte aus.
Der Aufruf zum Warnstreik der GDL richtet sich nicht nur an DB-Beschäftigte, sondern auch an Angestellte anderer Unternehmen, mit denen die Gewerkschaft derzeit über neue Tarifverträge verhandelt. Die Deutsche Bahn ist aber in Deutschland das mit Abstand größte Eisenbahnunternehmen – der bundeseigene Konzern steht daher beim Warnstreik im Fokus.
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