AZ-Debatte: Autofreier Isarboulevard in München soll bald getestet werden
München - Passend zum Thema erschien Rainer Maria Schießler eine halbe Stunde zu spät zur Podiumsdiskussion über eine Münchner Verkehrswende. Der Pfarrer von St. Maximilian (die Kirche befindet sich direkt an der Isar) kam von einer Hochzeit in Hadern und steckte auf dem Weg zum Kulturstrand an der Corneliusbrücke im Stau fest. Dorthin hatten der Verein Isarlust und die AZ eingeladen. Als Geistlicher in der Isarvorstadt sei er es gewohnt, "vom Verkehr umflossen zu sein".
Einig waren die Teilnehmer des von AZ-Rathaus-Reporterin Christina Hertel moderierten Gesprächs, dass etwas geschehen muss: "Diese Stadt ist zu klein für so viel Verkehr".
Autofreie Isar: Wann kommt der Isarboulevard?
Von der grün-roten Mehrheit im Stadtrat zeigte sich Pfarrer Schießler enttäuscht. Er betonte: Er habe bei der Verkehrswende mehr erwartet, eine Wende sei für ihn eine Drehung um 180 Grad, nicht nur kleine Korrekturen. Ähnlich sah das Marco Kellhammer.
Der Professor für Urban Design an der TU wirkt an dem Forschungsprojekt mit, die Kolumbusstraße zeitweise in eine autofreie "Kolumbuswiese" umzugestalten. Grünen-Stadtrat Paul Bickelbacher glaubt, dass trotz erheblicher Proteste sich manche Anwohner die autofreie und begrünte Zone zurückwünschen werden, wenn das Projekt Ende Oktober beendet sein wird.
Verkehrswende: München hinkt im internationalen Vergleich hinterher
Eine solche zumindest zunächst temporäre Umgestaltung stellt sich Bickelbacher auch für das westliche Ufer der Isar vor. Damit könne die Straße wieder "der Boulevard werden, der er von Anfang an gedacht war", pflichtete SPD-Stadtrat Nikolaus Gradl bei.
Auf einen Zeitraum für die Umgestaltung der Isarparallele wollte sich allerdings niemand festlegen. Der Prozess habe bereits begonnen und werde in kleinen Schritten fortgesetzt, wobei Pfarrer Schießler berufsbedingt auch von viel Hoffnung sprach.
Beim Vergleich mit anderen europäischen Metropolen wie London oder Kopenhagen kommt München in dieser Frage noch sehr schlecht weg. Bickelbacher und Gradl erklärten, dass das Tempo der Veränderung nicht nur vom Rathaus bestimmt werde, sondern auch von der allgemein gültigen Gesetzeslage.
Die Preise für das Parken in den Städten, beispielsweise, würden vom Freistaat gedeckelt. Hier wünschen sich beide mehr Spielraum. Statt 30 Euro jährlich könnte eine Anwohnerparklizenz aus Bickelbachers Sicht ruhig 180 Euro kosten.
Altstadt München: Bald nur noch Anwohnerparkplätze an der Oberfläche?
Für die Altstadt kündigte Bickelbacher an, dass dort künftig nur noch Anwohner auf der Oberfläche parken sollen. Alle anderen, die nur zum Einkaufen in die Stadt fahren, müssten dann in ein Parkhaus. Auch SPDler Gradl gab sich sicher, dass der Stadtrat das bald durchsetzen kann. Pfarrer Schießler hält das für richtig. "Andere Städte wie Wien machten das schließlich auch so", erzählte er. "Wer von auswärts kommt, darf in der Innenstadt nicht parken."
Gleichzeitig betonte er, dass es nicht darum gehe, Autofahrer zu vertreiben, sondern sie davon zu überzeugen, dass mehr freier Raum für Fußgänger und Radfahrer auch eine größere Lebensqualität bedeuten. Erst das sei eine wirklich soziale Verkehrspolitik, erklärte Katharina Horn vom Bund Naturschutz, denn viele Menschen könnten sich ein Auto ohnehin nicht leisten. Den Einwand eines Zuschauers aus dem Gärtnerplatz-Viertel, er müsse abends eine halbe Stunde nach einem Parkplatz suchen, konterte sie: "Dann benutzen Sie das falsche Verkehrsmittel".
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