AZ-Spenden-Aktion: Hochzeitstag im Hochwasser

Alexandra und Franz-Josef Feilmeier haben vor genau einem Jahr geheiratet. Jetzt bangen sie um ihr Start-Up-Unternehmen in Fischerdorf: Die Flut hat Waren für 250000 Euro überschwemmt
von  Natalie Kettinger
Alexandra und Franz-Josef Feilmeier (M.) warten mit dessen Bruder Stefan auf ein Boot, das sie zu ihrer Firma bringt.
Alexandra und Franz-Josef Feilmeier (M.) warten mit dessen Bruder Stefan auf ein Boot, das sie zu ihrer Firma bringt. © Sigi Müller

In Arbeitshosen und Gummistiefeln sitzen Alexandra (26) und Franz-Josef Feilmeier (30) vor dem Bushäuschen am Ortseingang von Fischerdorf. Busse fahren hier seit Tagen keine mehr, stattdessen hängt ein handgeschriebenes Schild am Fahrplan: „Haltestelle Boot“. Das Bushäuschen ist zum Sammelplatz für all die geworden, die nachsehen wollen, was die Flut von ihrer Existenz übrig gelassen hat: von ihren Häusern, von ihren Firmen.

Franz-Josef Feilmeier ist Chef des Start-Ups „Fenecon“, einem Unternehmen für Photovoltaik, Energie-Speichersysteme und LED-Beleuchtungstechnik. Die junge Mannschaft war äußerst erfolgreich, wurde 2012 sogar mit dem Niederbayerischen Gründerpreis ausgezeichnet.

Dann brach der Isar-Damm bei Deggendorf. In kürzester Zeit stand das ölverseuchte Wasser 1,7 Meter hoch im Waren-Lager. Produkte im Wert von 250000Euro sind ruiniert. Bepackt mit Eimern, Schaufel und Besen warten der Geschäftsführer und seine Frau nun darauf, dass sie ein Boot zur Halle bringt. Es ist ihr erster Hochzeitstag. Auch sie wollen wir mit der AZ-Spenden-Aktion „Münchner helfen“ (s. Kasten) unterstützen.

„Wir sind fast alle Absolventen der FH Deggendorf, ein hochmotiviertes Team, das eng mit der Hochschule zusammenarbeitet“, sagt Franz-Josef Feilmeier. Sein Bruder Stefan (27) ist für EDV und Marketing zuständig, Alexandras Schwester ist ebenfalls dabei. Am Tag vor der Katastrophe war die Stimmung bei „Fenecon“ ausgelassen. Die Mitarbeiter verschickten Einladungen zum Sommerfest. „Wir wollten den zweiten Firmen-Geburtstag feiern und ein Product-Release.“

 

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Zudem hatten die Jung-Unternehmer gerade eine finanzielle Herausforderung gemeistert: Wegen der drohenden Import-Zölle auf chinesische Solar-Produkte hatten sie in Fernost bestellt, was die Firmen-Kasse hergab. Franz-Josef Feilmeier: „Wir haben uns ganz schön gestreckt, damit wir genug Photovoltaik- und LED-Anlagen vorrätig haben.“ Die Sparkasse, Ausrichterin des Gründerpreises, half mit einem Kredit. Vier Tage vor der Flut kam die Lieferung.

Als klar war, dass die Helfer den Deich nicht halten konnten, erkundigten sich die Feilmeiers bei den Nachbarn nach den möglichen Auswirkungen. „Die haben gesagt: Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass es das Wasser zehn oder 15 Zentimeter aus den Gullis rausdrückt. Vielleicht steigt’s auch auf 1,20 Meter“, erzählt Stefan, der mit Bruder und Schwägerin am Bushäuschen auf ein Boot wartet.

Also stemmten die „Fenecon“-Mitarbeiter ihre Ware in die oberen Fächer der Regale und hievten Paletten zu Türmen aufeinander. „Als wir fertig waren, haben wir gedacht, dass wir sicher sind und der Feuerwehr an anderen Stellen in Fischerdorf beim Sandsäcke-Stapeln helfen“, erzählt Franz-Josef Feilmeier.

Am Dienstag mussten sie dann hilflos zusehen, wie das Wasser ihre Ware fraß. „Die Flut war so stark, dass sie die großen Heuballen, die überall auf den Feldern lagen, wie Spielzeug mitgerissen hat.“

Vier Tage später standen sie zum ersten Mal wieder im Lager: Das Wasser hat die Kartons aus China durcheinander gewirbelt, 500 Kilo schwere Kisten mit Solar-Modulen auf den Kopf gedreht. „Vieles, was wir in die Regale geräumt haben, hat’s Schwimmen angefangen.“ Aus Kartons mit LED-Röhren trieft der Schlamm. „In einer einzigen solchen Schachtel sind 50 Röhren, von denen jede 50 Euro kostet“, sagt Stefan Feilmeier. Die jungen Leute hatten etliche davon vorrätig – die Flut hat sie vernichtet. Solar-Module hingegen könnten Wasser ganz gut verkraften, sagen die Feilmeiers. „Aber keiner weiß, was Öl, Dreck und Sand angerichtet haben. Im schlimmsten Fall ist alles kaputt.“ Die beiden Firmentransporter hat das Wasser auch erwischt.

 

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Besonders tragisch: Für den Verlust wird niemand aufkommen. Gegen Hochwasser kann man sich in Fischerdorf kaum versichern. Eine Lagerinhalts-Versicherung konnte das „Fenecon“-Team nicht abschließen, weil es sich die Halle mit dem Vermieter teilt. Demnächst sollte deshalb eine Mauer eingezogen werden. Der Neuanfang wird hart.

Trotzdem ist es Franz-Josef Feilmeier ein wenig unangenehm, dass nun andere für ihn Spenden sammeln wollen. Er hat in China gearbeitet und im Senegal, die Armut in Asien und Afrika gesehen. „Im Vergleich dazu geht es uns gut“, sagt er tapfer. „Wir haben noch unser Zuhause, keinem unserer Lieben ist etwas passiert.“

Er zögert lange, bis er leise eingesteht, dass seine Firma dennoch auf Unterstützung angewiesen ist: „Natürlich wäre das hilfreich. Aber am liebsten wäre es uns, die Leute würden ein Stromspeichersystem von uns kaufen. Wir wollen die Ärmel raufkrempeln, Leistung erbringen und es aus eigener Kraft schaffen.“

 

Hier können Sie spenden

 

 

Wollen auch Sie einen Beitrag dazu leisten, dass die Feilmeiers und andere Flut-Opfer wieder auf die Beine kommen? Mit der Aktion „Münchner helfen“ unterstützt die AZ Menschen in Not – ursprünglich in München, nun auch im Hochwassergebiet. Die AZ kann für Spenden ab 201 Euro Bescheinigungen fürs Finanzamt ausstellen (Adresse nicht vergessen!). Für niedrigere Beträge gilt der Überweisungsbeleg als Bestätigung.

Das Spenden-Konto des AZ-Vereins „Münchner helfen e.V.“:

Privatbank DONNER & REUSCHEL Konto-Nr.: 333 888 333 BLZ: 200 303 00

 

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