AZ-Meinung: Ist München wirklich so hässlich?

Ein Autor in Berlin hat 15 Gründe aufgeschrieben, warum er München hässlich findet. Wir sehen das anders: Der Vize-Chefredakteur Thomas Müller über seine „hässliche“ Heimatstadt.
von  Thomas Müller
AZ-Vize Thomas Müller über die "15 hässlichen Wahrheiten über München".
AZ-Vize Thomas Müller über die "15 hässlichen Wahrheiten über München". © AZ

Teuer? Grau? Greislig? Langweilig? Bröckelig? Überkandidelt? Ja, ja und nochmals: Ja! Die Mieten sind in München unerschwinglich. Die Stadt hat – trotz „E-Garten“, wie ihn Zugereiste so gern nennen – das wenigste Großstadt-Grün in ganz Deutschland. Die künstlerische Avantgarde wohnt längst (billiger) an der Spree. Und dass München unfassbar hässliche Ecken, dafür aber immer weniger Kanten hat? Stimmt.

Die München-Polemik des gebürtigen Hessen und inzwischen in Berlin lebenden Ex-Münchners kratzt nicht ganz zu Unrecht am ewig leuchtenden Hochglanz-Image dieser Stadt. Aber trifft sie auch den Kern?

Als gebürtiger Münchner wandle ich jetzt schon seit 48 Jahren durch die Stadt, eine gewisse monacensische Urteilsfähigkeit bleibt da nicht aus. Beispiel Wiesn: In meiner Jugend war das Publikum nicht ganz so jung, die Veranstaltung kaum global und unterm Strich unfassbar verzopft. Aber: Gesoffen wurde schon immer. So, what?

Beispiel: Stadtbild. Wenn ich mich an meine Kindheit erinnere, habe ich vor allem eins vor Augen: Grau-bröcklige Fassaden in einer in weiten Teilen unsanierten Stadt. Frische, helle Farben? Null. Das war richtig hässlich.

Lesen Sie hier die AZ-Architektur-Debatte

Immerhin: Im Gegensatz zu Berlin oder Hamburg hat sich München wenigstens noch eine klar strukturierte Altstadt bewahrt, die diesen Namen auch verdient.

Der bemängelte fehlende „Fernbahnanschluss“ der Allianz Arena wiegt freilich schwer. Wobei – bedenkt man, dass nicht mal der Münchner Flughafen einen solchen hat, relativiert sich dieses Manko schnell...

Und dass sich die angesagten In-Viertel nur noch Gutbetuchte leisten können? Ja – der München-Boom hat viele Alteingesessene an den Rand oder ins Umland vertrieben. Andererseits: In Spandau, Wilmersdorf und Charlottenburg (Berlin), Harvestehude, Blankenese oder Rotherbaum (Hamburg) wohnt auch kein Hartz IV.

Was bleibt? Der Wandel verändert, fordert und überfordert München enorm. Weshalb man trefflich über München lästern kann. Das tun Ur-Münchner übrigens auch sehr gern, bloß dass die halt dann grantln. Vor allem über den ungebremsten Wandel, der aber auch dafür sorgt, dass die Stadt lebt. Leben ist nun mal Veränderung. Stillstand und Bevölkerungsschwund wie in vielen anderen Städten? Der ist richtig hässlich.

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