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AZ-Report vom Impfbus in Neuperlach: Bis der Arzt zu mir kommt

Menschen aus ärmeren Schichten lassen sich seltener impfen als die Mittelschicht. Mit ihrem Angebot vor Ort wollen mobile Impfteams diese Lücke schließen.
Helena Ott |
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Sie waren spontan: Daniela und Vincenzo Pascali haben sich bei einer mobilen Station in Neuperlach impfen lassen - obwohl zumindest Vincenzo eher skeptisch war.
Sie waren spontan: Daniela und Vincenzo Pascali haben sich bei einer mobilen Station in Neuperlach impfen lassen - obwohl zumindest Vincenzo eher skeptisch war. © Daniel von Loeper

Neuperlach - Als Vincenzo Pascali am Nachmittag das Einkaufszentrum Pep im Münchner Osten betritt, weiß er noch nicht, dass ihm ein Mann wenig später eine Spritze in den Oberarm setzen wird.

Pascali, Vater einer fünf Monate alten Tochter, war bisher unsicher. Er habe gerade ein gesundes Kind bekommen. "Wer kann mir sagen, dass das nach einer Impfung noch einmal möglich ist?", fragt Pascali. Seine Frau Daniela guckt skeptisch zu ihm. Sie gibt weniger auf die Mythen, die über die Corona-Impfung verbreitet werden.

Spontan für die Impfung entschieden

Das Neuperlacher Paar hat die Schilder "Heute Impfung ohne Termin" beim Einkaufen gesehen. Spontan haben sie sich entschieden, es hinter sich zu bringen. "Wenn du nicht geimpft bist, kannst du bald nichts mehr machen", ist Pascali überzeugt. Er betreibt ein italienisches Lokal.

Mit den neuen Regeln für Geimpfte, Genese oder Getestete - kurz 3G und 2G - müsste er bald jeden Tag einen Test bezahlen. Da ist er eingeknickt; zum überzeugten Impf-Euphoriker macht ihn das noch lange nicht.

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Zumindest geht es im Pep schnell und tut nicht weh. Das mobile Impfteam der Aicher Ambulanz hat in einer ehemaligen Filiale der Modekette Pimkie eine Impfstraße aufgebaut. Familie Pascali ist jetzt auf Höhe der Impfküche angelangt - hier werden die Spritzen aufgezogen.

Als Daniela hinter dem Sichtschutz verschwindet, drückt sie Vincenzo Baby Alessia in den Arm. Fliegender Wechsel, und der Vater bekommt die Impfung.

Es sind noch mehr mobile Einsätze geplant

58 mobile Einsätze hat das von der Stadt München beauftragte Impfteam bereits durchgeführt - zehn weitere sind in verschiedenen Vierteln geplant. Das Team aus Sanitätern, Pflegekräften, Freiwilligen und Ärzten will Menschen erreichen, die schlecht zu Fuß sind, kein Geld für ein MVG-Ticket haben, keine digitalen Kanäle nutzen oder wegen sprachlicher Barrieren weniger Information zum Impfen erhalten. Mit dem Impfbus waren sie schon vor den Pasing Arcaden, in einer Moschee oder am Marienplatz.

Hier werden Menschen erreicht, die nicht nach Riem kommen

In Neuperlach leben mehr Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, mit niedrigem Bildungsgrad und aus ärmeren Schichten als in den Innenstadtvierteln. Das mobile Angebot ist hier deshalb eine besondere Chance, Menschen zu erreichen, die nicht zum Impfzentrum draußen in Riem kommen.

Weil sie nicht können oder weil sie zunächst nicht wollen: Statt Ärzten oder Lehrern im Freundeskreis haben die Menschen hier oft andere soziale Umfelder, in denen eher Falschinformationen gegen das Impfen kursieren.

Jetzt wird im Modeladen geimpft

Die leerstehende Modekettenfiliale leuchtet in künstlichem Neonröhrenlicht. Die Stimmung ist wuselig, aber Reihenfolge und Ordnung werden eingehalten. Überall sind noch die Spiegel an den Wänden, die ehemaligen Umkleiden wurden zur Impfküche umfunktioniert.

