Ausstellung in München: Die Verfolgung der Zeugen Jehovas im Dritten Reich

Der unbekannten Geschichte der Verfolgung der Zeugen Jehovas durch das Nazi-Regime widmet sich das NS-Dokuzentrum mit einer Ausstellung.
von  Joachim Goetz
Ein Gestapo-Foto eines aufgedeckten Bücherlagers der Zeugen Jehovas in der Implerstraße 18 aus dem Jahr 1937.
Ein Gestapo-Foto eines aufgedeckten Bücherlagers der Zeugen Jehovas in der Implerstraße 18 aus dem Jahr 1937.

München – Für seine pazifistische Überzeugung ließ sich der junge Rudolf Moebs erschießen. Der aus einer Münchner Handwerkerfamilie stammende Zeuge Jehovas verweigerte den Kriegsdienst, wurde im Juli 1942 wegen "staatsfeindlicher Gesinnung" zum Tod verurteilt und im folgenden August von einem Hinrichtungskommando erschossen. Kein Einzelfall.

Die Zeugen Jehovas wurden in der NS-Zeit wegen ihres Glaubens von Anfang an unterdrückt und verfolgt. In der aktuellen Ausstellung (und einem begleitenden, im Metropol Verlag erschienenen Buch) dokumentiert das Münchner NS-Dokuzentrum erstmals diese Verfolgung zwischen 1933 und 1945 – speziell am Beispiel München. Mit vielen Biografien und einer überaus informativen chronologischen Präsentation der ziemlich unbekannten Geschehnisse.

Die Zeugen Jehovas widersetzten sich dem Führerkult

Die Zeugen verweigerten "Hitlergruß" und Kriegsdienst aus Überzeugung. Den totalitären Anspruch des Regimes lehnten sie mit Verweis auf die göttliche Obrigkeit ebenso ab wie den Führerkult.

Als erste Glaubensgemeinschaft wurde die unpolitische religiöse Minderheit bereits kurz nach der Machtübernahme in Bayern am 13. April 1933 verboten. Dennoch bekannten sich die meisten Zeugen weiterhin offen zu ihrem Gauben, trafen sich zu Bibelkreisen und verbreiteten ihre Lehre. Auf Repressalien und Konflikte reagierten sie mit offenem Protest, der von der New Yorker Leitung organisiert wurde. Internationale Brief- und Flugblattkampagnen wie etwa 1936 die "Luzerner Resolution" oder 1937 ein "Offener Brief" prangerten die Verfolgungsmaßnahmen an und verurteilten das NS-Regime.

Viele deutsche Zeugen beteiligten sich an den Aktionen, verteilten Flugblätter und Protestnoten – und wurden dafür verhaftet und in KZs verschleppt.

Therese Kühner beispielsweise. In ihrer Wohnung fanden Besprechungen statt, mit ihrem Abziehapparat vervielfältigte man regimekritische Schriften. Das reichte, um sie nach einjähriger Haft und Verurteilung in Plötzensee 1944 zu enthaupten.

Ein Gestapo-Foto eines aufgedeckten Bücherlagers der Zeugen Jehovas in der Implerstraße 18 aus dem Jahr 1937.
Ein Gestapo-Foto eines aufgedeckten Bücherlagers der Zeugen Jehovas in der Implerstraße 18 aus dem Jahr 1937.

Hunderte wurden wegen Kriegsdienstverweigerung getötet

Insgesamt gab es zur NS-Zeit im Reich etwa 25.000 Zeugen Jehovas, knapp 9.000 inhaftierte man. Hunderte wurden während des Krieges von der NS-Justiz wegen "Wehrkraftzersetzung" und Kriegsdienstverweigerung zum Tod verurteilt. Über 1.000 kamen zwischen 1933 und 45 insgesamt ums Leben, darunter mindestens 15 Münchner. Um solch staatlich sanktionierten Mord zu verhindern, wurde im Grundgesetz der BRD später das Recht auf Wehrdienstverweigerung verankert.

Die KZ-Haft fassten die Zeugen übrigens als Glaubensprüfung auf. Gruppenkodex und strenge Gläubigkeit ließen sie auch Zwangsmaßnahmen der SS trotzen. Was ihren religiösen Regeln widersprach, lehnten sie trotz Strafen unbeugsam ab.

Historiker beschäftigen sich erst seit den 90er Jahren mit dem Thema. Christoph Wilker widmete sich München, in Kooperation mit den Kuratoren. Da zahlreiche private Leihgeber und das Archiv der Zeugen Jehovas in Selters Bilder und Dokumente zur Verfügung stellten, können nun Namen, Gesichter und Lebensgeschichten vieler verfolgter Münchner präsentiert werden – und mit der Ausstellung ins Bewusstsein der Stadtgesellschaft zurückgeholt werden.


Bis 9. Januar 2019, Öffnungszeiten, Dienstag - Sonntag 10 - 19 Uhr, Katalog, Metropol Verlag, Softcover 28 Euro, Hardcover 36 Euro

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