Bäckereien in Not: Kostet Brot bald 25 Euro?
München - Betriebe und Verbände schlagen Alarm: Bäckereien kämpfen derzeit um ihre Existenz. Schuld sind die gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise sowie höhere Personalausgaben. Dieser "Kosten-Tsunami", wie es der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks in Berlin betitelt, lässt viele Handwerksmeister besorgt in die Zukunft blicken. Tausende Betriebe sind demnach gefährdet.
Hilfe dringend benötigt: Backwaren werden teuer
Einigen bleibt in der Folge nichts anderes übrig, als einen Teil ihrer Mehrkosten an die Kunden weiterzugeben – und die Preise für ihre Backwaren zu erhöhen. Kostet Brot also bald 25 Euro? Oder werden die Öfen gänzlich abgeschaltet? Fest steht: Es wird dringend Hilfe benötigt.
Bäckereien schließen: Minus von 2,3 Prozent in Bayern
Ein paar Zahlen: In Bayern gibt es nach Angaben des Zentralverbandes 2.202 Bäckereien (Stand 21.12. 2021). Allein im letzten Jahr haben 127 Unternehmen im Freistaat dichtgemacht, 76 wurden jedoch auch neu gegründet. Das entspricht einem Minus von 2,3 Prozent, sagt der Zentralverbands-Geschäftsführer Daniel Schneider der AZ.

70 Prozent haben Gas-Ofen
Insgesamt gibt es in Deutschland noch 9.965 Bäckereibetriebe. Rund 70 Prozent von ihnen betreiben ihre Öfen mit Gas. Sie haben jetzt teils mit "wahnwitzigen Preissteigerungen zu kämpfen", so Schneider. Und auch die anderen seien betroffen, denn die Öl- und Stromkosten hätten schließlich ebenso stark angezogen.
Das Bäckerhandwerk befinde sich in einer Situation, "die so schwierig ist wie selten zuvor in seiner jahrhundertelangen Geschichte", sagt auch der Geschäftsführer des Landes-Innungsverbandes für das bayerische Bäckerhandwerk Stephan Kopp der AZ.
Rasanteres Bäckereisterben?
Dies bestätigt auch Eyüp Aramaz der AZ, der als Unternehmensberater mit vielen Bäckereien im Austausch ist. Viele wüssten nicht, wie es künftig weitergehen soll. Durch die Teuerungen werde das Bäckereisterben noch schneller stattfinden, bei seit Jahren sowieso schon rückläufigen Zahlen.
"Überall rutschen vor allem kleinere, inhabergeführte Betriebe jetzt in die Insolvenz, weil sie die verzehnfachten Kosten einfach nicht mehr stemmen können." Wenn die Situation sich weiter verschlimmere, werde es bald nur noch die Hälfte der Bäckereien geben, vermutet er. "Und Brot wird zum Luxusgut und kostet künftig 25 Euro."

Die Brot- und Feinbäckerei Neulinger etwa, die fünf Filialen in München besitzt, leidet unter den gestiegenen Energiekosten. "Die schlagen aktuell extrem ein", sagt Geschäftsführerin Gabriele Kiesewetter der AZ. Benutzt werden dort Strom-, Gas- und Holzöfen. Die Produktion werde optimiert, wo es nur möglich sei, Strom gespart. Die Nachtbeleuchtung etwa sei eingeschränkt, jede Glühbirne überprüft worden. Doch das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein im Vergleich zu den Kosten, die die Öfen verursachen. "Aber wir müssen backen, wir sind eine Bäckerei."
"Seit Juli zahlen wir 15.000 Euro monatlich – nur für Strom"
Die extreme Situation veranschaulicht Kiesewetter an einem Beispiel und hört sich dabei sehr betroffen an: Die Stromrechnung habe im ersten Halbjahr 2022 für einen Produktionsstandort etwa 3.000 bis 4.000 Euro monatlich betragen. Seit Juli sind es 15.000 Euro. Und die jüngste Erhöhung sei gerade eingetroffen: "Ab Oktober zahlen wir nochmal 50 Prozent mehr." Das mache insgesamt eine Versiebenfachung der Rechnungshöhe – allein für Strom.