Fünf Ärztinnen und Ärzte sind im Einsatz - dazu 15 Helfer. Wie seit Juli auch in den Messehallen möglich, wird ohne Termin und Anmeldung geimpft. Man muss sich nur fit fühlen und ein Ausweisdokument dabei haben. Selbst wenn man den Impfpass vergessen hat, kann man die Immunisierung später nachtragen lassen.

Informationen gibt es in mehreren Sprachen

An der ersten Station stehen Helfer und Helferinnen mit Informationszetteln in mehreren Sprachen. Aber das meiste passiert mündlich: Welcher Impfstoff ist der beste? Stimmt es, dass man sich trotzdem anstecken kann? Kann man am nächsten Tag zur Arbeit? Alles Fragen, die man nicht mit wenigen Worten beantworten kann, sondern eigentlich immer mit einem "kommt darauf an".

In der Warteschlange werden viele Sprachen gesprochen ...
In der Warteschlange werden viele Sprachen gesprochen ... © Daniel von Loeper

Aber die Helfer nehmen sich viel Zeit, bleiben stehen, bis alle Fragen gefragt sind. Nicht alle, aber geschätzt zwei Drittel der Fragesteller treten dann ein. An diesem Dienstag gibt es keinen Leerlauf, mal warten 30 Menschen, mal fünf. Aber die Impfkabinen sind immer voll.

200 Impfungen an einem Tag

Gegen 15 Uhr schätzt der Leiter des Münchner Impfzentrums Maximilian Hinkofer, der das Team in Neuperlach kurz besucht, dass sie an diesem Tag 200 Menschen impfen könnten. Bei einem Einsatz am Marienplatz seien es sogar 300 gewesen.

Zuerst war der 33-Jährige selbst überrascht, dass die mobilen Stationen so viel Zulauf haben. Aber nach einiger Zeit habe er verstanden, dass für Menschen, die den ganzen Tag hart arbeiten oder nicht mobil sind, der Weg nach Riem eben doch zu weit ist, um sich impfen zu lassen.

Sprachliche Barrieren sind oft ein Hindernis

Leyla Duman, Allgemeinärztin, hat schon viele mobile Einsätze mitgemacht. "Die, die jetzt erst kommen", sagt Duman, "sind überwiegend Impflinge, die eher skeptisch sind." Um Mundpropaganda, der Impfstoff würde unfruchtbar machen oder würde gar nicht mehr gegen die neueste Variante schützen, zu entkräften, hilft der Ärztin ihre türkische Muttersprache. "Es liegt schon oft noch an sprachlichen Barrieren, dass sich Leute nicht impfen lassen", glaubt Duman.

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Zwar gebe es Informationsblätter auf Türkisch und anderen Sprachen, aber die seien komplizierter zu lesen und weniger vertrauensbildend als ein Gespräch auf Augenhöhe. Ihre Kolleginnen und Kollegen sitzen in einer Reihe bei den Aufklärungsgesprächen.

Nach dem Aufklärungsgespräch geht es ganz schnell

"Man kann sich leicht abgeschlagen fühlen", erklärt ein junger Arzt mit blondem Zopf der 57-jährigen Frau vor ihm. "Und drei Tage bitte keinen Sport und keinen Alkohol." Schon verschwinden die "Impflinge", wie sie vom Impfteam genannt werden, hinter dem Sichtschutz und kriegen eine Spritze Moderna, Biontech oder Johnson& Johnson in den Oberarm.

Ärztin Leyla Duman erzählt, dass ihre türkischen Landsmänner und Landsfrauen sich ausschließlich Biontech spritzen lassen. Warum? "Weil den Impfstoff ein türkisches Ehepaar entwickelt hat, das schafft für sie sehr viel Vertrauen", sagt Leyla Duman.

Wie beim Autokauf werden Entscheidungen auch beim Thema Gesundheit oft nach Gefühl entschieden - das ist auch in Neuperlach so. Informationen und ein großes Impfzentrum sind wichtig, aber jetzt, wo es gilt, Skeptiker zu überzeugen, machen vor allem nahbare Ansprechpartner in direkter Umgebung den Unterschied.