Hinzu kommen die in die Höhe geschossenen Preise für Rohstoffe. Als Biobäckerei sei man jedoch weniger betroffen als andere, weil alle Produkte lokal bezogen werden. Dennoch: Zehn bis 15 Prozent Mehrausgaben etwa für Butter und Milch müssten einkalkuliert werden.
Mehl-Preis: 65 Euro anstatt 32 Euro pro 100 Kilo
Regina Wörmann von der gleichnamigen Bäckerei und Konditorei aus dem Kreis Dachau hingegen muss zwischen 30 und 100 Prozent mehr für Rohstoffe ausgeben als im Vorjahr, erzählt sie der AZ. "Mehl etwa kostet jetzt 65 statt 32 Euro pro 100 Kilogramm." Doch eine Bäckerei zähle zu den Grundernährern. Die Preise könnten nicht einfach zu 100 Prozent an die Verbraucher weitergegeben werden. An einen Brot-Preis von künftig 25 Euro glaubt sie deshalb nicht, doch würde er, im Falle der Komplett-Weitergabe, um einiges teurer werden.
Teuerung an die Kunden weitergeben?
Derzeit werden Reserven angegriffen, erzählt Kiesewetter. "Die Lage ist jedenfalls bedrohlich, wenn die Preisspirale weiter so anzieht – und die kalten Monate kommen ja erst noch." Die Teuerung an die Kunden weiterzugeben, sei für die Bäckerei Neulinger noch keine Option. "Das machen und trauen wir uns auch nicht, weil wir unsere Kunden behalten wollen."
Wörmann hat ihre Preise um acht bis neun Prozent erhöht, immerhin etwas, um die Mehrausgaben zu kompensieren. "Ein Laib Mischbrot kostet jetzt 4,40 statt 4,10 Euro für 1.000 Gramm." Doch eine Eins-zu-Eins-Weitergabe an die Käufer wolle man auch hier nicht riskieren. Der Fachhandel greife ebenso auf Rücklagen zurück - "doch auch die sind irgendwann aufgebraucht".
Steigende Personalkosten durch neuen Mindestlohn
Durch die Erhöhung des Mindestlohnes auf zwölf Euro würden zudem die Personalkosten steigen. Der Mindestlohn führt dazu, dass das Lohngefüge über alle Lohngruppen entsprechend steigt, denn ein Bäckergeselle sollte mehr verdienen als eine ungelernte Kraft, so der Zentralverband.
"Wenn die Politik nicht gegensteuert, gibt es uns nicht mehr lange"
Betriebe und Verbände appellieren nun an die Regierung: Die Kostenexplosion sorge dafür, dass Unternehmer in existenzbedrohende Schwierigkeiten geraten, so Schneider. Wenn nicht schnell und unbürokratisch geholfen werde, seien nicht nur Tausende Arbeitsplätze gefährdet. Auch die Versorgung der Bevölkerung vor allem im ländlichen Raum sei gefährdet.
Verbände und Bäckereien warten auf Habecks Hilfe
Was wird folglich gefordert? Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte kürzlich erweiterte Hilfen auch für kleinere und mittlere Unternehmen angekündigt. Das Energiekostendämpfungsprogramm (EKDP) müsse auch für Handwerksbetriebe geöffnet werden, so Landes-Innungsverband-Sprecher Kopp. Darauf warten nun Verbände und Bäckereien, wie die genannten einstimmig der AZ berichten.
Dasselbe fordert der Zentralverband. Zudem einen finanziellen Rettungsschirm, etwa durch die Deckelung der Energiekosten, Zuschüsse, eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel oder Ausnahmen von der CO2-Abgabe beziehungsweise Gas-Umlage. Die Schuldenbremse müsse ausgesetzt werden.
"Wenn die Politik nicht gegensteuert, weiß ich nicht, wie lange es noch Handwerksbetriebe gibt", meint Wörmann. Und auch Kiesewetter sagt: "Ich liebe unsere Handwerkskultur in Deutschland! Es wäre doch schade, wenn die verschwindet!"