Angst vor Nebenwirkungen

Ibrahim Dahbour (21) und seinen Freund brauchte niemand zu überzeugen. Stolz halten sie die gelben Büchlein hoch. Warum sie erst jetzt kommen? Der 21-Jährige bekennt, dass er Angst hatte; vor Nebenwirkungen oder möglichen Langzeitfolgen.

Ibrahim Dahbour bekommt die Spritze.
Ibrahim Dahbour bekommt die Spritze. © Daniel von Loeper

Aber mit den neu angekündigten Beschränkungen ist die Sehnsucht, seine Freunde beim Fußball zu treffen, größer als die Angst. Er hat Verstärkung mitgebracht, zu zweit ist das Warten nicht so langweilig.

Ibrahim Dahbour (21, rechts) möchte im September eine Ausbildung als Masseur starten, dafür hat er die Angst vor Nebenwirkungen überwunden.
Ibrahim Dahbour (21, rechts) möchte im September eine Ausbildung als Masseur starten, dafür hat er die Angst vor Nebenwirkungen überwunden. © Daniel von Loeper

"Wir hatten heute ganz viele, die wir in Riem nicht gesehen hätten"

Von 16 Uhr an kommen immer mehr Männer in blauen, weißen oder schwarzen Arbeiterhosen. Muskulöse Typen reihen sich in die Schlange. Unter ihnen ist ein 30-jähriger Installateur mit Tätowierungen am Hals. Sein Shirt spannt auf Höhe des Bizeps. Er hält eigentlich nichts vom Impfen, sagt er.

Warum er trotzdem da ist? "Um weiter ins Fitnessstudio zu können", sagt er, ohne zu überlegen. Fünf bis sechsmal die Woche gehe er dort trainieren. Es sei für ihn die letzte Chance vor den neuen 3G-Regeln, der junge Mann ist direkt von der Arbeit gekommen.

... und es sind alle Altersgruppen vertreten.
... und es sind alle Altersgruppen vertreten. © Daniel von Loeper

Philipp Schuster klärt den Installateur zu möglichen Nebenwirkungen auf. Später, kurz vor 18 Uhr, bevor das Team zusammenpackt, wird der junge Arzt noch sagen: "Wir hatten heute definitiv ganz viele, die wir in Riem nicht gesehen hätten."

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4 Kommentare
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  • Kampf den Schwurblern am 26.08.2021 13:14 Uhr / Bewertung:

    Und was wollen sie uns jetzt damit sagen?
    Wer sich Impfen läßt handelt richtig und schützt sich und andere damit ( 100% Sicherheit gibt es nicht)
    Diese Impfaktionen sind völlig richtig und sollten weiter gehen. Danke

  • katzenfliege am 26.08.2021 10:00 Uhr / Bewertung:

    „Insbesondere Kinder entwickeln unerwünschte Impfreaktionen“, schreibt Hervé Seligmann, der am Karlsruhe Institute of Technology forscht, zum Thema Impfstoff-Shedding, welches auch ungeimpfte Erwachsene jedes Alters betrifft.
    Beispiel: Tod eines 5 Monate alten Babys in den USA innerhalb von zwei Tagen, nachdem die Mutter am 17. März mit dem Pfizer-Vakzin geimpft wurde. Tags darauf lief das Baby rot an, bekam Fieber, weigerte sich zu essen und hörte nicht auf zu weinen. Im Krankenhaus fanden die Ärzte einen hohen Anteil an Enzymen in der Leber – eine Vergiftung.
    Laut des Meldesystems für Verdachtsfälle unerwünschter Wirkungen von Impfstoffen in den USA (VAERS) gab es für dessen Tod keinen anderen Grund als die indirekte Wirkung der Impfung, nachzulesen im VAERS-System unter der Ereignisnummer 1166062-1.

  • Der wahre tscharlie am 26.08.2021 16:19 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von katzenfliege

    Was ist denn das für ein Beispiel??? grinsen
    Mutter läßt sich impfen, zwei Tage später stirbt ihr Baby. Wo bitte ist da der Zusammenhang zur Impfung der Frau? ?

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